Internationale Jazzwoche Burghausen

© Frank Rasimowitz

Von Roland Spiegel. Ihr Gesicht prangte auch auf einer sonst schmucklosen Hauswand auf dem Weg zur Altstadt mit der „weltlängsten Burg“. Auf die Bühne in der Wackerhalle trat die afroamerikanische Altsaxofonistin Lakecia Benjamin im goldglänzenden Anzug und mit knallig-eckiger Brille. Mit ihrem Instrument zog sie lodernde Leuchtspuren durch den dichten Sound ihrer Band mit EJ Strickland (dr), Ivan Taylor (b) und Zaccai Curtis (p). Kantig, bohrend intensiv, existenziell war ihre Musik. Stücke aus dem neuen Album Phoenix, eine gewitternde Coltrane-Hommage mit „My Favorite Things“ und eine Menschheits-Umarmung mit „Amazing Grace“, hier befreit von jedem Kitschverdacht. Dazwischen Augenzwinker-Momente in freundlich eloquenten Ansagen – etwa mit der Eselsbrücke, ihr Name laute „Lake-CIA“.

In der zweiten Ausgabe nach zwei covidbedingten Festivalausfällen stiegen die Besucherzahlen in Burghausen wieder:20 Prozent mehr mit rund 7000 verkauften Karten – für ein Programm mit einigen stimmungsvollen Glücksgriffen. Ein reizvoller Programmpunkt fiel wegen abgesagter Flüge aus: das Konzert des Londoner Tuba-Virtuosen Theon Cross. Es blieb, nach dem Auftakt mit einer geschmeidigen Gitarren-Geschichtsstunde des kalifornischen Saitenstars Lee Ritenour, eine bunte Mischung mit starken Individuen.

Im Trumpet Summit am Samstagabend atmeten vier brillante Vertreter des strahlenden Blechs gemeinsam Höhenluft: der Amerikaner Jon Faddis, der Australier James Morrison, der Österreicher Thomas Gansch und der in Portugal lebende Gileno Santana, begleitet von Gregory Hutchinson am Schlagzeug, Geoff Gascoyne am Bass und Libor Smoldas (barfuß und sitzend) an der Gitarre. Da gab es im lockeren Session-Charakter viel muskelspielenden Wettstreit, aber auch den Zauber des klingenden Unterschieds. Faddis ließ Töne in höchsten Spatzen-Lagen zwitschern, Santana setzte mit einem erdig langsamen „A-Train“ Kontraste, Morrison zeigte Rasanz an Trompete und Klavier, und Thomas Gansch ließ mit Hoagy Carmichaels „Stardust“, hinreißend zart am Flügelhorn zu inniger Gitarrenbegleitung, feinen Sternenstaub auf Gänsehäute rieseln.

Blues gab es bei diesem Festival gleich dreimal – mit der markanten Sängerin Trudy Lynn, dem beherzten Songwriter, Sänger und ausdrucksstarken Gitarristen Toronzo Cannon und, gemischt mit viel Gospel, dem Pedal-Steel-Gitarristen und starken musikalischen Rhetoriker Robert Randolph. Einen frühen Höhepunkt fand die Jazzwoche mit der Sieger-Band des international durchgemischten Nachwuchswettbewerb-Finales: Das Trio des Münchner Bassisten Nils Kugelmann hatte zuerst Pech, weil sein Pianist Luca Zambito wegen Krankheit nicht anreisen konnte. Ihn ersetzte kurzerhand der Gitarrist Philipp Schiepek, und zusammen mit Drummer Sebastian Wolfgruber machten er und Kugelmann eine Musik, die vielleicht die feinsinnigste, kompositorisch raffinierteste und interaktionsreichste des ganzen Festivals war: ein Stück schöner und bewegender als das andere – hoch beseelte Jazz-Kammermusik und unbedingt eine Entdeckung.