Megaphon

Von Jan Kobrzinowski

Ist es nun schon bald auch im Herzen von Europa schlecht um die Freiheit der Kunst bestellt? Und müssen wir jetzt mit Nachdruck für Dinge eintreten, die eigentlich selbstverständlich sind? Geht es gar nicht ums Gemütlichmachen? So VIELE Fragen, die wir uns neuerdings stellen müssen. Kultur, Medien, guter Journalismus sind kein Luxus! „Die Länder der EU stehen für Vielfalt der Lebensentwürfe und Kulturen. Ihre politische Ausgestaltung muss getragen werden von der Idee eines Europas der VIELEN“, heißt es in der ERKLÄRUNG DER VIELEN. Plötzlich klingt alles so furchtbar existenziell. Aber: in Bewegung kommen hat Vorteile, dann kommt die Selbstgenügsamkeit eben mal ein bisschen unter die Räder. So wie es aussieht, werden wir uns wohl auf der Straße wieder treffen, wenn es am 19. Mai 2019 in vielen unserer Städte heißt: „Glänzende Demonstrationen für ein EUROPA DER VIELEN“.

Jamie Cullum

50. Internationale Jazzwoche Burghausen. Vom 26. – 31.3. feiert ganz Burghausen das Jubiläum der Jazzwoche, und zwar mit Pomp und Circumstances: Jamie Cullum, Sly & Robbie, Al Di Meola, Dianne Reeves, Rymden u.a. geben sich die Ehre, und auf einer großen Jazznight mit acht Bands darf getanzt werden. Für das Finale des 11. Burghauser Europäischen Nachwuchs-Jazzpreises muss sich die Jury zwischen dem LBT, Lobster, dem Lorenzo Riessler Ensemble, SIEA sowie dem Weezob Collective aus Polen entscheiden. Dazu erscheint rechtzeitig ein dokumentarisches Buch zur Geschichte der Jazzwoche von den BR-Redakteuren Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer (s. Bericht in diesem Heft).

www.b-jazz.com

Immerhin. Am Ende blieb es doch bei der Nominierung für den ersten hessischen Grammy. Die John Daversa Big Band feat. DACA Artists schnappte der hr-Bigband den Preis für das Best Large Jazz Ensemble Album weg. Weitere Jazz-Grammys gingen an Wayne Shorter (instrumental), Cécile McLorin Salvant (voc), John Daversa (best improv. solo, s.o.) und die Dafnis Prieto Big Band (latin).

www.grammy.com

In Zukunft gibt es leider keine sommerlichen Töne mehr auf Schloss Diersfordt bei Wesel. Verabschieden müssen wir uns vom Verein Sommerton e.V., der sich seit 2012 dem Jazz und seinen weltmusikalischen Verzweigungen gewidmet hatte. Sommertons rührigem Vorstand ist nun endgültig mangels finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln die ehrenamtliche Puste ausgegangen. Der bisherige künstlerische Leiter Wilfried Schaus-Sahm gibt allerdings nicht auf und will möglichst bald eine Konzertreihe auf dem Schlossgelände etablieren.

Das Dortmunder domicil wird 50! Seit anno 1969 Buschmann, Panke und Schimanski die Türen in der Leopoldstraße, in der Nachfolge des Hotjazzclubs, öffneten, steht das domicil gleichermaßen für Kontinuität und Wandel. Das im Frühjahr erscheinende Buch domicil – Ein halbes Jahrhundert Forum Jazz & Creative Music belegt, dass es nur „mit größtmöglicher Autonomie möglich ist, dauerhaft ein spannendes Programm zu machen, und zwar unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg der einzelnen Veranstaltung“. Das soll so bleiben. Wir gratulieren und werden berichten.

www.domicil-dortmund.de

Was Musikkritik in der Tagespresse sein sollte und kann, wurde vor einem halben Jahrhundert neu definiert – nicht unmaßgeblich von unter anderem Hans-Klaus Jungheinrich, der seit 1968 zur Feuilleton-Redaktion der Frankfurter Rundschau gehörte. Politische und gesellschaftliche Reflexion, großes Verständnis fürs Zeitgenössische und eine Erweiterung des Feuilleton-Horizonts in Richtung Jazz und populäre Musik gehörten für ihn zum Metier. Neben seinen publizistischen Arbeiten organisierte er Symposien zu zeitgenössischen Komponisten, war den Lesern ein wacher und gebildeter Autor und den Freunden und Kollegen ein unentbehrlicher Gesprächspartner. Er starb am 17. Dezember, schockierend unerwartet. [Text: mit letztem Gruß an Hans-Klaus Jungheinrich von seinem fr-Weggefährten Hans-Jürgen Linke]

Die mœrs Kultur GmbH hat weiterhin Vertrauen zu Tim Isfort. Der Vertrag mit dem künstlerischen Leiter des renommierten Festivals für improvisierte Musik wurde bis 2022 verlängert. Der Bund sagte zu, das Festival ab 2019 mit jährlich 250.000 Euro und zum 50. Jubiläum sogar mit 400.000 Euro zu unterstützen. Wir wünschen viel Erfolg und bleiben gespannt auf die nächste Festival-Ausgabe vom 7. – 10. Juni.

www.moers-festival.de

Moers, Emilio Gordoa © Andre Syrmann

 

Kaum jemand kennt Emilio Gordoa. Das wird sich nun ändern, da das mœrs-Team den mexikanischen Vibrafonisten und Schlagzeuger zum Improviser in Residence des diesjährigen Festivals ernannt hat. Gordoa als Vertreter der jungen zeitgenössischen Improvisationsszene geht es insbesondere darum, das Vibrafon von seinen Klischees im Jazz zu befreien.

Helmut Eisel

 

Clarinet & Friends – Festival im Dialog in Mühlhausen/Thüringen. Helmut Eisel, Klarinettist und künstlerischer Leiter, stellte sich die Frage, wie er „begeisternde, vielfältige Konzerte publikumsnah präsentieren“ kann. Die Antwort ist das Programm mit Konzerten, Workshops und Rahmenprogramm. Siehe Festival-Terminteil.

www.clarinet-and-friends.de

Das neue Hamburger Blog JAZZMOVES bringt das inzwischen immer vielfältiger werdende Jazztreiben in der Hansestadt und ihrer Umgebung auf Initiative des Jazzbüros Hamburg e.V. mit seinem „Mix aus redaktionell aufbereiteten Inhalten und einem frischen und detaillierten Konzertkalender“ ziemlich lückenlos unter einen Hut und will „Jazz made in Hamburg“ auch über die Grenzen hinaus tragen.

www.jazz-moves.de

Das Uebel & Gefährlich wurde mit dem diesjährigen Club Award zu Hamburgs „Musikclub des Jahres“ gekürt. Im Bunker an der Feldstraße geht es gar nicht so böse zu, im Gegenteil, die Betreiber schreiben sich auf die Fahnen, mit „Liebe zum Detail und Leidenschaft“ den Künstler/innen ein zweites Wohnzimmer“ zu bieten, und – interessant für das Jazzmagazin Ihres Vertrauens – beherbergen die Initiative FatJazz. Der Club Award wird vergeben durch das Clubkombinat Hamburg e.V. und die Behörde für Kultur und Medien.

Apropos übel: #meToo macht auch vor dem Jazz nicht halt. Der Trompeter Ibrahim Maalouf wurde bereits im November 2018 wegen sexueller Belästigung einer 14-jährigen Schülerin zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Das Rivertone Festival (5.-7.7.) im niederbayerischen Straubing wächst dieses Jahr über sich hinaus: Mit den Stars DeeDee Bridgewater und Candy Dulfer als Headlinerinnen zieht die Veranstaltung in ein noch größeres Festzelt um. Siehe Festival-Terminteil.

www.rivertone.de

30 Jahre TonArt Hamburg e.V. – Anlass genug für ein Festival des TonArt Ensembles mit drei Konzerten im April. Die Hamburger Impro-Szene freut sich auf einen „generationsübergreifenden Austausch über die Möglichkeiten und die Bedeutung improvisierter Musik“. Highlight ist der Auftritt von Fred Frith im Westwerk.
www.tonarthamburg.wordpress.com

Der Neue Deutsche Jazzpreis 2019 wird vergeben durch die IG Jazz Rhein-Neckar e.V. Die Qual der Wahl hat am 15. und 16.3. der diesjährige Kurator Renaud García-Fons: Er muss aus 13 hochkarätigen Bands die Wettbewerbsteilnehmer in der Mannheimer Alten Feuerwache aussuchen. Darunter sind Benedikt Koch, Katrin Scherer, Lucia Cadotsch, Schriefls Shreefpunk u.a. nebst folgenden Kandidaten für den Kompositionspreis: Sebastian Böhlen, Christina Fuchs, Benjamin Schaefer.

www.ig-jazz.de/neuer-deutscher-jazzpreis-2019-2/

Mit dem Deutschen Musikautorenpreis würdigt die GEMA unter dem Motto „Autoren ehren Autoren“ Komponisten und Textdichter für ihr musikalisches Schaffen. Im Bereich Jazz sind Tim Allhoff, Julia Hülsmann und Martin Tingvall nominiert. Elif Demirezer und Mark Barden erhalten den Nachwuchspreis. Am 14.3. verleiht Schirmfrau Monika Grütters die Preise. Alle Preisträger und Nominierten werden als Mitglieder in die Akademie Deutscher Musikautoren (ADMA) aufgenommen.

www.musikautorenpreis.de

Kamaal Williams


Am 31.5. und 1.6. steht der Hamburger Hafen mit ELBJAZZ 2019 wieder mal Kopf: Elphi und Blohm & Voss-Werft werden abermals zur Jazzbühne für Berühmtheiten wie Randy Brecker, Manu Katché, Benny Golson, Jamie Cullum u.a., aber ebenso für interessante internationale Newcomer wie z.B. Kokoroko, Kaiit und verschiedene Besetzungen mit Artist in Residence Julia Hülsmann. Wenn man nur dat Wedder metspeelt!

www.elbjazz.de

Ed Partyka muss von Österreich nach Helsinki umziehen. Der amerikanische Komponist, Posaunist, Arrangeur und Dirigent wird dort seinen neuen Job als künstlerischer Leiter und Chefdirigent des UMO Jazz Orchestra antreten. Der erfahrene Bigband-Leiter (hr- und NDR-Big Band, Zurich Jazz Orchestra u.a.) und bisherige Jazzprofessor in Graz wird ab sofort mit dem vom finnischen Kulturministerium und der Stadt Helsinki finanzierten „Orchester Neuer Musik“ bis zu 100 Konzerte im Jahr aufführen.

Seit 2012 gibt es auf Initiative des Goodwill Ambassadors Herbie Hancock den UNESCO International Jazz Day. Am 30.4. ist die Stadt Sydney an der Reihe, weltweit rund um die Uhr Jazz-Events anzuschieben, die beweisen, dass der Jazz „ein bedeutendes Kulturgut ist, Völker verbindet, Rassendiskriminierung überwindet und für Toleranz, Demokratie und Gleichberechtigung steht“.

Das Ronnie Scott‘s wird 60. Zu diesem Anlass veröffentlicht der legendäre Club in Soho eine Playlist der besten Jazzalben der letzten 60 Jahre. Die Feierlichkeiten werden in einem Geburtstagsauftritt in der Londoner Royal Albert Hall im Oktober ihren Höhepunkt finden.

Die JazzNights gehen 2019 bereits in ihren 20. Jahrgang. Vier Musiker aus dem Hause ACT fügen sich zur JazzNights-Allstar-Band zusammen: Nils Landgren, Michael Wollny, Lars Danielsson und Wolfgang Haffner sind 4 Wheel Drive. Sie werden einige der schönsten Konzerthallen in zehn deutschen Großstädten sowie in Zürich bespielen (siehe unseren korpulenten Terminteil).

Mari Boine

 

Die jazzahead! 2019 verspricht in den Showcases neue Namen, spannende Instrumentierungen, stärkere Präsenz von Frauen, multinationale Projekte. Starten wird die einzige Jazz-Messe der Welt schon am 13.4. mit einem Doppelkonzert: Als Vorboten des Gastlandes Norwegen gastieren Håkon Kornstad und Mari Boine dann mit ihren Trios im Bremer Theater am Goetheplatz. Ausführliche Vor- und Nachberichte wie immer im Jazzmagazin Ihres Vertrauens.

www.jazzahead.de

Manuel Troller © Philipp Hitz

 

Vom 14. – 16.3. präsentiert der Schweizer Gitarrist Manuel Troller, bekannt durch seine Band Schnellertollermeier, als Kurator des Taktlos-Festivals in angesagten Zürcher Spielorten Improvisation, Minimal Music bis hin zu Rock und Pop, immer entlang eines möglichst „eigenwilligen Entwurfs von Musik im Live-Kontext“.

www.taktlos.com

Joseph Jarman

 

Mit dem Saxofonisten Joseph Jarman verliert die Welt nicht nur einen großen Vertreter des Avantgarde Jazz, sondern auch einen Performancekünstler und spirituellen Lehrer. Bevor er das Art Ensemble of Chicago mitbegründete, rief er 1965 mit Muhal Richard Abrams die Association for the Advancement of Creative Musicians (AACM) ins Leben. Während Lester Bowies Sache weiße Laborkittel waren und Roscoe Mitchell gerne im Business-Look auftrat, trug Jarman meist zeremonielle Gewänder und afrikanische Gesichtsbemalung. Er brachte Spoken Word und visuelle Elemente ins Ensemble und schlug gemeinsam mit Malachi Favors und Famadou Don Moye die Brücke zur schamanistischen Perspektive. Zu Beginn der 90er zog es ihn immer mehr zu seiner Berufung als Lehrer des Shinshu-Buddhismus, sodass er 1993 beschloss, sich aus der Musik zurückzuziehen. In den späten 90ern kehrte er zu Jazz-, Tanz- und Performancekunst und 2003 zum AEC zurück. Joseph Jarman starb am 9. Januar im Alter von 81 Jahren im Lillian Booth Actors Home in Englewood, New Jersey.

Oliver Mtukudzi

 

Oliver Mtukudzi aus Zimbabwe war Freiheitskämpfer und einer der bekanntesten Musiker des Landes. Nun starb der Schöpfer der Tuku Music, wie sein spezieller Afro-Jazz-Sound genannt wird, mit nur 66 Jahren nach fast 40-jähriger Karriere.

Das 5. Freejazzfestival Saarbrücken feiert vom 3. – 7.4. nicht nur die 80. Geburtstage von Charles Gayle, Trevor Watts und Joe McPhee, sondern bietet neben einem umfangreichen Live-Programm auch Action-Painting, Dokumentarfilm und Gespräch.

www.freejazzsaar.de

Der amerikanische Klarinettist Perry Morris Robinson war beeinflusst durch Ornette Coleman und Don Cherry, gehörte zur Free-Jazz-Avantgarde, spielte mit Bill Dixon, Archie Shepp, Paul Bley, Sunny Murray u.v.a. und arbeitete zwischen 1972 und 2006 mit Gunter Hampel. Er koppelte seine Musizierhaltung aber auch an Klezmer und Folk und war jahrelang Ehrengast auf dem Zelt-Musik-Festival ZMF in Freiburg. Robinson starb im Dezember mit 80 Jahren.

James Ingram

Der Soulsänger und Songschreiber James Ingram begann in den 1970er Jahren als Autodidakt mit der Band Revelation Funk. In den 80ern arbeitete er u.a. mit Ray Charles, Patti Austin, Linda Ronstadt, Natalie Cole und schrieb 1982 zusammen mit Quincy Jones den Titel „P.Y.T.“ für Michael Jacksons Thriller-Album. Ingram starb mit nur 66 Jahren im Januar.

Sonotopia 2019 heißt der Europäische Studentenwettbewerb für installative Klangkunst. Das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro soll vom Preisträger für eine neue Klanginstallation verwendet werden, die im Rahmen des Beethovenfestes Bonn im September im Kunstmuseum vorgestellt wird.

www.bonnhoeren.de

Er war mit elf Jahren professioneller Jazz-Posaunist, spielte mit Nat „King“ Cole, Peggy Lee, Andre Previn und für die Hoagy Carmichael Show auf NBC, lernte Bass-Spielen bei Charles Mingus, studierte Psychologie in Harvard und arbeitete mit dem Kinderpsychologen Jean Piaget. In seinen späten Jahren wurde er noch Fernsehschauspieler und erklomm mit seiner Frau mit 80 noch den Kilimandscharo. Das soll ihm mal einer nachmachen. Nun starb Roger V. Burton im stolzen Alter von 90 Jahren.

Wieder einer von den Guten. Tomi Ungerer ist tot. Der elsässische Grafiker, Schriftsteller und Illustrator hat sich aus Patriotismus nicht viel gemacht, sich vielmehr als Europäer gefühlt. Jeder kennt seine Zeichnungen, aber was kaum einer weiß: Er hat sehr schöne Jazzplakate entworfen.

www.tomiungerer.com/art/posters

Und zum Schluss machen wir noch ein langes Ding kurz: 155 Juroren des Preises der deutschen Schallplattenkritik haben in 32 Kategorien insgesamt 276 Neuerscheinungen des letzten Quartals nominiert, die für die nächste Bestenliste infrage kommen. Auf der Longlist 1/2019 stehen z.B. Ayça Miraç, Salif Keita, Trezoulé, Johannes Enders, Cécile McLorin Salvant, Gregory Porter, das Art Ensemble of Chicago, Ambrose Akinmusire, Peter Brötzmann & Heather Leigh, Andrew Cyrille / Wadada Leo Smith / Bill Frisell, Punkt.Vrt.Plastik, Charlie Haden & Brad Mehldau, Benjamin Schaefer, Matthias Schriefl, Eric Bibb, Neneh Cherry und Elektro Guzzi.

www.schallplattenkritik.de