Fabiana Striffler
Gegen den Strich gespielt
„Alles, was Technik ist, hinter der keine Aussage liegt, hat für mich eigentlich keine Daseinsberechtigung.“ Wenn Fabiana Striffler über Musik spricht, spürt man gleich, dass hier eine zwar junge, aber ebenso reife und innovative Musikerin am Werk ist.
Von Doris Schumacher
Mit ihrem Trio-Debüt-Album Sweet and So Solitary bringt die in Berlin lebende Geigerin ihre ganz eigene Gedankenwelt zu Gehör. In der Sängerin Friederike Merz und dem Pianisten Johannes von Ballestrem, die ihr gerade zum richtigen Zeitpunkt in der freien Jazzszene Berlins über den Weg gelaufen sind, hat sie zwei Partner gefunden, deren Individualität und Offenheit genau zu Strifflers unkonventioneller Musikdenkweise passen. So verschiedenartig die Stücke auf dem Album sind, so sind sie doch alle einer Vorstellungswelt entsprungen. Die klanglichen Experimente des Trios sind ein vorsichtiges Herantasten und bewegen sich immer stilsicher im Bereich eleganter Ästhetik. Die ganze Bandbreite der Ausdruckskraft offenbart sich in Songs wie „Black and Purple“, in dem Striffler selbst als Vokalistin zu hören ist, in Ausflügen in experimentellere Gefilde wie zum Beispiel in dem nur 44 Sekunden kurzen Stück „Milchstraße“ oder in Kompositionen wie „Hemme nicht deiner Seele Flug“, die an die Musik der Moderne erinnern und denen Friederike Merz mit ihrer wendigen und eindringlichen Gesangskunst besonderen Reiz verleiht.
Im Titelstück „Sweet and So Solitary“ bringt das Trio den Wahnsinn einer Frau in eine beinahe schon orchestrale Form. „Tollheit einer Vollmondnacht“ ist die Vertonung eines Gedichts des argentinischen Poeten Diego Leonardo Monachelli, ein klangvolles Lied mit romantischem Gestus. In Songs wie „Raumschiff über Nusa Penida“ fühlt man sich fast an das Moscow Art Trio erinnert, und auch die großartige Carla Kihlstedt kommt beim Hören mitunter in den Sinn. „Ich arbeite mit Musikern, die eine eigene Klangvorstellung haben“, sagt Striffler. Sie wolle sich selbst überraschen, gegen den Strich spielen, die eigene Vorstellungskraft weiten und auf neue Ideen und Gedanken kommen.
Die Texte wie etwa das Gedicht „Hemme nicht deiner Seele Flug“ von Kierkegaard oder auch von Striffler selbst geschriebene Texte geben dem Album eine poetische Note, die über die Poesie der Musik hinausreicht, sie sozusagen auf die Spitze treibt. Friederike Merz intoniert nicht nur Worte sondern vor allem auch Emotionen, die Striffler teilweise vorgibt, um dann ihren Triopartnern Raum zu lassen, diese zu entwickeln und ihr ganz Eigenes hineinzulegen.
Die Geigerin bezeichnet sich selbst als „Verfechterin nicht-akademischer Musik“, und gerade das scheint ihr Geheimrezept zu sein. Ausgebildet in klassischer Geige und Jazz stellt sie ihre eigene Suche nach der Wahrheit in der Musik über Konventionen und Regeln. Wenn es dann dienlich ist, dass sie ein Instrument in die Hand nimmt, das sie selbst noch nicht gespielt hat, scheint es ihr erst richtig Spaß zu machen. „Alles, was ich spielen will, spiele ich“, erzählt sie selbstbewusst. Im Duo mit dem argentinischen Gitarristen Quique Sinesi etwa greift sie zur Mandoline. Auch die Geige ist für sie ein Instrument, das sie nicht nur einer Spielweise verpflichtet. Sie streicht und zupft, fiedelt und schrubbt und entlockt ihrem Instrument Klänge, die im jeweiligen Stück verankert sind und nicht in einer bestimmten Schule. Pianist Johannes von Ballestrem gibt sich ähnlich experimentierfreudig und geht in Richtung präpariertes Klavier, wenn er etwa Magneten auf die Flügelsaiten legt. Friederike Merz ist ohnehin schon stimmlich äußerst facettenreich, in „Black and Purple“ übernimmt sie dann schließlich noch den Synthesizerpart, wenn von Ballestrem Gitarre spielt und Striffler singend ihre Geschichte selbst erzählt. Dabei ist allen drei Musikern auf ihren Instrumenten die technische Brillanz zu eigen, die die Interpretation klassischer Kompositionen nun einmal erfordert. So entsteht beim Hören des Albums eine Faszination, die nur jene Musik zu erzeugen vermag, die Geist, Seele, Herz und Gehirn in ihren Bann zieht. Es ist Jazz im weitesten Sinn.
Mit vier Jahren wusste Fabiana Striffler bereits, dass sie Geige spielen wollte, und sie hat das Instrument seither an ihrer Seite, wenngleich ihr auch nicht immer klar war, dass sie professionelle Musikerin werden wollte. Seit zehn Jahren nimmt das Komponieren einen großen Stellenwert in ihrer Musik ein. Sie sagt, daran genieße sie besonders, dass es eine stille Tätigkeit sei. Die Kompositionen entstünden häufig im Kopf, wenn sie mit dem Fahrrad durch Berlin fahre, sich durch den dichten Verkehrslärm zwänge oder durch leere nächtliche Straßen radle. „Ich habe immer versucht, Linien und Formen zu finden, die das ausdrücken, was mir das Leben gibt. Ich habe das Gefühl, dass Musik nichts anderes ist als das Leben, ausgedrückt durch ein Temperament.“
Aktuelle CD:
Fabiana Striffler: Sweet and So Solitary (Traumton / Indigo)