Jazzdor

Daniel Erdmann

Berlin

Von Peter Bastian. Um die Berliner Kulturbrauerei herum ist es ein bisschen umtriebiger geworden, da mit Pop- und Rockkonzerten das ausgehungerte Hauptstadtpublikum bespielt wird, doch dagegen spielten die Jazzer bei der Rückkehr des Jazzdor-Festivals nach zwei Jahren Corona-Unterbrechung locker an. Dieses Mal mit ganz unterschiedlichen ethnischen Wurzeln: Gleich zu Beginn traf die palästinensische Sängerin und Oudspielerin Kamilya Jubran auf das Trio des Saxofonisten Sylvain Cathala, wobei sehr reizvolle Zusammenklänge entstanden. Atemberaubend – und wegen solcher Konzerte ist Jazzdor immer wieder so lohnenswert – war das Zusammentreffen des Darbuka-Spielers Wassim Halal mit dem achtköpfigen französischen Orchester Gamelan Puspawarna. Was hier zwischen strikter Komposition und Improvisation entstand, war magisch.

Auch das Trio des in München lebenden Tenorsaxofonisten Matthieu Bordenave mit Florian Weber (p) und Patrice Moret (b) hatte spannende Momente zwischen John Coltrane und Jimmy Giuffre zu bieten. Dem Trio Suzanne (viola, g, dr, voc) fehlte zwischen Klassik und imaginärer Folklore ein wenig der Groove. Der war im Trio des Pianisten Matthieu Mazué mit Xavier Rüegg (b) und Michael Cina (dr) und deren New Yorker Gast Michaël Attias (as) überbordend vorhanden. Wenn Päpste töten, kommt eine der spannendsten deutschen Bands dabei heraus. The Killing Popes mit Oli Steidle (dr), Frank Möbus (g), Dan Nicholls (keyb), Philipp Gropper (ts) und Phil Donkin (b) machen eine explosive Musik, der man sich nicht entziehen kann. Auch ihre Gäste, der Gitarrist Marc Ducret und die Sängerin Claudia Solal integrierten sich gut, wenn Solals Gesang dem Flow der Musik auch nicht immer guttat. Trotzdem gehörte der Auftritt zu den besten des Festivals.

Eigentlich hatten Florian Weber (p), Joachim Florent (b) und Edward Perraud (dr) die Klarinetten-Legende Michel Portal in ihr Trio eingeladen. Da dieser verhindert war, kamen gleich zwei Musiker*innen als Ersatz zum Einsatz: Anna-Lena Schnabel (as, fl) und Daniel Erdmann (ts). Heraus kam das faszinierendste Konzert dieser vier Tage, ein Quintett, das so zusammenbleiben und eine CD herausbringen sollte. Schnabel, eines der vielversprechendsten jungen deutschen Talente, und Erdmann ergänzten sich ganz wunderbar, und Schnabel erwies sich in Webers „Word“ als beeindruckende Solistin auf der Querflöte.

Eine ansprechende und kraftvolle kompositorische Umsetzung von Literatur und Musik erfuhr im Projekt Baldwin in Transit die Poesie von James Baldwin durch den Saxofonisten Stéphane Payen. Marc Ducret (g), Sylvaine Hélary (fl) und Dominique Pifarély (v) unterstützten ihn dabei musikalisch. Der Sprechgesang von Mike Ladd, Jamika Ajalon und Tamara Singh verschmolz reizvoll mit dem modernen Jazz des Quartetts. Ordentlich eins auf die Ohren gab es am Schluss mit der überbordenden Mischung aus Metal, Jazz und Noise von Nout. Mit Flöte, Harfe, Schlagzeug und einem Gast an der Bratsche zeigten die vier Frauen, wie hochspannender Jazz mit Harfe jenseits von Andreas Vollenweider geht.

Neu ist, dass das Straßburger Festival seinen deutsch-französischen Jazz jetzt bis nach Dresden exportiert, denn die Bands gingen von Berlin aus auf Tour in die dortige Tonne. Das wurde vom Publikum noch nicht so gut angenommen, trotzdem war es ein „schöner Erfolg und soll im nächsten Jahr fortgeführt werden“, meint Festivalmacher Philippe Ochem. Und in der letzten März-Woche 2023 exportiert er sein Konzept erstmals nach Budapest, dann mit französisch-ungarischen Bands.