Jazz Festival

Saalfelden

© Frank Schindelbeck

Von Gerd Filtgen. Eine Stadt im Musikrausch. Beruhte der riesige Erfolg des Jazzfestivals auf der pandemiebedingten kulturellen Dürrezeit? Oder war es das exzellente Programm, das der künstlerische Leiter Mario Steidl und sein Team konzipiert hatten. Egal, wie man es betrachtet: Vier aktionsreiche Tage mit über sechzig Konzerten an diversen Spielstätten bescherten den zahlreichen Besuchern zahlreiche Höhepunkte.

Traditionsgemäß wird das Festival auf der Hauptbühne im Congress Saalfelden mit einem österreichischen Künstler eröffnet. Der Saxofonist Fabian Rucker streifte in seinem Projekt observer wie ein kundiger Beobachter durch zeitgenössische Jazz-Regionen. Das Emile Parisien Sextet stellte mit Louise Stücke aus dem gleichnamigen Album vor. Erwartungsgemäß brillierte der französische Sopransaxofonist mit virtuosen Improvisationen, denen sich der amerikanische Trompeter Theo Croker anschloss. Doch für die eigentliche Überraschung sorgte Roberto Negro. Die arabesken Motive des italienischen Pianisten dynamisierten durchweg das Geschehen. Für die Beseitigung musikalischer Barrieren hat Paal Nilssen-Love einen fabelhaften Weg gefunden. Der für seine vielfältigen Projekte bekannte norwegische Drummer demonstrierte mit Circus, was für berauschende Musik aus dem Zusammenfluss von Folklore, Heavy Metal und Free Jazz entstehen kann.

© Frank Schindelbeck

Vier Bigbands bildeten in diesem Jahr einen Schwerpunkt: Der österreichische Pianist Christoph Cech überzeugte mit seinem Jazz Orchestra Projekt, in dem Streichinstrumente, Harfe und Vokaleinsätze mit den Bläsereinsätzen verschmolzen. Das vom Pianisten Marco Barroso geleitete Lisbon Underground Music Ensemble (L.U.M.E.) trumpfte mit facettenreichen Kompositionen des Leaders auf, deren Strahlkraft durch grandiose Bläsersätze noch erhöht wurde. Schon seit mehr als zwei Dekaden besteht das Trondheim Jazz Orchestra. Diesmal hatte Ole Morten Vågan den amerikanischen Pianisten Jason Moran als Gastmusiker eingeladen. Wie sensibel der Bassist und Arrangeur Morans subtile Kompositionen in eine großorchestrale Formation integrierte, war beeindruckend. Doch für mich schoss Gard Nilssen’s Supersonic Orchestra – mit führenden skandinavischen Musikern – den Vogel ab. Allein schon der unglaubliche Groove, der sich aus der Besetzung mit drei Schlagzeugern und drei Bassisten aufbaute, verschlug einem den Atem. Die auf diversen musikalischen Plateaus agierende Band des norwegischen Drummers glänzte mit Swing-Passagen, vehementen Kollektivimprovisationen und folkloristischen Einfärbungen in zukunftsweisendem Jazz-Kontext. Hervorragende Solisten – unter ihnen der Saxofonist Per „Texas“ Johansson – machten den Auftritt zu einem Erlebnis.

© Frank Schindelbeck

Im Quartett ØKSE kommunizierte die dänische Saxofonistin Mette Rasmussen mit der Schlagzeugerin Savannah Harris, die mit der haitianisch-amerikanischen Electronica-Pionierin Val Jeanty hypnotische rhythmische und melodische Muster kreierte. Zum Ausklang des Festivals wies der aus vielen musikalischen Quellen schöpfende Pianist Vijay Iyer mit seinem Trio einen weiteren Weg ins Eldorado der Sounds.