Elbjazz

© Guido Diesing

Hafen, Hamburg

Von Guido Diesing. Es waren mal wieder gleich mehrere Festivals in einem, die am zweiten Juni-Wochenende im Hamburger Hafen über die Bühnen gingen, denn die Elbjazz-Macher arbeiten Jahr für Jahr erfolgreich daran, die Erwartungen und Ansprüche unterschiedlicher Zielgruppen zu erfüllen. Vieles, insbesondere auf den Hauptbühnen auf dem Werft-Gelände von Blohm+Voss, spricht ein Publikum an, das angenehme und anregende Musik als Untermalung für Hafenatmosphäre, gepflegte Kulinarik und im besten Fall, wie in diesem Jahr, sonniges Frühsommerwetter schätzt. Das kann im weitesten Sinne Jazz sein, muss es aber nicht. Für Soul, Funk, HipHop, Fusion, Afro-Gospel und ein wenig Rock sorgten Acts wie José James, Cherise, die ghanaischen Sounds of Joy, Dope Lemon, die Jazzkantine und Adi Oasis, wobei Letztere mit ihrem eindimensionalen Soul-Funk enttäuschte. Mehr Abwechslung hatte das fünfköpfige (!) Horst Hansen Trio aus Köln zu bieten – witzig und mit einer guten Portion Überdrehtheit, die nicht auf Kosten von Niveau und Virtuosität ging.

Als zuverlässige Abräumer erwiesen sich die Lokalhelden der Techno-Brass-Band Meute und des bewährten Tingvall Trios. Auch sonst wurde der Hamburger Szene Platz eingeräumt: Die NDR Bigband, ein Festival-Stammgast, war mal wieder mit Omar Sosa am Start, und Bassistin Lisa Wulff, gerade mit dem Deutschen Jazzpreis ausgezeichnet, präsentierte ihr Quartett. Schlagzeuger Dirk Achim Dhonau bedankte sich für den Hamburger Jazzpreis mit einem wagemutigen Konzert, bei dem u.a. Anna-Lena Schnabel (sax) glänzte, und Derya Yıldırım & Grup Şimşek mischten türkischen Seventies-Pop mit psychedelischen Grooves. Dazu stand die Young-Talents-Bühne unterhalb der Elbphilharmonie als Schaufenster für Bands aus dem Umfeld des Jazzstudiengangs der Musikhochschule bereit.

Für die Zuschauer, denen vom Festivalnamen vor allem die zweite Silbe am Herzen liegt, hieß es am Freitag auswählen und gezwungenermaßen auch verzichten. In der Katharinenkirche bot Stimmkünstler Andreas Schaerer im Duo mit Kalle Kalima (g) einen Ausblick auf sein kommendes Album im Trio der beiden mit Tim Lefebrve (b) und gefiel ebenso mit eher ruhigen und songorientierten Passagen wie mit virtuosem maschinenhaftem Beatboxing. Wer auch das Tomeka Reid Quartet erleben wollte, musste die weiteren Erkundungen des Duos verlassen, um pünktlich in die Elbphilharmonie zu gelangen, wurde dafür aber reich belohnt. Was die Cellistin mit Mary Halvorson (g), Jason Roebke (b) und Tomas Fujiwara (dr) bot, war eine grandiose Stunde zwischen Kammermusik und Jazz. Freie und auskomponierte Teile fügten sich organisch in ein waches, konzentriertes Zusammenspiel voller Kontraste und Farben. Abgerundet wurde das Erlebnis durch die willkommene Gelegenheit, zwei Stunden später wiederum in der Katharinenkirche das halbe Quartett, nämlich Halvorson und Fujiwara, noch als Duo zu erleben. Auch wenn in den klanglich dichteren und lauteren Momenten einiges in der halligen Kirchenakustik verschwamm, begeisterte auch hier das intelligente Changieren zwischen Konvention und Abstraktion, dem eine bezaubernde Fassung von Carla Bleys „Ida Lupino“ die Krone aufsetzte.

So waren am Ende alle zufrieden – die unterschiedlichen Zuschauergruppen und auch die Veranstalter, die mit über 20.000 Zuschauern zwar keinen Rekordbesuch, aber eine stattliche Zahl vermelden konnten.