Jazzdor

© Peter Bastian

Berlin

Von Peter Bastian. Die Flötistin und Sängerin Naïssam Jalal schreibt sehr schöne arabisch angehauchte Jazzsongs mit interessanten rhythmischen Wendungen. Sie eröffnete mit dem Kontrabassisten Claude Tchamitchian und dem Pianisten Leonardo Montana das Festival Jazzdor Berlin. Ergreifend war es, wenn Montana zu Bass und arabischen Rasseln in die Tasten griff und wie das Trio Jalals Gebet „Gott schütze mich vor mir selbst“ vertonte. Anschließend bauten Unbroken ihre intensiven Klanggebilde zwischen Jazz, Rock, Minimal, Techno und Ambient auf, denen man sich kaum entziehen konnte. Erzeugt wurden die mitreißenden Klänge von einem Streichertrio (Vincent Courtois, Régis Huby, Guillaume Roy), einem Elektroniker (Jan Bang), einem Gitarristen (Eivind Aarset) und dem Drummer Michele Rabbia.

Die Sängerin Claudia Solal, Tochter des Pianisten Martial Solal, gab ein stilles Duo-Konzert mit dem Pianisten Benjamin Moussay. Sie hat erstaunliche stimmliche Fähigkeiten und ist stilistisch mit Sidsel Endresen vergleichbar. Die 35 Grad des Tages wichen auch abends nicht aus dem Kesselhaus. Aber man schwitzte gern beim Quartett des Kontrabassisten Miles Perkin, der mit seinen hervorragenden Begleitern Benoît Delbecq (p), Tom Arthurs (tp) und Jim Black (dr) zarte und luftige Improvisationen und intensive Momente zauberte, wie man sie sich von modernem Jazz wünscht. Wogegen die freien Improvisationen von Natalie Sandtorv (voc), Eve Risser (p), Philipp Gropper (sax) und Moritz Baumgärtner (dr) nicht immer zum interessierten Lauschen einluden, obwohl sie alle für sich aufregende Musiker sind. Auch Extradiversion von Edward Perraud (dr), Anna-Lena Schnabel (sax), Florian Weber (p) und Joachim Florent (b) war eine Premiere – und nicht gerade das spannendste Projekt. Hervorstechend war hier das Moondog gewidmete „Chien Lune“ von Perraud. Die Wild Beasts des Bassklarinettisten Jean-Marc Foltz sind seit ihrer Premiere im Herbst in Straßburg zusammengewachsen und haben an Format gewonnen. Die junge Band House of Echo dagegen braucht hierfür noch eine Weile Zeit.

Das neue Orchestre National de Jazz unter der Leitung des Gitarristen Frédéric Maurin überzeugte am letzten Tag durch packende Versionen der Stücke von Ornette Coleman. Mit zwei Gitarristen und Tim Berne (as) als Gast hervorragend besetzt, lieferte die 15-köpfige Band mit Fender Rhodes und einem mitreißenden E-Bass kräftigen 70er-Sound und eine Prise Miles-Voodoo. Colemans „Lonely Woman“ und das sich anschließende „Kathelin Gray“ gerieten besonders schön. Mit dem Kontrabassisten Benjamin Duboc im Trio En Corps vereint, wirkten Risser und Perraud an Klavier und Schlagzeug weitaus inspirierter als in den anderen beiden Bands, in denen sie auf dem Festival in Erscheinung traten – wirklich überzeugend. So wie No Tongues aus Nantes, die auch in Berlin, wie drei Wochen zuvor in Luxemburg, für viele die Überraschung waren. Dem Sog der Klänge zwischen Minimal, Techno und Free konnte man sich nur schwer entziehen. Besonders berührend waren ihre Interpretationen von Totengesängen aus Tibet und Malaysia.

Am 8. und 22. Juli können jeweils um 20.03 Uhr Konzerte von Jazzdor Berlin im Deutschlandfunk nachgehört werden.