Internationale Jazzwoche

Burghausen

© Frank Rasimowitz

Von Roland Spiegel. Sechs Tage strahlender Sonnenschein und kein Wölkchen in einem besonders warmen März: Die 1051 Meter lange Burg prunkte unter einem besonders klaren Himmel. Nach zwei Jahren Zwangspause konnte sie wieder stattfinden, die Internationale Jazzwoche im südostbayerischen Grenzort Burghausen, der seit 1970 eine Traumkulisse für den Jazz bietet. Sie wirkte in Zeiten eines Angriffskriegs in Europa fast unwirklich – so auch voll bestuhlte Konzertreihen bei einer regionalen Corona-Inzidenz von 3000. Doch das Publikum und die vielen freiwilligen Helfer des Festivals trugen diszipliniert Masken – und so konnte die zweimal verschobene 51. Ausgabe mit rund 5800 Besuchern über die Bühne gehen, deutlich weniger als in normalen Jahrgängen, aber genug, um Festival-Stimmung aufkommen zu lassen.

Die gab es, musikalisch gestützt, besonders an den letzten beiden Tagen am etwas kleineren Spielort: im historischen Stadtsaal. Dort ließ die Schweizer Harfenistin Julie Campiche über filigranen Tönen ihres Instruments schillernde Farbwelten entstehen, die mit scharfkonturiertem Tenorsaxofon (Leo Fumagalli) in gewitternde Dramatik umschlagen konnten. Die Münchner Sängerin Alma Naidu zog mit hinreißend klarer Stimme poetische Leuchtspuren in den selbst komponierten Songs ihres Debütalbums Alma, glänzend gespielt unter anderem von Gitarren-Feintechniker und Musikalitätsgarant Philipp Schiepek. Die Londoner Tenorsaxofonistin Chelsea Carmichael schuf mit kürzelhaft-griffigen Melodien und leicht angerautem Ton eine Aura von hymnischer Kraft zusammen mit E-Bass, Schlagzeug-Wucht und sphärischen E-Gitarren-Soundflächen.

Es gab starke Momente, etwa beim Abschlusskonzert des grandiosen österreichischen Septetts Shake Stew und berührende Abende mit dem Quartett von Saxofonist Johannes Enders im Gewölbe des Jazzkellers im Mautnerschloss. Bei Enders hörte man aus gegebenem Anlass auch mehrmals Horace Silvers Klassiker „Peace“ in innig-facettenreichen Interpretationen.

Alma Naidu and Band © Frank Rasimowitz

Am Hauptspielort, der über 1000 Besucher fassenden Wackerhalle, setzten die Programmmacher hinter dem zum ersten Mal krankheitsbedingt nicht anwesenden Festival-Mitbegründer Joe Viera zu sehr aufs wahllos Bunte mit Namen wie dem Moka Efti Orchestra und den Soulmates von Perkussionist Leslie Mandoki. Bei Letzterem fehlten gleich vier groß angekündigte Stars, nämlich Al Di Meola, Richard Bona, Till Brönner und John Helliwell, ohne dass jemand auf der Bühne das Publikum darauf hingewiesen hätte. Immerhin Saxofonist Bill Evans, Trompeter Randy Brecker und Gitarrist Mike Stern waren da und spielten hervorragend, wenn sie zur Geltung kommen durften. Bill Evans hatte schon am Abend zuvor mit seinen lustvollen Spykillers (Wolfgang Haffner, dr, Simon Oslender, keyb, Claus Fischer, b) die Zuhörer zum Jubeln gebracht. Für ein leises Highlight sorgte die deutsche Soulsängerin Joy Denalane – wegen Corona nur in Duo-Besetzung mit dem Timing-Meister Roberto di Gioia an den Tasten. Den Nachwuchspreis gewann die entdeckenswerte Band des polnischen Blechblas-Multiinstrumentalisten Szymon Klekowicki. Auf Bands wie seine und seelenvolle Auftritte an kleineren Spielorten sollten die Burghausen-Macher künftig mehr bauen als auf erhoffte Spektakel.