Elbjazz

Hafen, Hamburg

© Guido Diesing

Von Guido Diesing. John McLaughlin konnte und wollte seine Freude nicht verhehlen: „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie glücklich wir sind, einen Gig zu haben!“ Mit seiner hochklassig besetzten Band The 4th Dimension war die Gitarrenlegende einer der Top-Acts bei der Rückkehr des Elbjazz-Festivals nach zwei Jahren Corona-Pause. Er bewies in alter Fusion-Manier, bezeichnenderweise beginnend mit dem „Lockdown Blues“, dass er auch mit 80 kaum etwas an Technik und Tempo verloren hat.

Die Zuschauer*innen waren ähnlich entzückt. 24.000 kamen an zwei wolkenlosen Tagen, um auf beiden Seiten der Elbe die Sonne, das gehobene kulinarische Angebot, die Atmosphäre zwischen Werft-Gelände und Elbphilharmonie und die Musik zu genießen. Wie beim Elbjazz üblich, waren die Genrebegriffe weit gefasst: Soul, Funk, Groove und Fusion, viel Tanzbares, ein bisschen Rock und Pop – das Programm ist für ein großes Publikum gemacht, und das große Publikum weiß das zu schätzen und feierte Soul-Acts wie Myles Sanko und Judi Jackson. Wer es eine Nummer kleiner wollte, steuerte etwa die Kirche St. Katharinen an, deren natürlicher Hall zu differenziertem und sensiblem Spiel anhielt und Günter Baby Sommer (dr) beim Konzert mit Johannes Enders (sax) und Micha Acher (sousaphone) scherzhaft anmerken ließ: „Wenn wir das geahnt hätten, hätten wir unser Balladenprogramm mitgebracht.“

© Guido Diesing

Wie schwierig stilistische Einordnungen sind, zeigten gleich mehrere Konzerte. So überzeugte der im Programmheft als Experte für R’n’B und Funk gepriesene junge Pianist und Organist Matthew Whitaker gerade mit interessanten Versionen von Jazzstücken wie „Spain“ und „Blue Rondo à la Turk“. Umgekehrt enttäuschte das mit Sun-Ra-Einflüssen kokettierende angebliche Avantgarde-Kollektiv Golden Dawn Arkestra mit stumpfen Disco-Beats. Auch beim spielfreudigen Quartett YĪN YĪN aus den Niederlanden stand die Tanzbarkeit an erster Stelle.

Das Moka Efti Orchestra entkräftete in kürzester Zeit alle denkbaren Vorwürfe, hier werde einfach nur auf der Erfolgswelle der TV-Serie Babylon Berlin geritten. Mit originellen Arrangements und satten Bläserklängen ging es weit über die 1920er Jahre hinaus, mit dem erwarteten Schlusspunkt „Zu Asche, zu Staub“ und Sängerin Severija Janušauskaitė. Gleich mehrfachen Grund zur Freude hatte Schlagzeuger Silvan Strauss. Er wurde mit dem Hamburger Jazzpreis ausgezeichnet und bekam ein Konzert auf der Hauptbühne mit seiner Band ToyToy spendiert, bei dem die NDR Big Band (was für ein Klangkörper!) und obendrein die Gäste Omer Klein (keyb) und Maria João (voc) zur Unterstützung bereitstanden.

Melody Gardot gelang es in einem latinbetonten Programm mit Philippe Powell (p), mit dem sie auch ihr aktuelles Duo-Album eingespielt hat, trotz Open Air und großer Bühne intime Momente herbeizuzaubern. Ein leiser Höhepunkt war schließlich der Auftritt von Spirit Fest. Zwischen Kinderlied und Experiment verzauberten die charmanten Stimmen von Saya (Tenniscoats) und Markus Acher (The Notwist). Die Gruppe aus Tokio, München und London wirkte in ihrer entwaffnenden Freundlichkeit und mit der Absage an Perfektion wie eine Abordnung aus einer fremden Welt im Land der Virtuosen und Extrovertierten. So schön kann es sein, auf Coolness, Ironie und Distanz zu verzichten.