14. Neuer deutscher Jazzpreis

Alte Feuerwache, Mannheim

© Frank Schindelbeck

Von Hans-Jürgen Schaal. Am Ende versammeln sie sich auf der Bühne der Alten Feuerwache und jammen fröhlich in die Mannheimer Nacht hinein. Der Ukulele-Spieler aus Hamburg, die drei bunten Geigerinnen aus der Steiermark und die coolen Trommler aller drei Finalbands. Auch die beiden Saxofonisten Damian Dalla Torre und Niko Seibold und die Blechbläser Richard Köster (tp), Raphaël Rossé (euphonium) und Alex Morsey (tuba). Und ganz vorne, auf dem Bühnenrand sitzend, sein monströses Instrument unten im Zuschauerraum abgestützt, Ton und Richtung der Jamsession angebend, Augen- und Ohrenfang in einem: Matthias Schriefl mit seinem Alphorn.

Schriefl ist in vielerlei Hinsicht die Zentralfigur dieses Abends. Mit seiner Formation Shreefpunk plus Strings hat er gerade – was kaum überraschte – den Neuen deutschen Jazzpreis 2019 gewonnen. Auch der Solistenpreis ging an ihn. Und, wenn es ihn gäbe, der einhellige Sympathiepreis des ganzen Saals, weil Schriefl gleich nach der Entscheidung in einem kleinen Rap verkündete, dass das Preisgeld auf alle drei Bands aufgeteilt werden soll. Eine weise Entscheidung, denn ein solcher Abend erlaubt eigentlich keine Verlierer. Jede Band, die ins Live-Finale kommt, hat Grund zum Feiern. Mannheim ist ein Festival des lebendigen Jazz, keine sture Preiskonkurrenz. Wie sagte einst Béla Bartók: „Wettbewerbe sind etwas für Rennpferde, nicht für Künstler.“

Schriefl, ein sensationeller Virtuose am Kesselmundstück, ist außerdem Komödiant, Musikvisionär, Stile-Vermischer, Bühnenmeister. Sein Septett lässt die zirzensische, unterhaltsame Postmoderne der 80er Jahre wieder aufleben – inklusive Folklore-Einlagen und Prozession durch den Zuschauerraum. Shreefpunk schlägt an diesem Abend den weitesten Bogen – vom Alpenländischen bis zum Broadway. Viel, viel strenger klingt da Seibolzing, das Quartett des Alt- und Sopransaxofonisten Niko Seibold. Zwei Bläser nur mit Bass und Schlagzeug – ein fast asketisches Klangbild. Raffiniert gesetzte polyrhythmische Verzahnungen umschließen dabei großartige Improvisationen. Es ist ein überzeugendes, kompaktes Bandkonzept, das zu analytischem Hören herausfordert und definitiv das Zeug zum Kult hat. Die dritte Band des Abends, Coastline Paradox, bietet noch einmal ganz andere Jazz-Perspektiven. Das junge Quintett um den Trompeter Richard Köster spielt eine Art Prog-Jazz – voller Brüche und stilistischer Umschwünge, gespickt mit unerwarteten Details und frappierenden Klangwechseln (Glockenspiel, Kalimba). Da hat sich ein spielerischer, anarchischer Impuls in eine Bandidee verwandelt.

Benjamin Schaefer Kompositionspreis © Frank Schindelbeck

Den Auftakt und die Einstimmung zum Dreikampf dieser Bands lieferte schon der Vorabend. Ein interessant instrumentiertes Quintett um den Mundharmonikaspieler Jens Bunge interpretierte drei Auftragskompositionen, die stilistisch und qualitativ recht gut vergleichbar waren. Wie beim Band- und Solistenpreis entschied auch hier das Votum des Live-Publikums: Benjamin Schaefers Komposition „Augmented Reality“ gewann. Im zweiten Teil des Vorabends präsentierte sich der diesmalige Kurator des Festivals, der Wunderbassist Renaud García-Fons. Er hatte die Teilnehmer des Finales bestimmt, sowohl für den Band- wie für den Kompositions-Wettbewerb. Sein virtuoses, bejubeltes Soloprogramm am Kontrabass (mit Loops und Elektronik) führte die Fantasie der Hörer durch Nord- und Ostafrika, nach Spanien, Syrien, in den Iran und die Bretagne.