Deutscher Jazzpreis E-Werk, Köln

© Niclas Weber

Von Thomas Kölsch. Ehrungen über Ehrungen, Laudationen über Laudationen – für sehr viel mehr war bei der Verleihung des 4. Deutschen Jazzpreises am 18. April kaum Platz. Kein Wunder bei 22 Kategorien und insgesamt 72 Nominierten, die das gesamte Spektrum des Jazz abdecken und ihn in der Vergangenheit verankern, im Jetzt spielen und ihm eine vielfältige Zukunft geben. Knapp drei Stunden lang führten Moderatorin Hadnet Tesfai und Götz Bühler, der Künstlerische Leiter der jazzahead!, im Kölner E-Werk durch den Abend und versuchten, ihn unterhaltsam und abwechslungsreich zu gestalten. Was oft gelang, nicht zuletzt durch drei ausgewählte Liveauftritte voller Energie – und durch sichtlich bewegte Preisträger*innen.

© Niclas Weber

„Jazz“, so Kulturstaatsministerin Claudia Roth in einer Videobotschaft zu Beginn des Abends, „bedeutet für viele Musikerinnen und Musiker und für viele Zuhörerinnen und Zuhörer pure Freiheit.“ Da passte es, dass mit Angelika Niescier (Kategorie: Holzblasinstrumente) und Janning Trumann (Blechblasinstrumente) zwei Musiker ausgezeichnet wurden, die die Grenzen ihrer Instrumente erweitern und sich in ihren Kompositionen von möglichst vielen Einschränkungen befreien. Dieser avantgardistische Ansatz polarisiert mitunter; im E-Werk trafen beide allerdings auf gleichgesinnte Geister, und so konnte Niescier, die auch in der Kategorie „Live-Act des Jahres“ nominiert war, in einem der drei musikalischen Programmpunkte zusammen mit ihrem Duo-Partner Alexander Hawkins ungeniert dem freien Spiel frönen. Noch experimenteller agiert Bendik Giske, der mit Zirkularatmung, Impulsen aus der elektronischen Musik, einer neuen Mikrofon-Technik und repetitiven Motiven sowohl auf musikalischer als auch auf performativer Ebene sein Saxofon neu definiert. „Dadurch erhält sein Sound eine starke physische Präsenz, die direkt aus dem Körperinneren zu stammen scheint – und ihm gleichzeitig etwas bislang Ungehörtes verleiht“, schreibt die Jury, die den 42-Jährigen als Künstler des Jahres ehrte.

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Doch auch auf der anderen Seite des Jazz-Spektrums tut sich was, und zwar durchaus Spannendes. In der Kategorie „Vokal“ überzeugte Céline Rudolph mit ihrem gleichermaßen komplexen wie relaxten Sound die Jury, während Mirna Bogdanović mit ihrer intensiven, betörenden Platte Awake, der man auch aufregende Alternative-Pop-Anklänge unterstellen könnte, das Jazzalbum des Jahres ablieferte. Ebenfalls sehr melodisch, fast schon romantisch verklärt, präsentierte sich Kenny Barron, der zum Künstler des Jahres International gekürt wurde und mit weichem Ton sowie atemberaubender Virtuosität ein Minikonzert im Rahmen der Preisverleihung spielte. Damit blieb unter den auftretenden Künstler*innen nur das Omer Klein Trio ohne Trophäe – das Ensemble war zwar in der Kategorie „Live Act des Jahres“ nominiert und hätte die Auszeichnung auch durchaus verdient gehabt, am Ende entschied sich die Jury aber für das Moses Yoofee Trio (das internationale Pendant der Auszeichnung ging an das Immanuel Wilkins Quartet).

© Niclas Weber

Natürlich versteht sich der Deutsche Jazzpreis auch als Förderinitiative und prämierte demzufolge auch das Debütalbum des Jahres, das diesmal von Jakob Bänsch (Opening) kam; bei den internationalen Künstlern fiel die Wahl auf The Living Collection von Lesley Mok. Der Preis für sein Lebenswerk und zugleich der in der Kategorie Tasteninstrumente gingen an Alexander von Schlippenbach. Jede der Trophäen war mit einem Preisgeld in Höhe von 12.000 Euro dotiert, die anderen Nominierten erhielten je 4000 Euro. Insgesamt wurden so 480.000 Euro vergeben. Einige der Preisträger werden im Rahmen der Cologne Jazzweek am 6. September auftreten.