Youn Sun Nah © Hans Bürkle

Landes-Jazz-Festival

Ravensburg

Von Tim Jonathan Kleinecke. Darf’s ein bisschen mehr sein? Das Baden-Württemberger Landes-Jazz-Festival fiel 2019 erheblich umfangreicher aus als in den Vorjahren. Der veranstaltende Verein Jazztime Ravensburg bot über 19 Tage ein abwechslungsreiches Programm, das seine Fühler weit über den Jazz-Tellerrand hinausstreckte. Es bot nationale und internationale Stars wie die Jazzkantine, Moop Mama und Billy Cobham auf, deren Konzerte die Erwartungen sogar übertrafen.

Künstlerische Höhepunkte steuerte etwa der 90-jährige Rolf Kühn bei, der nicht nur mit seinem Quartett ein fantastisches Konzert spielte, sondern auch zuvor im „Jazz Talk“ Geistreiches aus seinem Leben und zu aktuellen musikalischen und politischen Themen erzählte. Unter der Klammer „London Jazz Calling“ bestachen an einem Abend zuerst das Richard Spaven Trio feat. Cleveland Watkiss und danach Joe Armon-Jones mit seinem Sextett mit groovendem Jazz: Ersterer mit HipHop-Anleihen, Letzterer mit psychedelisch angehauchten Jazzrock-Elementen.

Ein Schwerpunkt des Programms lag auf Sängerinnen, die kaum unterschiedlicher hätten sein können: Rebekka Bakken begeisterte nicht nur mit Songs aus eigener oder Tom Waits’ Feder, sie war obendrein auf der Bühne so fröhlich wie selten. Die französische Soul-Chanteuse Kimberose brachte das Publikum zum Tanzen, Youn Sun Nah löste viel Staunen über ihre vokale Wandlungsfähigkeit aus. Sehr gespannt durfte man auf Rickie Lee Jones sein: Nach langer Zeit spielte sie ein einziges Konzert in Deutschland. Sie überzeugte auf der ganzen Linie mit einer sehr guten Band, neuen Songs und alten Hits – und einer einzigartigen Stimme, so wie sie phrasiert keine andere Sängerin.

Sogar mit einer Weltpremiere konnte das Festival aufwarten: Die färingische Sängerin Eivør traf erstmals auf den norwegischen Trompeter Arve Henriksen – eine Kombination, die auf Initiative von Kurator Thomas Fuchs entstanden war. In der Liebfrauenkirche schafften beide eine zauberhafte Stimmung und ergänzten sich vortrefflich. Der aus Ravensburg stammende Pianist Rainer Böhm improvisierte sich durch ein umjubeltes Solo-Heimspiel, Gregor Hübners Sirius Quartett verstärkte sich mit Hübners Bruder Veit und Joo Kraus. Das Sextett bot zeitgenössischen Kammer-Jazz auf hohem Niveau. Selbiges galt auch für das Bundesjazzorchester unter der Leitung von Jiggs Whigham.

Im Rahmenprogramm gefiel die Kibbutz Contemporary Dance Company aus Israel, überraschte ein Jazz Poetry Slam mit Wortakrobaten, die live und spontan von einem Jazz-Trio begleitet wurden. „Jazz meets Art“ verknüpfte fünf innerstädtische Galerien mit Live-Musik und besonderen Aktionen. Erfreuliches Fazit für den ehrenamtlich tätigen Verein, der viel Arbeit investiert hatte: Viele Veranstaltungen waren ausverkauft, die Akzeptanz und Resonanz sowohl lokal wie auch überregional positiv.