Enjoy Jazz
Rhein-Neckar-Region
Von Frank Schindelbeck. Der 50. Geburtstag des Labels ECM war ein Schwerpunkt der diesjährigen Ausgabe von Enjoy Jazz – Internationales Festival für Jazz und Anderes. Den Auftakt bestritt die betagte Pianistin Carla Bley mit ihrem zum Quartett erweiterten Trio, und auch der Schlussakkord wurde von einer ECM-Künstlerin an einem Flügel gespielt. Die Griechin Eleni Karaindrou trat mit ihrem Ensemble und Streichern im Nationaltheater Mannheim auf, und es gab: Filmmusik. Das Labeljubiläum wurde im Festivalprogramm mit weiteren ECM-Künstlern gefeiert. Die vielleicht eindrucksvollste Hommage war die schlichteste: Der 85-jährige Barre Phillips spielte zur Vernissage einer Ausstellung von ECM-Coverbildern. Mit intuitiver Selbstverständlichkeit am Kontrabass, dazu locker gerappten lakonischen Statements zu ECM und seinen „recording artists“.
Ein sympathisch bescheidener Auftritt im Rahmen des Festivals, bei dem ansonsten gern etwas dicker aufgetragen wird. 67 Konzerte in einem Zeitraum von 47 Tagen, dazu noch einige Zusatzveranstaltungen – am Ende pilgerten rund 20.000 Besucher zum „größten Jazzfestival Deutschlands“, dem „Festival der Diversität und Vielfalt“. Gelegentlich schien der gesellschaftspolitische Anspruch in der Außendarstellung wichtiger als die Musik.
Der konnte man in Spielstätten vom Wirts- bis zum Opernhaus
hinterherjagen und Tönen aus aller Welt in allen möglichen Stilen lauschen. Die
wild gemixte Enjoy-Jazz-Vielfalt war für viele Konzertbesucher eine außergewöhnliche Gelegenheit, abwechslungsreiches musikalisches Terrain zu erschließen – Herausforderung und Vergnügen zugleich. Angesichts des opulenten Programms mussten sich die meisten Besucher allerdings ihr individuelles Festival im Festival zusammenstellen.
Electronica? Reichlich vertreten, unter anderem mit Jan Bang, dem diesjährigen Artist-in-Residence des Festivals. Der sanfte Sound von ECM? Carla Bley, Tord Gustavsen, Eleni Karaindrou, das Marcin Wasilewski Trio. Internationale Musik mit Schwerpunkt Jazz? Chris Potter mit Zakir Hussain und Dave Holland, Kamasi Washington in der Band von Ryan Porter. Jazzlegenden? Archie Shepp mit Joachim Kühn im Heidelberger Schloss, Dee Dee Bridgewater, Rolf Kühn.
„Anderes“? So einiges. Wie die Trondheim Voices, deren A-cappella-Stimmen
unmittelbar nach dem Auftritt in einem zweiten Set von Jan Bang, Erik Honoré und Erwin Ditzner live remixt wurden. Steve Reichs Drumming führte das Mannheimer Schlagwerk unter Leitung von Dennis Kuhn zwar Note für Note exakt auf, konnte mit der rhythmischen Spannung und den feinen Differenzierungen des Werks aber auch Jazzohren begeistern. Zu einem unerwarteten Festivalhöhepunkt wurde das Konzert der diesjährigen SWR-Jazzpreisträgerin Liz Kosack. Die Musikerin erschien wie üblich mit extravaganten selbstgestalteten Masken auf der Bühne, was die Preisübergabe mangels guter Sicht der Preisträgerin nicht eben vereinfachte. Mit ihrer Soloperformance am Synthesizer und ihrem Trio VAX machte sie klar, warum ihr der Preis verliehen wurde: Eigensinnige, in weiten Teilen frei improvisierte Musik war zu hören, changierend zwischen Free Jazz, elektronischer Tanzmusik und Noise. Unstaubige Musik, garniert mit kratzbürstigen Klängen – gerne mehr davon bei künftigen Ausgaben des Enjoy-Jazz-Festivals.