HÖRBUCHT

GLÜCKSSOCKEN

Ein bisschen Aberglaube kann nicht schaden. Es muss ja in Zeiten wie diesen nicht gleich Freitag der 13. sein oder die schwarze Katze, die unter der Leiter durchschleicht von links nach rechts, um dann mit einem uninspirierten Sprung direkt in den Spiegel einer Kanonenkugel gleich das Leben in Scherben zu legen – au contraire. Sieben Jahre nur Pech und Schwefel? Dann doch lieber Glücksbringer, die all die Unbill des Lebens ausgleichen und zum Guten wenden. Papst inner Tasche, wie man nicht nur im Ruhrgebiet sagt. Die Hasenpfote in selbiger täte es auch bei latentem Franziskusmangel. Zudem ein kleiner rothaariger irischer Kobold, der lieber Leprechaun genannt werden will, sonst behält er das vierblättrige Kleeblatt für sich. Gute Feen und Feenwesen sind rar gesät, gerade im Alltag, da freut man sich schon über ein Lächeln oder andere nette Gesten. Oder über einen Schornsteinfeger und ganz viel Schwein. Nach langem Überlegen setzen wir jetzt nachhaltig auf ein Hufeisen, über der Eingangstür angebracht mit der offenen Seite nach oben, U-Form, damit das Glück von oben hineinfällt – wie in einen Topf voller Gold am Ende des Regenbogens – und sich dort sammelt und verweilt, wo es am meisten gebraucht wird. Home, sweet home. Das Haus verlassen wir nur noch mit Glückssocken, zur Sicherheit gut bestrumpft in allen Lebenslagen, ob Arbeit, Shopping, Fußball – oder die Liebe. Die Socken bleiben an. In der Hörbucht…

Björn Simon

Frank Goosen

Spiel ab!

tacheles! / Roof Music

4 Sterne

Egal, ob man sie schon aus Frank Goosens früheren Romanen wie Förster, mein Förster oder Kein Wunder kennt oder ihnen hier zum ersten Mal begegnet – man ist schnell drin in der Geschichte und hat sie ins Herz geschlossen, die ganzen Pfeifen. Förster, Fränge und Brocki sind drei ehemalige Schulfreunde aus Bochum, mittlerweile in ihren Fünfzigern, und haben dementsprechend schon einiges hinter sich – Musterbeispiele einer Generation, die nie um Zitate und popkulturelle Verweise jeder Art verlegen ist. Boomer halt. Nimmt man Freundinnen, Ex-Frauen, Eltern, Nachbarn und Ex-Nachbarn dazu, hat man genug Personal für eine Menge Geschichten zusammen.

In Spiel ab! fängt es damit an, dass Fränge es durch notorische Unzuverlässigkeit mit seinem Sohn Alex schwer vermasselt hat. Als der Trainer von dessen C-Jugend-Fußballteam frustriert hinschmeißt, sieht Fränge seine Chance gekommen: Als neuer Trainer will er sein Engagement beweisen und die Vater-Sohn-Beziehung kitten, wobei Förster und Brocki als Co-Trainer helfen sollen. Vor allem für Förster, der eigentlich Schriftsteller ist, ist der Fußball eine fremde Welt, die er verwundert, aber zunehmend fasziniert beobachtet: „Es herrscht hier eine Vorliebe für extrem verknappte Kommunikation, dachte Förster.“

Es läuft zunächst gar nicht schlecht, obwohl die Mannschaft nicht gerade erfolgsverwöhnt ist, was eine der Vereinsverantwortlichen klar auf den Punkt bringt: „Ich weiß auch nicht, warum wir immer die kriegen, wo man denkt, dass die Mutter in der Schwangerschaft geraucht hat.“ Doch natürlich bleiben Konflikte auf und neben dem Platz nicht aus. Farbig geraten Goosen die Szenen in der Umkleidekabine („Deine Mudder“, „Du Lappen“) und die Zusammentreffen mit den Spielereltern. Für Lokalkolorit aus dem alten, verschwindenden Ruhrgebiet sorgt Vereins-Urgestein Friedhelm – das vom Autor selbst gelesene Hörbuch bietet in allen Fällen Authentizitätsmehrwert. Und mangelndes Fachwissen im Fußballbereich kann man Goosen ohnehin nicht vorwerfen. Immerhin hat er selbst einst eine Jugendmannschaft trainiert und saß im Aufsichtsrat des VfL Bochum.

Nur zu gut kann man im letzten Kapitel die Wehmut der Protagonisten über das Ende der Saison nachfühlen, die sich mit der Wehmut des Hörers über das Ende des fast sieben Stunden lang angenehm unterhaltenden Hörbuchs deckt. Diejenigen, denen die Wartezeit zwischen Goosens Förster-Büchern zu lang ist und die ähnliches Personal statt im Ruhrgebiet mal in Berlin rumwurschteln sehen wollen, können sich die Zeit bestens mit Sven Regener verkürzen. Und umgekehrt.

Guido Diesing

Bret Easton Ellis

The Shards

Argon

3,5 Sterne

Mit Unter Null brachte der amerikanische Schriftsteller Bret Easton Ellis Mitte der achtziger Jahre einen ganz neuen Ton in die Literatur ein: unterkühlt, lakonisch, detailversessen. Der Serienmörder aus American Psycho lehrte sein Publikum dann Angst und Schrecken, und das nicht nur, weil er eine Vorliebe für Huey Lewis und Phil Collins hegte. The Shards – was man einfach mit Die Scherben übersetzen könnte – ist nun eine Art Kombination dieser beiden Romane. Ellis wirft wieder einen ausführlichen Blick auf die „reichen Gören“, die schon Unter Null bevölkerten und zu denen er selbst gehörte. Unter die Schüler des Abschlussjahrgangs einer High School in Beverly Hills mischt sich 1981 ein neuer, den der Ich-Erzähler namens Bret Ellis ziemlich schnell verdächtigt, ein Serienmörder namens der Trawler zu sein – den Namen erhält er von der Presse aufgrund eines besonders widerlichen Details bei seinen Morden in einem an widerlichen Details nicht gerade armen Roman. Gleichzeitig ist der Ich-Erzähler damit beschäftigt, seine schwule Identität vor seinen Klassenkameraden zu verheimlichen – für einen kalifornischen Upper-Class-Abkömmling scheint es zu Beginn der achtziger Jahre nichts Schlimmeres zu geben, als für schwul gehalten zu werden. Das geht mit obsessiv detaillierten Sexszenen einher, die man getrost pornografisch nennen kann.

Überhaupt ist Ellis’ Detailversessenheit beeindruckend, oft aber auch ermüdend und manchmal schlicht unglaubwürdig. So nimmt man verblüfft zur Kenntnis, dass es einen Serienmörder, der der Trawler genannt wurde, nie gegeben hat. Irgendwann ist man der ständigen Fahrten über den Beverly Glen Boulevard, den Mulholland Drive und die Avenue of the Stars auch reichlich überdrüssig – obwohl Frank Arnold, den man als Sprecher von Aspekte und Titel, Thesen, Temperamente kennt, die 27 Stunden The Shards mit viel cooler Energie und sicherer Aussprache liest. Das bluttriefende Finale wollen wir hier nicht verraten – aber schön ist es immerhin, dass Ellis uns längst vergessene Bands wie REO Speedwagon und Split Enz wieder ins Gedächtnis ruft.

Rolf Thomas