Fausto Beccalossi © F. Rasimowitz

Dianne Reeves © F. Rasimowitz

Lucky Peterson © F. Rasimowitz

50. Internationale Jazzwoche

Burghausen

Von Roland Spiegel. Lauter Rekorde: Zum 50. Mal fand die Internationale Jazzwoche im südostbayerischen Burghausen im März statt. Immer noch ist der Jazzpädagoge Joe Viera künstlerischer Leiter. Er war 1970 einer der beiden Gründer. 10.800 Besucher kamen diesmal, mehr als je zuvor – und über 1000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2017. Und nie zuvor wurde so viel Geld für eine Jazzwoche in Burghausen ausgegeben und bei ihr eingenommen: Das Festival hatte rund 750.000 Euro Gesamt-Etat, wovon 53 Prozent durch die Kartenverkäufe gedeckt waren. Als sollten so viel Kontinuität und Erfolg auch noch von höheren Mächten gefeiert werden, herrschte die ganze Woche lang strahlender Sonnenschein.

So stellt man sich runde Geburtstage vor – zumindest an einem der reichsten Orte Bayerns, einer 19.000-Einwohner-Stadt an der Grenze zu Österreich. Das Programm war dementsprechend opulent mit Stars und popnahen Events angefüllt. Der britische Entertainer Jamie Cullum, schon 2014 ein Highlight beim Festival, brachte sogar seine Eltern mit in die idyllische Stadt – und verausgabte sich vor 1400 jubelnden Zuhörern am Hauptspielort (Wackerhalle) springend, wirbelnd, sensationell singend, ungemein nuancenreich Klavier spielend und mit grandiosem Show-Feinschliff rund zwei Stunden lang – allein der Zugabenteil dauerte fast eine halbe Stunde.

Zu viel des gut Gemeinten gab es auch: Das Trio des kubanischen Pianisten Ramón Valle wurde im Programm Latin Jazz Sinfonica durch ein 60-köpfiges Orchester (die Neue Philharmonie Berlin unter Andreas Schulz) uninspiriert süßlich zugekleistert – ohne Sinn für eine zeitgemäße Orchestersprache und ohne Gespür für Valles Eigenkontur. Andere verkauften die Kraft ihrer Persönlichkeiten besser. Unter dem Motto Sing the Truth! mit der Band der Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington waren die erdige Stimme von Lizz Wright, die weit dehnbare von Dianne Reeves und die wie ein vokales Percussion-Instrument klingende der aus Benin stammenden Angélique Kidjo zu erleben – sie jagten dem Publikum warme Schauer über den Rücken mit Stücken wie „The River“ von Joni Mitchell und dem Rock-Hit „Proud Mary“. Der Blues-Gitarrist Walter Trout, der nach einer Leber-Transplantation (2014) wieder verblüffend viel musikalische Kraft auf die Bühne bringt, feierte mit seinen kunst- und kraftvoll aufjauchzenden E-Gitarren-Soli das (Über-)Leben.

Das Festival in Burghausen ist explizit keine Neuheiten-Messe. Entdeckungen kann man trotzdem machen. Das Münchner Trio LBT, das diesmal den Nachwuchs-Preis gewann, verblüffte mit einer besonders dichten Variante seines auf akustischen Instrumenten erzeugten Techno-Sounds. Eine der schönsten Entdeckungen konnte man die ganze Woche lang im Jazzkeller im Mautnerschloss machen, wo es rund um Mitternacht weiterging: Der in Burghausen 21 Jahre alt gewordene Pianist und Hammond-Organist Simon Oslender sorgte im Trio mit Wolfgang Haffner (dr) und Jean-Philippe Wadle (b) für Sternstunden. Selten hört man Musiker, die eine Melodie so plastisch und ergreifend formen können. Von Oslender und seinen beiden Partnern nachts um drei eine Version der Ballade „My Funny Valentine“ zu hören, die wirklich fast die Zeit anhält, ist ein Burghausen-Erlebnis besonderer Art: eines fürs Langzeitgedächtnis. Auf ins nächste Jahrzehnt!