Jazz & The City

Salzburg

© Helmut Prochart

Von Reinhold Unger. Fast 100 Konzerte (oder genauer: Klangereignisse) an rund 40 verschiedenen Spielorten in fünf Tagen – und alles bei freiem Eintritt: Jazz & The City ist ein europaweit ziemlich einmaliges Festival. Seit Tina Heine 2016 in Salzburg die künstlerische Leitung übernommen hat, hat sie dem ohnehin bereits bestens etablierten Festival eine beeindruckende Frischzellenkur verpasst. Heine lässt Kirchen und Galerien, Kinos und Weinkeller bespielen. Auch zur 20. Jubiläumsausgabe gab es interdisziplinäre Events und Performances, die sogenannten Walking Concerts, bei denen Interessierte einem trompetenden oder fiedelnden Musiker auf einen Klangspaziergang durch die prachtvolle Barockkulisse der Altstadt folgen (und den Horden ungläubig staunender Smartphone-Touristen überraschende Motive bescheren), wurden ebenso fortgesetzt wie die im letzten Jahr erfolgreich gestarteten Blind Dates, bei denen ein Musiker erstmals auf einen Wunsch-Kollegen trifft, wobei das Publikum vorab nicht weiß, wer der Gast sein wird.

© Henry Schulz

Ganz „normale“ Konzerte gibt es natürlich auch. Wobei man sich bei Jazz & The City sein Festivalprogramm selbst zusammenstellen muss – zwischen etwa 17 Uhr und Mitternacht hat man ständig die Qual der Wahl: zu Wanja Slavins Lotus Eaters oder doch lieber zu Daniel Erdmanns Velvet Revolution? Oder gleich einem weitgehend Unbekannten, die es im auf die großen Stars bewusst verzichtenden Programm auch gibt, sein Ohr leihen? Den gebürtigen Salzburger Fabian Rucker etwa dürften noch die wenigsten auf dem Zettel haben. Doch der junge Saxofonist lieferte mit seinem Quintett ein fulminantes Konzert, das in Dynamik, Virtuosität und Spielwitz seinen zahlreichen namhaften Nachbarn in Brooklyn, wo er zeitweise lebt, in nichts nachstand. Ebenfalls bei uns noch ein unbeschriebenes Blatt, aber tagelang nicht zu übersehen, weil das Festivalplakat zierend: Mykia Jovan. Dass die Sängerin aus New Orleans stammt, hörte man ihr beim Konzert in der Kollegienkirche weniger an als eine starke Affinität zu Erykah Badu. Leider erwies sich Jovans stimmliches Ausdrucksspektrum mit zunehmender Dauer als zu limitiert, um mit der Dringlichkeit ihrer Botschaften Schritt zu halten.

Schlagzeuger Edward Perraud lieferte ein starkes Plädoyer für die These, dass Piano-Trios manchmal dann am frischesten klingen, wenn nicht der Pianist der Leader ist. Der englische Pianist Elliot Galvin zeigte im frei improvisierenden Duo mit Binker Golding (ts) und mit eigenem Trio, für das er als Komponist komplexe Strukturen vorgibt, überzeugend zwei unterschiedliche Seiten seines Ausnahmetalents. Ähnlich Théo Ceccaldi: In den raffiniert-gewitzten Kammerjazz von Velvet Revolution fein integriert, ließ der Geigenvirtuose in seiner eigenen Freakshow rotzig-lautstark die knallbunte Rocksau raus. Das Trio Y-Otis ließ mit (meist elektronisch verfremdetem) Tenorsax, Synthesizer und Drums sphärisch-spacige Progrock-Anklänge durch den Bösendorfer-Saal des Mozarteums wabern: Da ging mancher vorzeitig, ein älteres Paar aber fühlte sich zum Tanzen animiert – so unterschiedlich kann man Musik wahrnehmen.

Ob man bei Jazz & The City ein positives Fazit zieht, hängt letztlich davon ab, ob man sich zwischen Elektroniktüftlern und Powerbläsern, aus Postboppigem und Weltmusikalischem die richtigen Rosinen rauspickt. Angebote für ein gelungenes langes Woch

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enende waren jedenfalls reichlich vorhanden.

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