Jazz & The City
Salzburg
Von Stefan Hentz. Mozart. Als Bildungsinstitut. Als Konzerthalle. Als Museum natürlich und als Geburtshaus. Als Pralinenkugel, gewickelt in silbernes, goldenes, rotes Schutzpapier. Als Hinweis hier und Name dort, als Programmpunkt bei den Festspielen und Konzerten in der architektonischen Pracht von Jahrhunderten fürsterzbischöflicher Regentschaft, die die Außendarstellung der Nockerl-Stadt an der Salzach prägen. An Mozart ist kein Mangel in Salzburg. So sehr, dass der obsessive Verweis auf den Komponistenfürsten fast schon wieder zum Problem wird: Zusammen mit der prachtvollen Barockkulisse gibt er der malerischen Stadt den Anschein einer Zuckerbäckeridylle, die offenbar ganz besonders eine etwas ältere Zielgruppe anspricht.
Schon insofern ist es eine Wohltat, dass Jazz & The City, das Jazzfestival im Salzburger Oktober, auf weitere Anspielungen auf den Komponisten verzichtet. Immerhin geht es um Jazz, also schwergewichtig um Improvisation. Finanziert vom Altstadtverband Salzburg, verzichtet Jazz & The City auf Einnahmen aus Eintrittsgeldern, und setzt darauf, dass dieses Konzept die Schwellenangst senkt und ein Publikum anzieht, das bereit ist, sich auf Unerwartetes, Ungekanntes einzulassen. Und was zunächst als mutig imagefremd erscheint, zahlt sich aus: In den Tagen des Festivals scheint das Durchschnittsalter im Straßenbild stark zu sinken, und auch bei den mehr als 60 Einzelveranstaltungen des Festivals ist dieser Effekt zu beobachten. Der Altersschnitt ist niedrig, niedriger als man es bei Jazzkonzerten gewohnt ist, und die Säle und Plätze sind voll.
Das gilt sowohl für die Konzerte von verlässlich groovenden Größen wie den österreichischen Matador*innen der Großformation Shake Stew, die ihren lässigen Afrobeat ebenso furios auf die große Bühne am zentralen Residenzplatz bringen wie das näher am Soul gebaute Ensemble Kutu um den französischen Violinenvirtuosen Théo Ceccaldi seine Musik ein paar Stunden später. Nicht nur der Ökonomie ist geschuldet, dass Jazz & The City Wert darauf legt, dass Musiker*innen nicht nur kommen, spielen, gehen, sondern sich für ihr Festivalengagement Zeit nehmen, andere Ensembles anhören und bestenfalls mit einsteigen, so wie der Gitarrist Kalle Kalima, der neben einem Auftritt mit seinem neuen Projekt mit dem Vokalzauberer Andreas Schaerer auch mit seiner Band Klima Kalima zu hören war, einem wunderbar berlinerisch rockenden Quartett mit dem Schlagzeuger Oli Steidle, der wiederum einen Tag später mit der verschmitzt brachialen Punk-and-Poetry-Combo Keine Übung im Stieglkeller erneut in den Ring stieg. Alles fließt, alles mischt sich, und heraus kommen immer wieder neue Produkte aus dem Familienleben von Jazz und Artverwandtem. Ganz besonders spannungsvoll erwiesen sich einige Schritte weiter die so anrührenden wie hartkantigen Improvisationsexerzitien zwischen Stille und Schmerz mit dem Altsaxofonisten Hayden Chisholm und verschiedenen Improvisationspartner*innen in der Kollegienkirche.
Nachdem Tina Heine in sieben Jahren als künstlerische Leiterin dem Festival mit wagemutigen Programmierungen einen experimentellen Anstrich gegeben hat, verspricht ihre Nachfolgerin Anastasia Wolkenstein nun, diesen Kurs mit persönlichen Modifikationen weiterzugehen. Als Veranstaltung, die einen hohen Qualitätsanspruch mit dem Willen zu Überraschung und Spannung versöhnt, scheint das Festival auf einem guten Weg. Die 25. Festivalausgabe im kommenden Oktober kann kommen.