José James

Schutz vor dem großen Sturm

Das Album Lean on Me ist für mich eine Hymne und gleichzeitig ein Aufruf zum Handeln im Sinne des Songs ,We Shall Overcome‘. Es geht um das Miteinander, die gegenseitige Achtung über Generationen hinweg“, sagt Sänger José James, appelliert an den Gemeinschaftssinn und warnt vor egoistischem Handeln.

Von Marlene Küster

José James: Lean on Me © Cherry Chill Will

Der 40-jährige James – klein und schlank, ja geradezu zierlich – hat eine einzigartige Stimme, einen sanften Bariton, manche sprechen von einer Jahrhundertstimme. Er ist engagiert und bezieht Stellung zu gesellschaftlichen Themen, hat sein erstes, 2008 veröffentlichtes Album The Dreamer Martin Luther King gewidmet wie auch Lieder von Billie Holliday auf seinem Album Yesterday I Had the Blues: The Music of Billie Holiday gesungen. Auf seiner aktuellen Veröffentlichung Lean on Me stehen zwölf Songs von Bill Withers im Fokus, eine Hommage an den US-amerikanischen Sänger und Songschreiber.

José James mag es gar nicht, auf eine Musikrichtung festgelegt zu werden. Er ist zwar mit Jazz aufgewachsen, sein Vater ist Jazz-Saxofonist, das war aber erst einmal dessen Musik. Er selbst verstand diesen Musikstil anfangs nicht, doch er faszinierte ihn irgendwie schon immer. Mit 14 begann er, sich für Jazz-Samples im HipHop zu interessieren. Schließlich wurde er auch mit Rap und instrumentalem Funk der Beastie Boys oder Jazz-Rap von A Tribe Called Quest groß – Bands, die verschiedene Genres sampelten und kombinierten. Ein Lehrer holte ihn in den Schulchor, er erhielt ein Stipendium und studierte Musik an der New School in New York.

Dass der Wahl-New-Yorker nicht nur Jazz singen kann, zeigte er auf seinem 2017 erschienenen Album Love in a Time of Madness, auf dem er sich dem Soul widmete. Für James steht in erster Linie der Künstler im Vordergrund und nicht der Musikstil: Er ist von Prince, Miles Davis oder David Bowie fasziniert – Musikern, die sich permanent neu definieren und auf der Suche nach entsprechenden Ausdrucksformen sind. Nun zollt José James dem Soulstar Bill Withers Tribut – Sohn eines Minenarbeiters aus Slab Fork, einem Nest in West Virginia. Withers verstand es, mit Worten umzugehen. Seine Sprache war einfach und ging direkt ins Herz seiner Hörer. Er gehört zu den meistgecoverten Künstlern, allein „Ain‘t No Sunshine“ schaffte annähernd 350 Versionen. Al Jarreau veröffentlichte 1998 ein ausschließlich aus Bill-Withers-Titeln bestehendes Album.

José James hat sich eingehend mit Withers‘ Songs beschäftigt. Ein Jahr lang hat er sich dessen neun Alben angehört und hatte zum Schluss 60 Songs in der engeren Wahl. Er fragte Bill Withers selbst bei einem Abendessen in Los Angeles, welche Songs für ihn wichtig seien, und so wählten sie gemeinsam zwölf davon aus. Mit dabei sind natürlich sehr populäre wie „Ain‘t No Sunshine“, „Just the Two of Us“ oder der Titelsong „Lean on Me“, aber auch weniger bekannte wie „Hope She’ll Be Happier“.

Die große Herausforderung für James bestand nun darin, sich diese Hits zu eigen zu machen und sie in die heutige Zeit zu überführen. Bei „Lovely Day“ versuchte er beispielsweise, sich zunächst so weit wie möglich vom Original zu entfernen, was nicht einfach war. Bei der erneuten Annäherung nahm er eine kleine Änderung vor: Den Refrain, den Withers in einem einzigen Zug auf einer langen Note singt, halbierte James und sang ihn zwei Mal hintereinander. Er veränderte und modernisierte auch einige Harmonien und machte so aus der Vorlage einen José-James-Song.

Dass James sich überhaupt mit Withers beschäftigt, hat mit den aktuellen Ereignissen in den USA zu tun. „Wir Musiker sind kulturelle Botschafter unseres Landes, und es tut weh, was wir gerade in dieser sogenannten Demokratie erleben“, erklärt er. „Was können wir da nur tun? Wir können uns wehren, widersprechen, protestieren, aber trotzdem werden weiterhin unmögliche Gesetze verabschiedet. Natürlich kann man sich dem Ärger, der Wut, der Mut- und Hoffnungslosigkeit hingeben.“ James aber gibt nicht auf und folgt seinem Vorbild Withers, der am eigenen Leib Rassismus und Diskriminierung, vor allen Dingen im Musikbusiness, erfahren hat. Doch er war nie verbittert, vermittelte in seinen Songs Hoffnung und Optimismus und glaubte immer an das Gute im Menschen. Auch José James, der die 80er Jahre in Minneapolis verbrachte, hatte dort – seine Vorfahren stammen aus Panama und Irland – unter Diskriminierung zu leiden. Wenn er Trost braucht, findet er ihn in den Songs von Withers. „Wenn ich immer wieder diese Schreckensnachrichten höre, dass Trump beispielsweise Nordkorea provoziert oder Familien an der Grenze getrennt werden, dann singe ich ,Lean on Me‘. Tausende folgen mir, das ist meine Art die USA zu repräsentieren“, sagt er. „Lean on Me“ – dieser Song bedeutet ihm und seiner Band sehr viel. „Das ist für mich ein Schutz vor dem großen Sturm“, fügt er hinzu. So viele Leute kommen zu seinen Konzerten, unterstützen ihn, stehen hinter ihm: Familien, Politiker, Lehrer und Aktivisten. Das macht ihm Mut, weiterzumachen – und vor allen Dingen weiter zu singen.

Aktuelle CD:

José James: Lean on Me (Blue Note / Universal)