JazzBaltica

Timmendorfer Strand

© Jacek Brun

Von Angela Ballhorn. Nach dem Pandemie-Programm des letzten Jahres konnte 2022 ein „normales“ JazzBaltica-Festival mit 34 Bands auf verschiedenen Bühnen vor 17.500 Zuschauern stattfinden, mit neuer Lichttechnik, einem Jubiläums-Overall für Nils Landgren, der das Festival seit zehn Jahren kuratiert, und einer Geburtstagstorte für Gilberto Gil. Der 80. Geburtstag der brasilianischen Legende war krönender Abschluss des Festivals. Er war mit vielköpfiger Familienband an den Timmendorfer Strand gekommen, auf der Bühne tummelten sich Töchter, Schwiegertöchter und -söhne bis hin zu den kleinsten Enkeln, die gerade mal über die Congas gucken konnten.

Opener war die Bigband des Ostsee-Gymnasiums, Brutstätte vieler Talente und IB.SH-Jazzaward-Preisträger – auch der diesjährige Preisträger Ilja Ruf, der als Pianist und Sänger einen fulminanten Auftritt hatte, spielte dort lange. Wolfgang Haffners Dream Band mit Simon Oslender (keyb), Christopher Dell (vib), Timothy Lefebvre (e-b), der als Neuling alle 25 Stücke vom Blatt spielte, und den Bläsern Bill Evans (sax), Randy Brecker (trp) und Nils Landgren (trb) brachte das Publikum auf Betriebstemperatur.

© Jacek Brun

Zwischen „upptakt“ und „avslut“ steckten viele Highlights: Martin Auers spektakuläre Bearbeitung des Dschungelbuchs mit Christian Brückner als Sprecher, China Moses‘ Bühnen-Power, Newcomer-Altsaxofonist Jakob Manz mit seiner unfassbaren Band, die Pianistin Aki Takase, die immer wieder mit interessanten Monk- und Bach-Bearbeitungen oder Adaptionen aus Bizets Oper Carmen (mit der Mezzosopranistin Mayumi Nakamura) überrascht. Die NDR Bigband hatte einen klanglichen Leckerbissen mit Anders Jormins Band, mit Lena Willemark (voc) und Karin Nakagawa (koto) spielt der Bassist schon länger im Trio. Leider ging der besondere Klang der japanischen Koto im Bigbandsound etwas unter. Djäss zelebrierten entspannten Klaviertrio-Jazz aus Island, Omar Sosa und Marialy Pacheco inspirierten sich an zwei Flügeln und wagten auch mal ein Tänzchen, Enders Room oder XXXX (Wollny, Parisien, Lillinger, Lefebvre) zeigten die Zukunft des Jazz.

© Jacek Brun

Schön war es, im Jazzcafé Bands aus Estland zu hören: das Ramuel Tafenau Quartet, Sängerin Liisi Koikson mit Band und E-Bassist Janno Trump, dessen Bass es allerdings nicht zum Festival geschafft hatte. Sein Auftritt mit Klaviertrio und Streichquartett mit delikaten Arrangements musste mit Leihbass über die Bühne gehen.

Die Dance Night bestritt die schwedische Band Dirty Loops. Dass die etwas nerdige, virtuose Musik bei einem großen Publikum ankommt, ist ebenso überraschend wie die Live-Qualität der Band. Ein großes Lob an Kristian Kraftling, der dem Trio alles „im Hintergrund“ zuspielte (Backing Vocals, zusätzliche Bläsertracks auf dem Keyboard). Und eine extra Verbeugung vor Jonah Nilsson – was für eine unfassbare Stimme! Allerdings machte die Hitze Zuschauern wie Musikern zu schaffen, die Luft im großen Saal und im Jazzcafé hätte in Scheiben geschnitten werden können. Doch bei JazzBaltica gibt es immer die kühlere Alternative Open Air direkt am Strand.

© Jacek Brun