Sebastian Scotne

London Column

Eine mittelgute englische Fußballmannschaft wie West Bromwich Albion zu unterstützen, ist eine Sache fürs Leben. Sam Slater, der Label-Chef bei Stoney Lane, das sich auf die Musik von Musikern aus Birmingham spezialisiert, hat eine Dauerkarte, mit der er so gut wie jedes Spiel seiner geliebten Mannschaft in deren Heimspielstätte The Hawthorns besuchen kann. Das gibt ihm ein starkes Gefühl der Gruppenzugehörigkeit (andere Fans sind u.a. Eric Clapton und Goran Ivanisevic). Da kann er gelegentlich Momente des Hochgefühls erleben – immer gefolgt und ausgeglichen von Verzweiflung und Stress.

Sam Slaters totale Treue zu den „Baggies“ bestimmt auch, wie die Dinge bei seinem Label ablaufen. Wie zum Beispiel der Name: Stoney Lane war die Heimstätte der WBA während ihrer erfolgreichsten Jahre – von 1885 bis 1900. Die Wahl der Katalognummern des Labels ist ebenfalls Baggies-bestimmt. Jedes Album erinnert an ein Jahr, in dem der Club etwas Besonderes geleistet hat. Das allererste Album, das Anfang 2015 erschien, trug die Nummer SLR1931. Es war Vuelta, ein Album von Mike Fletcher am C-Melody-Saxofon. Die Katalognummer erinnert an den herrlichsten aller fünf FA-Cup-Siege von WBA, nämlich den über den Erzrivalen Birmingham City.

Ein neueres Album von Stoney Lane hat die Katalognummer SLR1978. Das bezieht sich auf ein Jahr, das in der Folklore der Baggies-Fans verankert ist. „Es war die Ankunft der Three Degrees“, erklärt Slater. Dieser Begriff wurde von den Fans des Vereins für die drei schwarzen britischen Spieler Cyrille Regis, Laurie Cunningham und Brendon Batson geprägt, durch die WBA der erste Verein in England wurde, in dem drei schwarze Fußballer regelmäßig spielten. Dies wird heute als wichtiger Moment in den britischen Beziehungen zwischen den Rassen angesehen. Es ist ein hervorragendes Album, dem vor Kurzem die Ehre zuteilwurde, im DOWNBEAT eine ganzseitige Besprechung zu erhalten. Das Album: Ibeji, das zweite Album des Saxofonisten Xhosa Cole.

Und die Geschichte von Slater selbst? Er ist ein waschechter Brummie, dort geboren und aufgewachsen. Er studierte Geschichte an der Universität von Birmingham, spielte aber auch viel Gitarre und Oud und knüpfte enge Verbindungen zur Gemeinschaft der Jazzmusiker in der Stadt. Er machte seine ersten Schritte in die Welt des Musikgeschäfts in Partnerschaft mit seinem engen Freund Percy Pursglove, der seit 2020 Trompeter in der NDR Big Band ist. Diese lange Freundschaft wird bald weitere Früchte tragen. „Percy hat eine so kraftvolle und experimentierfreudige Musiksuite geschrieben, dass es uns eine Ehre sein wird, mit der NDR Big Band im nächsten Jahr die Erstaufnahme zu veröffentlichen.“

Jazzjournalist Sebastian Scotney betreibt die Website Londonjazznews.com und ist regelmäßig im Intelligence-Podcast des ECONOMIST zu Gast.