Enjoy Jazz

Sona Jobarteh
© Manfred Rinderspacher

Rhein-Neckar-Region

Von Harry Schmidt. Mit Enjoy Jazz beheimatet die Metropolregion Rhein-Neckar seit 1999 ein Festival, um das sie manch anderer Ballungsraum beneidet. Der französisch-amerikanische Schlagzeuger und Komponist Makaya McCraven präsentierte sich in Mannheim mit einem eingespielten Quartett: Marquis Hill (tp), Junius Paul (b) und Matt Gold (g). Seine Grooves sind vom Offbeat des HipHop und Neo-Soul inspiriert, sie wirken muskulös und zupackend – Politiker sprächen wohl von „Doppelwumms“. Spezifischen Charakter hat seine Auffassung von Polyrhythmik (er ist der Sohn des US-Drummers Steve McCraven, der 30 Jahre im Quartett von Archie Shepp gespielt hat, und der ungarischen Folkmusikerin Ágnes Zsigmondi). Sein Stil ist geprägt von ungeraden Metren, einem Über- und Ineinander komplexer afrokubanischer und -karibischer Patterns, einer eigentümlich rotierenden Unwucht. Doch McCraven weiß auch Solisten in Szene zu setzen und fördert als Motor und Mentor seine Mitstreiter.

Zwei Tage zuvor war man an selber Stelle Zeuge einer kosmischen Katastrophe geworden: The Comet Is Coming ist das Trio um den britischen Saxofonisten Shabaka Hutchings, der mit Sons of Kemet und Shabaka & The Ancestors im Verlauf der vergangenen Dekade zum Schrittmacher der vitalen Londoner Szene geworden ist. Wie Gravitationswellen wirken die Energieschübe von „Code“, der postkolonialistische Afrofuturismus verwandelt den nun unbestuhlten Saal von Beginn an in einen Dancefloor. Synthesizer-Virtuose Dan „Danalogue the Conqueror“ Leavers und Drummer Max „Betamax Killer“ Hallett türmen monumentale Klangmassen zu einer kolossalen Wall of Sound auf. King Shabaka spuckt in eruptiver Entladung züngelnde Arabesken als rotglühende Lavabrocken in den Raum oder verwandelt sein Tenor in einen megaphonverzerrten Hornissenschwarm.

Der Gegensatz zwischen diesem Cosmic Rave Jazz und Bill Frisell, der zwei Wochenenden zuvor im BASF-Feierabendhaus in Ludwigshafen gastiert hatte, hätte kaum größer sein können. Sein Quartett Harmony ist mit Petra Haden (voc) und Hank Roberts (voc, cello) hochkarätig besetzt, zudem hatte der 71-jährige mit Luke Bergman einen zweiten Gitarristen eingebunden. Inniger Satzgesang stand im Zentrum des Auftritts, wobei man mit Pete Seegers „Where Have All the Flowers Gone?“, Stephen Fosters „Hard Times“ (Frisell und Haden berührend apollinisch im Duett) und Strayhorns „Lush Life“ einen Bogen von Folk über Country und Bluegrass bis zu Jazz und Americana schlug. Alles gipfelte in einer eindringlichen Interpretation von David Bowies „Space Oddity“. Frisell selbst agierte zumeist im Hintergrund, behielt die unsichtbaren Fäden der Arrangements in der Hand und streute dezent sympathisch zurückgenommene Lyrismen und Skalen als Verzierung ein.

Zum Abschluss des 24. Festivals für Jazz und Anderes begeisterte Youssou N’Dour mit Le Super Étoile de Dakar 1200 Besucher im ausverkauften BASF-Feierabendhaus. Bei 72 Enjoy-Jazz-Veranstaltungen (davon 63 Konzerten) konnten in sechseinhalb Wochen 14.000 Besucher in Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen und an anderen Orten der Rhein-Neckar-Region begrüßt werden.