Marc Ribot & Ceramic Dog

Die längste Beziehung meines Lebens“

Bis vor wenigen Jahren war Marc Ribot der typische Zwei-Album-Künstler. Nach Jahren mit den Lounge Lizards und Jazz Passengers brachte er mit jeder seiner eigenen Bands wie den Rootless Cosmopolitans, Shrek oder Los Cubanos Postizos jeweils genau zwei Alben heraus. Mit seiner – wie er es nennt – Rock-Band Ceramic Dog geht er auf Connection indes bereits in die sechste Runde. Worin besteht die Magie dieser Band, dass der ungeduldige Gitarrist so lange an ihr festhält?

Von Wolf Kampmann

Obwohl die Besetzung mit Ribot, Shahzad Ismaily (b) und Ches Smith (dr) von Anbeginn konstant blieb, ist Ceramic Dog nicht gleich Ceramic Dog. Jedes Album steht für einen neuen Ansatz. Connection unterscheidet sich von allen vorherigen Platten der Band dadurch, dass Ribot nicht mehr eine durchgehende Stimmung oder Richtung verfolgt, sondern mit jedem Song ein anderes Statement abgibt. Die Zugänge reichen von knackigem Alternative Rock bis hin zu ausufernden Free-Jazz-Improvisationen. So klingt das Album fast wie eine Compilation. Für Ribot gibt es aber ein verbindendes Element. „Ich finde, all diese Songs haben eine gemeinsame Energie. In Sachen Groove und Konsistenz empfinde ich die Connection als wesentlich songorientierter als frühere Platten. Ich habe auch deutlich mehr Augenmerk auf die Texte gelegt. Der Fokus liegt wesentlich mehr auf dem Songwriting.“

In gewisser Weise repräsentiert Connection nicht nur, was Ceramic Dog ist, sondern auch alles, was die Band sein kann. Die Band öffnet sich in alle nur denkbaren Richtungen. Ribot nennt es ihre rockigste Platte, doch das ist nur die halbe Wahrheit. Vielmehr scheint es, als habe er verschiedene Stationen seiner eigenen Laufbahn wie das Albert Ayler Project oder Los Cubanos Postizos im Rückspiegel dieser Connection. Dem stimmt Ribot vorbehaltlos zu. „Ja, es gibt mehrere Songs, die eine deutliche Ähnlichkeit mit den Cubanos Postizos haben. Andere Songs wiederum haben dieses kollektive Improvisationsmoment, das wir in dem Trio mit Henry Grimes und Chad Taylor hatten. Aber es ging mir definitiv nicht um Genre-Hopping. Selbst in Aylers Musik hörte ich dieselbe Energie wie im No Wave. Ich habe nie in Begrifflichkeiten von Genres gedacht. Für mich war das immer dieselbe Musik. Vielleicht erfinde ich ja damit ein neues Genre.“

Marc Ribot ist ein pathologischer Zyniker. Insofern ist seine letzte Bemerkung nur bedingt ernst zu nehmen. Dass er sich über alle Genres hinwegsetzt, hat er schon am Anfang seiner Laufbahn mit den Lounge Lizards, Jazz Passengers oder an der Seite von Tom Waits bewiesen. Auf Connection geht diese Haltung einfach nur noch besser auf denn je zuvor. Darüber hinaus ist diese Platte ein Community-Statement. Viele Musiker, die in Ribots Laufbahn eine Rolle gespielt haben wie die Keyboarder Anthony Coleman und Greg Lewis, Sängerin Syd Straw oder Saxofonist Oscar Noriega, geben sich hier ein Stelldichein mit Ceramic Dog, andere wie James Brandon Lewis kommen neu hinzu. „Ich selbst habe nie in dieser Weise gedacht“, räumt Ribot ein. „Das sind Freunde, und ich dachte mir, dieser Song würde mit Anthony gut klingen und jener mit Syd. Ja, wir nehmen das Village mit. Es ist ganz sicher eine East-Village-Platte.“

Natürlich drängt sich in diesem Kontext die Frage auf, inwiefern sich Ceramic Dog selbst im Lauf von 15 Jahren verändert haben. Die Band begann ganz bewusst als Ribots Rock-Outlet. Manchmal legte sie zwischen zwei Alben Pausen von bis zu fünf Jahren ein, seit 2020 jagt eine Veröffentlichung die andere. Auf seine alten Tage werde er einfach immer produktiver, grinst Ribot. „Gerade erst vor ein paar Tagen wurde mit bewusst, dass diese Band die längste funktionierende Beziehung meines Lebens ist. Irgendwie traurig oder? Ich weiß nicht, was das über mein persönliches Leben sagt, aber ich bin sehr froh, dass die Band seit so vielen Jahren so gut funktioniert.“

Was die Entwicklung innerhalb des Trios betrifft, muss Ribot tatsächlich einen Moment überlegen. „Darüber habe ich eigentlich noch nie nachgedacht. Im Gegensatz zu früheren Projekten sind wir eine richtige Band. Wir wissen voneinander genau, was und wie wir denken. Wir sind gemeinsam gewachsen. Das betrifft kollektive Improvisation genauso wie unser gemeinsames rhythmisches Geflecht. Das hat sich über Hunderte von Gigs einfach so ergeben.“

Ein wesentlicher Unterschied zwischen 2013 und heute dürfte im grundsätzlichen Selbstverständnis der Musiker liegen. Anfangs war Ceramic Dog ein Bund von drei Jazzmusikern, die beweisen wollten, dass sie auch Rock spielen können. Das war charmant, aber nur bis zu einem gewissen Grad überzeugend. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde Ceramic Dog keine Laufbahn prophezeit, die über die notorischen zwei Alben hinausgehen würde. Doch auf den letzten drei Platten einschließlich Connection stellt sich diese Frage nicht mehr. Ceramic Dog können mit vollem Selbstbewusstsein tun, was immer sie wollen. Oder um es in Marc Ribots eigenen Worten zu sagen: „Wir wollen das Haus rocken. In dieser Hinsicht sind wir dieselben geblieben.“

Aktuelles Album:

Marc Ribot’s Ceramic Dog: Connection ‎(enja / yellowbird / Edel:Kultur)