HÖRBUCHT

Some Times

Manchmal kreieren Korrektoren auch Kolumnen, aber nur manchmal. Manchmal ledern Lektorinnen Lexika ab beim ganz großen Tennis, verspielen Journalisten rudimentär Recherchiertes beim Roulette, gehen Autoren ganz bewusst ins Freudenhaus, um sich zu Tode zu freuen. Manchmal schreiben Komiker auch Romane wie so richtige Romanciers, ganz ernsthaft romantisch, ohne Happy End. Manchmal finanzieren Franzosen einen Film, fahren Künstlerinnen schwarz und schwärzer, drehen Dromedare durch und durcher, bis sie gar gar sind, gaga. Manchmal haben Verlegerinnen was verlegt, den Reisepass, den Tresorschlüssel. Manchmal cornern Nomaden noch und nöcher, an jeder Ecke. Manchmal muss man den Hund zum Jagen tragen, gewinnen domestizierte Dramaturgen keinen Blumentopf, nicht in diesem Leben. Verschieben Regisseure ganz ans Ende dieses Manchmal. In der Hörbucht

Björn Simon

Thomas Bernhard / Claus Peymann

Meine Preise

tacheles! / Roof

5 Sterne

Er war ein begnadeter Schimpfer, ob er wirklich auch so ein großer Schriftsteller war, als der er zu Lebzeiten galt, das wird wohl die Nachwelt entscheiden – der Ruhm von Thomas Bernhard ist seit seinem Tod vor dreißig Jahren jedenfalls schon erheblich verblasst. Trotzdem lohnt sich dieses Hörbuch immens, denn die posthum erschienene Schimpftirade Meine Preise, in der Bernhard sich über die ihm zugedachten Literaturpreise auslässt – es sind natürlich immer zu wenige und vor allem stets die falschen, nur das Geld ist stets willkommen – und dabei auch seine üblichen Feinde Österreich, Wien und den Kulturbetrieb an sich niederkartätscht. Der Theaterregisseur Claus Peymann, spätestens legendär, seit er in den siebziger Jahren das Bochumer Schauspielhaus als Intendant aufmischte, ist genau der Richtige, um diese Sottisen vorzutragen, denn er war und ist nicht nur ein großer Bernhard-Fan, er kannte den Autor auch persönlich und hat viele von dessen Werken auf die Bühne gebracht. Bernhard revanchierte sich unter anderem durch sein Stück Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen, das von Harald Schmidt in dessen unerreichter Fernseh-Show kongenial persifliert wurde – Benjamin von Stuckrad-Barre glänzte dort mit Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit mir essen. (Die Stuckiman-Parodie hat es bis auf die Bretter des Berliner Ensembles geschafft mit Schmidt als Peymann – natürlich kein Wunder, denn als das geschah, war Peymann höchstselbst der Hausherr am berühmten Brecht-Theater am Schiffbauerdamm.)

Zu hören ist aber nicht nur Peymann, sondern auch Bernhard selbst: Seine Ansprachen zur Verleihung des Bremer Literaturpreises und des Georg-Büchner-Preises sind im Orignalton zu hören. Zum Büchnerpreis, den Bernhard 1970 erhielt und der immerhin der renommierteste Literaturpreis im deutschen Sprachraum ist, ließ der Schriftsteller sich wie folgt ein: „Und hier muss ich sagen, dass ich vor allem nach Darmstadt gereist bin, um meiner Tante einen schönen Geburtstag zu machen, denn sie hat, wie Georg Büchner, am achtzehnten Oktober Geburtstag.“ Man kann sich die Gesichter der anwesenden Honoratioren lebhaft vorstellen.

Mirela Onel

Jürgen von der Lippe

Nudel im Wind

Random House Audio / Edel:Kultur

3 Sterne

Nudel im Wind von Juergen von der Lippe

Man würde Jürgen von der Lippes ersten Roman gerne mögen, denn der Mann ist ja grundsympathisch. Angefangen hat er mit den Gebrüdern Blattschuss und den berühmten „Kreuzberger Nächten“, bevor der als Hans-Jürgen Dohrenkamp geborene eine Fernsehkarriere hinlegte, die man wohl beispiellos nennen muss – mit dem Höhepunkt der Spielshow Geld oder Liebe, die übrigens auch für die Musikbranche bedeutsam war, denn die oft unbekannten Bands, die von der Lippe dort wortreich präsentierte, verkauften sich anschließend wie von selbst. Dabei hat der vom Feuilleton immer mit spitzen Fingern und einem leichten Igitt-Gefühl Betrachtete stets an Kalauer und Herrenwitz festgehalten, obwohl er wusste, dass er damit bei der Kritik keinen Blumentopf gewinnen konnte – beim Publikum aber sehr wohl.

Sein rührend altmodischer Machismo – da werden tatsächlich noch „Blüschen“ gesprengt – findet sich leider oder Gottseidank auch in Nudel im Wind, seinem Roman-Debüt, das er im Alter von 70 Jahren feiert und das gleichzeitig auch als Hörbuch erscheint. Darin geht es um die Entstehung einer Fernsehshow, und im TV-Betrieb kennt Deutschlands berühmtester Hawaiihemdenträger sich selbstverständlich aus, und deshalb fällt es ihm auch nicht schwer, diverse Unsympathen in Form von Redakteuren, Geschäftsführern, Autoren und Moderatoren mit leichter Hand zu skizzieren und ein mildes Gag-Feuerwerk abzubrennen, bei dem sogar Chuck-Norris-Witze recycelt werden. Das Hörbuch – der Autor liest natürlich selbst – leidet unter von der Lippes Vorliebe, seinen Charakteren, die eigentlich halbwegs intelligent sind, einfältige Sprachfehler angedeihen zu lassen, die in einem merkwürdigen Widerspruch zur Figurenzeichnung des Romans stehen. Alle Marotten des gebürtigen Bad Salzufleners – die Liebe zur Hochkultur, das Faible fürs Kochen, die Freude an Fremdwörtern – schlagen sich auch im Roman nieder, und wer Jürgen von der Lippe mag, wird auch an Nudel im Wind seinen Spaß haben. Die großartige Mediensatire, als die das Buch jetzt in einer gigantischen PR-Welle durch sämtliche Zeitungen und TV-Magazine gespült wird, ist Nudel im Wind aber nicht geworden, dafür ein halbwegs amüsanter Unterhaltungsroman. Ist doch auch was.

Rolf Thomas