Internationale Jazzwoche

© Frank Rasimowitz

Burghausen

Von Ulrich Habersetzer. Die 53. Ausgabe der Internationalen Jazzwoche Burghausen begeisterte mit einem vielfältigen, durchweg hochkarätigen Programm und aufsehenerregenden Entdeckungen.

Wenn junge englische Jazzmusiker spätnachts bei der Jamsession in einer oberbayerischen Kleinstadt die Komposition „Berlin“ eines dänischen Musikers spielen, dann passiert Magie. Und dann ist das exemplarisch für die Internationale Jazzwoche Burghausen – denn bei diesem Festival ist der Kontrast die große Konstante. Seit 1970 steht die Jazzwoche in der Stadt an der Salzach am östlichen Rand Bayerns für die ganze Buntheit des Jazz. Von Blues bis Free, von Swing bis Jazzpop, alles kommt in Burghausen vor, was in vergangenen Jahren oft zu Beliebigkeit und deutlichen Niveau-Schwankungen führte. 2024 war das anders!

Vielfältig war das Programm wieder, aber auch hochklassig, etwa mit dem nigerianischen Sänger und Gitarristen Keziah Jones, der mit seinem harschen treibenden „Blufunk“ sonst eher auf Rockfestivals zu erleben ist. Oder mit dem atemberaubenden Vokalquartett Of Cabbages and Kings mit Musikerinnen aus der deutschen Szene, die feine Songs und überraschende Improvisationen ausschließlich mit ihren Stimmen darboten. Die kubanische Cellistin und Sängerin Ana Carla Maza spannte den musikalischen Schirm ganz weit auf, von Klassik über Jazz bis hin zu Latin-Partysound, aber alles auf höchstem Niveau. Das bot auch Kontrabass-Legende Ron Carter zu Beginn der Jazzwoche. Die rund 800 Menschen im Publikum erlebten einen dieser besonderen Momente, in denen abgebrühte Profis selbst ein bisschen emotional werden. Höhepunkte waren ein fantastisch reduziertes „My Funny Valentine“ und eine innige Soloversion von „You Are My Sunshine“.

Überraschungspotenzial und mitreißende Energie bewies das Orjazztra Vienna des österreichischen Dirigenten und Komponisten Christian Muthspiel. 2019 hat er seine Karriere als ausübender Posaunist und Pianist beendet, gleichzeitig aber das Orjazztra gegründet. Die 17 herausragenden jungen Musikerinnen und Musiker spielten ein Programm zu Filmen von Federico Fellini. Szenen und Stimmungen hatte Muthspiel vertont, ohne dabei die Filmmusik von Nino Rota zu kopieren. Technische Brillanz traf in dieser sinnlichen Zirkusmusik auf überbordende Spielfreude – in dieser Kombination wohl das herausragende Highlight der Jazzwoche 2024.

Ebenso aufregend, aber noch kantiger war das Konzert der englischen Trompeterin Laura Jurd mit Streichquartett, Blechbläsern und Jazzband, zu der die englischen Zukunftsstars Elliott Galvin (p) und Rob Luft (g) gehörten. Luft war es auch, der gemeinsam mit dem befreundeten Pianisten Joe Webb und dessen Trio im Jazzkeller die magischen Momente bei der Komposition „Berlin“ entstehen ließ. Das Joe Webb Trio als Hausband bei den nächtlichen Sessions war die absolute Entdeckung der Jazzwoche. Webb nennt Fats Waller ebenso als Einfluss wie die Britpop-Band Oasis. Wohltuend vertraut und radikal frisch zugleich klingt diese Formation und steht damit sinnbildlich für die Jazzwoche Burghausen 2024: unbedingt bunt und vielfältig, aber auch unbedingt von herausragender Qualität.