© Niklas Heinecke

Deutscher Jazzpreis

Bremen

Von Jan Kobrzinowski. Komplexes ist schwierig zu handhaben, so auch die Welt des Jazz, gerade wenn diese mehr mediale Zuwendung erhält als gewohnt. So geschehen in Bremen am Vorabend der diesjährigen jazzahead!. Das Metropoltheater, Kulisse für die Vergabe-Feierlichkeiten des Deutschen Jazzpreises 2023, ist im Normalbetrieb ein Musical-Spielort, gemacht für glamouröse Gefühle, Glanz und strahlende Gesichter. Die Kultur-Staatsministerin und die Initiative Musik als Veranstalterinnen und Geldgeberinnen griffen auf ein Showformat zurück, das sich wohl im letzten Jahr bewährt hatte. Das führte dazu, dass Max Mutzke und Hadnet Tesfai am Abend des 27.4. ein bisschen zu viel ESC auf die Jazzpreis-Bühne brachten. Die beiden professionellen Vorleserinnen an ihrer Seite dagegen wirkten recht steif (man wünschte sich einen Roger Willemsen herbei). Ob die Moderierenden wohl immer eine Ahnung davon hatten, wem oder was sie da eigentlich gratulierten?

Dass das Team vor der Preisverleihung dem Publikum einen Crashkurs im TV-gerechten Applaudieren verabreichte, musste man wohl in Kauf nehmen, damit dem Jazz mehr Medienbeachtung zuteilwird. Luise Volkmann, Max Andrzejewski und Phil Donkin – sie sollten dem Ganzen die nötige improvisatorische Aura verleihen – konnten einem zeitweise leidtun. Mehr als ein jazzmäßiger Hintergrundsound kam dabei nicht heraus. Die Drehbühne, auf der man sie bei Bedarf einfach wegdrehte oder wieder herzauberte, ironisierte das Geschehen wider Willen.

Welcher Plan steckte denn eigentlich hinter der Zusammensetzung der Jury? Warum saßen da neben gestandenen Musikexpert*innen Comedian Bülent Ceylan und ein Musikproduzent und DJ namens Mousse T.? Wie dem auch sei, gemeinsam wühlte man sich durch eine Unmenge von Material und förderte Überraschungen zutage, viele Entscheidungen sollten so etwas wie eine „Zeitenwende“ widerspiegeln und Zeichen setzen für Veränderungen in unserem Lande. Von Haus aus ist die Jazz World in vieler Hinsicht immer noch eine Men‘s World. In Sachen Vielfalt und Gender-Balance muss dringend etwas getan werden. So gab es Preise für die Queer Cheer Community for Jazz and Improvised Music, Volker Holly Schlott und die Sängerin Natalie Greffel, deren kritische Rede am Konzertabend zum Zustand der alten weißen Jazzwelt allerdings in den Mediatheken nicht nachhörbar ist.

Luise Volkmann, Phil Donkin, Max Andrzejewski © Niklas Heinecke

Prämiert wurden neben gestandenen Neuerern des deutschen Jazz (Silke Eberhard, Matthias Schriefl, Elias Stemeseder) auch Newcomerinnen (Lisa Wulff, LUAH, InEvitable) und Veteranen (Günter Baby Sommer, Wadada Leo Smith, Rabih Abou-Khalil, Rolf Kühn). Bei 31 Preiskategorien war indes kein Raum, ins Detail zu gehen. Nach wie vor bemüht wirken die Preisvergaben „International“. Warum beschränkt sich der Deutsche Jazzpreis nicht auf hier im Lande lebende Künstler*innen? Das täte keinem weh und stärkte eventuell eine schwache Seite des bundesdeutschen Jazz: dessen Export. Selbiges gilt für die Preisvergabe an Spielstätten (Loft, Köln) und Festivals (Cologne Jazzweek), denen man es zwar gönnt, für deren Kategorien es aber hierzulande andere Preise gibt.

Eine große Frage bleibt: Können sich Künstler*innen und Fachwelt nun in dieser Veranstaltung wiedererkennen? Sie stellte sich auch nebenan bei der Eröffnungszeremonie der jazzahead!, die gerade in ähnlichem Stil über die Bühne gegangen war. Man muss sich wohl daran gewöhnen, dass die Unterhaltungsindustrie beim Jazz die Finger im Spiel hat. Am Ende kam ausgerechnet Till Brönners Laudatio zum Deutschen Jazzpreis für Rolf Kühn übrigens sehr authentisch herüber. Joachim nahm den (lang verdienten) Preis für das Lebenswerk seines verstorbenen Bruders sichtlich gerührt entgegen und veranlasste das Publikum zu stehenden Ovationen. Dieser Applaus fühlte sich echt an.

Mit Sorgfalt sollte man in der Jazzwelt in den kommenden Wochen und Monaten auf die verschiedenen Stimmen hören, die Dinge in Ruhe auf sich wirken lassen und miteinander diskutieren.