fixcel records

Weiße Karten

Erwin Ditzner © Schindelbeck

Das kleine, feine Label fixcel records feiert den Perkussionisten Erwin Ditzner mit drei Produktionen.

Von Hans-Jürgen Linke

Das Trio ist fotogen. Auf einem Bild schauen Nicola Hein, Stephan Kirsch und Erwin Ditzner nebeneinander in die Kamera. Dabei spiegelt sich in Ditzners runder Sonnenbrille der Fotograf. Das kann nur Frank Schindelbeck aus Neckarsteinach sein. Schindelbeck ist, unter anderem, Gründer, Produzent, Fotograf, Layouter und PR-Abteilung des Labels fixcel records. Außerdem ist er Initiator und Betreiber des uneitlen und informativen Portals Jazzpages. Einen Hauptberuf hat er auch noch. Dass er sich in den Augengläsern eines Musikers spiegelt und im Begleitmaterial zu einer CD seines Labels verbirgt, entspricht genau seinem Selbstverständnis als Vermittler in der zeitgenössischen Jazz-Szene.

Etwas mehr als ein Dutzend Jahre und über 20 Veröffentlichungen hat Schindelbecks Label inzwischen hinter sich. Einige der Produktionen erschienen parallel in limitierter Edition als Langspielplatte, einem Format, das das visuelle Gestalten lohnt, mit einer Original-Fotografie aus der fixcel photo edition. Aber das laute Klappern, das sonst überall zum Handwerk gehört, ist nicht Schindelbecks Sache. Man kennt ihn eher als zurückhaltenden, freundlichen Hörer, Förderer und Begleiter der Musik, weniger als raumgreifende Produzenten-Gestalt.

Bei seinem Label erscheinen nur, nun ja, schränkt er ein, fast nur Produktionen, die ihm Spaß machen und seinen musikalischen Vorstellungen genügen. Es gibt sorgfältig produzierte Debüts, am liebsten mit kleinen Formationen wie dem Trio Die Fichten oder dem Landgang des Trios Skulski / Gerigk / Roth. Einige der CDs enthalten Live-Mitschnitte vom nahe gelegenen Rhein-Neckar-Festival Enjoy Jazz. Einige Künstler prägen das Label stärker als andere, etwa der Bassist Sebastian Gramss – und immer wieder der Perkussionist Erwin Ditzner.

Ditzner, der in Worms aufgewachsen ist und in Ludwigshafen lebt, hat stilübergreifend mit Bands aus dem Rock- und Jazz-Formenkreis gespielt, war unter anderem Schlagzeuger bei Guru Guru und später in der Mardi Gras Bigband. Das Enjoy Jazz Festival hat ihm seit etlichen Jahren einen festen Platz unter dem Titel Carte Blanche eingeräumt, auf dem er eine Formation nach eigenen Wünschen zusammenstellen kann. Einige dieser Projekte sind inzwischen als CDs bei fixcel erschienen.

Erwin Ditzner © Schindelbeck

Jetzt gibt das Label ein aktuelles Ditzner-Dreierpaket mit drei grundverschiedenen Publikationen heraus. Die eine ist der Mitschnitt eines Trio-Konzerts mit Stephan Kirsch (trb) und Nicola Hein (g, electr) im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen. Es ist, in Fortsetzung der Studio-Produktion Nervous desselben Trios, ein improvisiertes Konzert, das in zwei Stücke – „Blue Arm“ und „Green Arm“ – unterteilt ist, mit vielen behutsam eingefügten elektronischen Soundgestalten, mit langem Atem, weitem Horizont und dem immer wieder spürbaren Bestreben, gegenseitige Eingespieltheit nicht zu verraten und trotzdem Bekanntes hinter sich zu lassen. Erwin Ditzner zeigt sich als freigeistiger Perkussionist ohne stilistische Beschränkungen, der jederzeit in der Lage ist, Impulse zu setzen, ohne mit Lautstärke um Aufmerksamkeit werben zu müssen, der aber auch hellhörig mitspielt, wenn ein anderer vorgeschlagen hat, wo es langgehen soll.

Die zweite Produktion ist eines der Carte-Blanche-Projekte. Am 13. November 2019 trat Ditzner im Duo mit einem Pianisten auf, der den im zeitgenössischen Jazz legendären Familiennamen Jarrett trägt. Mit Vornamen heißt er Chris und ist Keiths jüngster Bruder. Ditzner zeigt hier eine sensible Perkussionsarbeit, die klanglich und dynamisch klare Wege einschlägt, dem Pianisten Raum lässt und auch mal warten kann, ohne dass es nach Warten klingt. Chris Jarrett seinerseits ist stark am perkussiven Mithalten orientiert, schöpft weniger aus dem Parameter der Harmonik als aus der Dynamik. Sein Temperament erscheint flirriger als das seines Bruders. Er arbeitet weniger pointilistisch als girlandenhaft und oft vorantreibend, und er rollt seine Linienwerke nicht nachdenklich aus, sondern eilt lieber an ihnen entlang.

Die Produktion mit dem größten Gewicht in dem Dreimal-Ditzner-Paket ist das Wagner-Album, das auch in Gestalt einer Doppel-Langspielplatte auf den erwartungsvollen Markt kommt. Ditzner spielt hier eher die Rolle eines Sideman, aber allein das ist schon bemerkenswert: wie er das tut, klangsensibel, ohne Auftrumpfen und mit einer Präsenz voller Präzision und Zurückhaltung. Die Federführung bei diesem Projekt hatten der Holzbläser Lömsch Lehmann und der Kontrabassist Matthias Debus. Sie arbeiten sich auf liebevoll kommentierende Weise an Motiven aus Richard Wagners Ring des Nibelungen ab. Lehmann intoniert auf der Klarinette fast klassisch und mischt subtil Obertöne ein, die Wagner gehasst hätte. Das Rheingold schimmert traut im Vorspiel, obwohl es bei diesem Trio kein Vor- und Nachspiel gibt, sondern nur Hauptsachen, klanglich verfremdete harmonische Zitate, melodische Anspielungen, zirkularbeatmete Rheinwellen, Waldweben mit perkussivem Specht, Hagen, Loge, Riesen, Zwerge und Walküren: Wagner, so weit das Ohr reicht, in lupenrein jazziger Spielhaltung.

Eigentlich sollte im letzten Drittel des Enjoy-Jazz-Festivals 2020 das große Release-Konzert stattfinden, aber auch bei Wagner gibt es unfreiwilligen Verzicht. Die finale „Liebesentsagung“ trauert dem ausgebliebenen Ereignis nach.

Aktuelle Alben:

Chris Jarrett & Erwin Ditzner: Live @ Enjoy Jazz 2019

Kirsch / Hein / Ditzner: Live @ Hack

Debus / Lömsch / Ditzner: Die Motive des Richard W.

(Alle: fixcel records)