Internationales Jazzfestival – Shortcut
Münster
Von Jan Kobrzinowski. Ob kurz oder lang, so Fritz Schmücker, das Festival gehe ja eh in jedem Jahr konsequent weiter, man müsse deshalb nicht länger so tun, als fände es nur alle zwei Jahre statt. So sei man bei der Benennung von „Inbetween“ zum „Shortcut“ übergegangen. Folgerichtig wartete der Münsteraner Festivalleiter bei seiner Kurzversion mit Superlativen auf: Drei Bands mit zwölf Musikern aus sechs Ländern waren am Abend des 5. Januar zu sehen.
Das ungewöhnliche Quintett Koma Saxo lieferte die konventionsfreieste Musik des Abends. Der Finne Mikko Innanen fungierte als Experte für Expressivität und Freiheit auf Alt-, Bariton- und Sopransax. Otis Sandsjö aus Schweden ist bekannt für ungewöhnliche Tongebung auf dem Tenor und verwendet ausgefallene Blastechniken, die zu eigentümlichen Patterns führen können. Sein Landsmann Jonas Kullhammar ergänzte den Satz um ein weiteres Tenor plus Querflöte. Bandleader Petter Eldh dirigierte das Geschehen vom Kontrabass aus mit Wucht, Energie und skandinavisch kühlem Witz. Christian Lillinger, von Haus aus schon nicht nur Rhythmusgeber, agierte höchst musikalisch in actio et reactio. Alle Bandmitglieder trugen Kompositionen bei, so ließ das Repertoire zeitweise dem Bassisten die Haare von boppiger Hochgeschwindigkeit wehen, dann wieder lagerte es auf Punk- oder Afro-Grooves, schließlich atmete es Folk-Spirit und kam sogar mit einem Lullaby daher.
In Münster ist man gewohnt, ja erwartet regelrecht, dass die Pausen notwendige Zäsuren zwischen sehr gegensätzlichen Acts sind. So variantenreich und überraschend also Koma Saxo war, so wunderbar harmonisch kam das französische Duo Airelle Besson/Lionel Suarez daher. Auch wenn sich auf Europas Szene viele hochgradig gute Knopf-Akkordeonisten tummeln – Lionel Suarez ist etwas Besonderes. Sein Spiel faszinierte durch unglaubliche Unabhängigkeit von Diskant und Bass, dazu swingte er auch noch ungemein und setzte immer wieder zu traumwandlerisch lyrischen Melodielinien an, irgendwo angesiedelt zwischen Tango-Melancholie und Musette-Heiterkeit. Airelle Besson, mal lyrisch zurückhaltend, mal Räume zurückerobernd, die das Akkordeon beansprucht hatte, gab immer wieder zu erkennen, dass sie sich mit leichtem Ton in luftige Höhen erheben und im nächsten Moment grandios losjazzen kann.
Das letzte Set begann zunächst mit einer fast beiläufigen Fahrstuhl-Nummer. Danach baute das italienische Quintett Pipe Dream des Posaunisten Filippo Vignato mit dem alten Hasen Hank Roberts am Cello zunehmend Spannung auf und wurde nach und nach zum Höhepunkt des Abends, was innovative Musikalität betrifft. Meist rockte Pipe Dream, ob zurückgelehnt im Frisellschen Country-Feel oder im durch Schlagzeuger Zeno de Rossi induzierten entspannten Backbeat. Roberts fügte seinem clever-abgeklärten, dazu erzählerischen Arco- und Pizzicatospiel von Zeit zu Zeit noch inspirierte Vokalisen in zurückhaltender Lautstärke hinzu. Alle Musiker kamen solistisch zum Zuge, letztlich traumhaft wurde Pipe Dream aber vor allem durch das Zusammenwirken von kollektiven und Einzelbeiträgen. Auffällig am Shortcut-Konzertabend waren seine durchgängig angenehm egofreien Akteure.