Daniel Erdmann / Christophe Marguet

Daniel Erdmann / Samuel Rohrer
© Dirk Bleiker

Eine Fotografie des Moments

Tenorsaxofon, Schlagzeug, zwei Kontrabässe. Zwei Bässe? Es gibt Besetzungen, die springen ins Auge, noch bevor der erste Ton den Raum durchflossen hat. So auch das Projekt des deutschen Saxofonisten Daniel Erdmann und des französischen Schlagzeugers Christophe Marguet, deren gemeinsame Band durch gleich zwei Kontrabassisten zum Quartett anwächst. Sozusagen eine Art musikalische Viersaiten-Doppelrahmstufe. Und die mundet ganz vorzüglich.

Von Andreas Collet

Ein Stipendium des Deutsch-Französischen Kulturrats war es, das den deutschen Saxofonisten Daniel Erdmann vor rund 17 Jahren nach Frankreich führte. Mittlerweile haben er und seine Familie in Reims im Nordosten Frankreichs ihre Heimat gefunden. Perfekt gelegen, der TGV macht‘s möglich, sind es nur 45 Minuten nach Paris und 30 Minuten zum Flughafen, denn seine Berliner Wohnung hat Erdmann nie aufgegeben. Three Roads Home heißt nun seine neuste Einspielung mit dem Schlagzeuger Christophe Marguet, und der Albumtitel nimmt Bezug auf drei unterschiedliche Konstellationen: zwei Trios und ein Quartett. Schon 2015 eingespielt, dauerte es drei Jahre, ehe diese Perle das Tageslicht erblickte. „Das ist leider keine Band, die viel live spielt. Da gab es keinerlei Druck, und so hat es bis zur Veröffentlichung ein wenig gedauert“, erklärt Erdmann.

Jeweils fünf der zwölf Kompositionen stammen aus den Federn Erdmanns und Marguets, die beiden Bassisten Henri Texier und Claude Tchamitchian brachten jeder ein Stück mit ein. Die Besetzung hatten Erdmann und Marguet schon im Sinn, als sie die Stücke schrieben. Die Aufnahme, in knapp zwei Tagen ohne Overdubs und spätere Nachbearbeitung eingespielt, ist sozusagen eine Fotografie des Moments. Erdmann ist es wichtig, dass die Stücke eine gewisse Form, Melodie oder einen Rhythmus vorgeben und trotzdem Freiräume enthalten, in denen die Musiker aus dieser Form ausbrechen sollen und können. „Das muss überschwappen, da es sonst aus meinem musikalischen Verständnis heraus zu langweilig wird. Die Möglichkeit zu machen, was man will, muss zu jederzeit gewährleistet sein. Gerade das sind die Stärken dieser Musiker. Eben genau im richtigen Moment über den Tellerrand herauszuschießen.“

Mit Christophe Marguet spielt Erdmann schon eine geraume Zeit zusammen. So haben sie die Duo-Platte Together, Together! veröffentlicht und mit dem Tenorsaxofonisten Heinz Sauer eine Quartett-Aufnahme eingespielt. Three Roads Home ist nun der dritte Streich von Erdmann und Marguet. Die Wahl der Bassisten ergab sich dabei auf eine sehr natürliche Art und Weise. „Christophe und ich spielten im Sextett von Claude, so waren wir natürlich alle sehr miteinander verbunden, und Christophe wiederum spielt viel mit Henri“, erläutert Erdmann und fügt an: „Meine Verbindung zu Henri ist, obwohl ich nie zuvor mit ihm gespielt habe, eine besondere. Seine Alben Colonel Skopje und An Indian‘s Week entdeckte ich rein zufällig. Zu dieser Zeit hatte ich mit Frankreich noch gar nichts am Hut. Diese beiden Platten haben mich eine lange Zeit begleitet, und zu ihnen habe ich unglaublich viel gedudelt. Von daher freut es mich besonders, dass Henri zugesagt hat.“

Die Band spielt äußerst kompakt, jeder Ton hat seinen Platz, seine Bedeutung, und in jedem schwingt diese Verbundenheit und dieses Selbstverständnis mit. Das ist Musik mit großer formeller und struktureller Kraft. Erdmann ist dabei der große Geschichtenerzähler. Einer, der den Mut hat, in Melodien zu schwelgen, der aber auch immer wieder aus ihnen ausbricht, um sie mit einem Augenzwinkern genüsslich zu dekonstruieren. Christophe Marguet unterstützt dabei mit seinem höchst virtuosen, gruppendienlichen Spiel, das niemals vordergründig, dafür immer verbindend ist. Die beiden Bassisten unterscheiden sich vor allem im Ton. Während Texier auf Three Roads Home ausschließlich Pizzicato spielt, greift Tchamitchian auch öfter zum Bogen. „Man spürt einfach die Erfahrung dieser Musiker, die schon eine gefühlte Ewigkeit mit allen möglichen Größen gespielt haben. Das alles hat natürlich Vorbildcharakter, und es ist eine große Freude, mit ihnen spielen zu dürfen“, gesteht Erdmann.

Am Anfang stand die Idee der drei unterschiedlichen Besetzungen. Es wurde geprobt, die Band spielte einen Gig, und dann ging es ab ins Studio. Seitdem gaben die vier weitere Konzerte, doch auf dem Weg hat sich die Ausrichtung ein wenig verändert. Es entwickelte sozusagen eine Eigendynamik, denn nun spielen sie größtenteils nur noch im Quartett, mit beiden Bässen auf einmal. „Schlussendlich hat es sich herausgestellt, dass es uns mehr Spaß macht, die Stücke zu viert zu spielen“, erklärt Erdmann. „Wenn es noch eine Folge-Platte geben sollte, könnte ich mir gut vorstellen, sie ausschließlich im Quartett einzuspielen.“

Aktuelle CD:

Daniel Erdmann, Christophe Marguet, Henri Texier, Claude Tchamitchian: Three Roads Home (Das Kapital / Broken Silence)

Daniel Erdmann / Samuel Rohrer
© Dirk Bleiker