Stadtgarten Köln

Neue Wege im Jazz?

© Patrick Essex
© Maya Claussen

Eigentlich ist der Kölner Stadtgarten ein kleiner Landschaftspark im Nordwesten der Innenstadt und in Köln die erste moderne Anlage dieser Art, die seit 1827 besteht. Dann gibt es da noch das gleichnamige Restaurant mit angeschlossenen Veranstaltungsräumen. Und Jazz!

Von Lothar Trampert

Nachdem Ende der 1970er Jahre einige begeisterte Musikstudenten die „Initiative Kölner Jazz Haus e.V.“ ins Leben gerufen und 1978 das „1. Jazz Haus Festival“ im Stadtteil Holweide veranstaltet hatten, stand vor allem die Suche nach einem Domizil, einer festen Spielstätte auf dem Plan. Nach Gründung der Offenen Jazz Haus Schule e.V. 1980, einer wichtigen pädagogischen Institution, auf die übrigens wenig später der erste Jazzstudiengang Deutschlands an der Kölner Musikhochschule folgte, war der nächste große Schritt 1986 getan: Die Jazz-Haus-Initiative zog in den Stadtgarten und konnte hier nun regelmäßig Konzertveranstaltungen durchführen.

Stadtgarten war von da an das Synonym für modernen Live-Jazz. Eine Musik-Institution in einer westdeutschen Großstadt, die aufgrund der kulturellen Arbeit ihrer verschiedenen Radiosender, der erwähnten Hochschule und auch der Rheinischen Musikschule, von Clubs wie dem Salt Peanuts, dem Subway, Papa Joe’s Jazzlokal, dem Metronome und in der jüngeren Zeit Locations wie dem Loft, dem King Georg, dem Alten Pfandhaus, dem Salon de Jazz und dem Hinterhofsalon für diverse Spielarten der afroamerikanischen Musik und ihrer Ableger schon immer offen war. Der Stadtgarten hat sich in den knapp vier Jahrzehnten seines Bestehens zu einem europäischen Musikzentrum mit Weltruf entwickelt, hat ein eigenes Label etabliert und führt über 400 Konzerte und Veranstaltungen pro Jahr durch, die im Konzertsaal, im Restaurant, im Biergarten mit Musikpavillon oder im eigenen Keller-Club JAKI stattfinden.

Gründungsmitglied der Initiative Kölner Jazz Haus e.V. war Reiner Michalke, ein Jazz-Bassist, der nach Orientierungsanläufen durch ein Wirtschafts- und ein Musikstudium als freischaffender Musiker in Formationen wie Extempore und NoNett sowie als Dozent für Bass, Gitarre und Ensemblespiel an der Musikschule Remscheid letztlich als Künstlerischer Leiter des Stadtgartens sein Terrain, seine kreative Heimat gefunden hatte. Seine erfolgreiche Arbeit bescherte Michalke weitere Jobs, u.a. als geschäftsführender Intendant der Monheim Triennale und der MusikTriennale Köln; von 2006 bis 2016 war er Künstlerischer Leiter des moers festival.

Bei der unterhaltsamen Pressekonferenz Ende Juni in Köln, die Ulla Oster als Vorsitzende der Initiative Kölner Jazz Haus e.V. moderierte, verabschiedete sich der langjährige Intendant des Stadtgartens und stellte seine Nachfolgerin Kornelia Vossebein vor. Die 1970 in Paderborn geborene Sprachwissenschaftlerin war bereits als Projektleiterin für das NICA artist development bei der Initiative angestellt – sie kennt also das Terrain. Zudem hat sie zwei Jahrzehnte lang Erfahrungen als Geschäftsführerin des Bielefelder Bunkers Ulmenwall und der Zeche Carl in Altenessen, als Künstlerische Leiterin von „Jazz in Gütersloh“ und als Pressesprecherin des Moers-Festivals gesammelt.

Reiner Michalkes selbstkritisches Resümee seiner 36-jährigen Leitungsfunktion überschattete fast etwas das Geleistete. Anscheinend ist ihm nicht bewusst, dass mehr Kölner und auch internationale Jazzfans den Stadtgarten mit Musik und nicht mit einem Park in Verbindung bringen. Die Marke wurde aufgebaut und hat sich, auch Dank öffentlicher Förderung, über Dekaden gehalten – in der Veranstaltungsszene durchaus nicht die Regel. In Anspielung auf den in der Domstadt boomenden Mundart-Schlager, meinte Michalke in einem Nebensatz: „Unser Gegner ist Desinteresse.“ Natürlich ist jedes Programm-Konzept, das nicht nur ausverkaufte Venues beschert, diskutabel. Aber kann die Nischenmusik Jazz wirklich zum Mainstream-Pop-Erfolg mutieren? Und steht sie in dieser Konkurrenz?

Michalkes Nachfolgerin Kornelia Vossebein sieht die Zukunft wesentlich optimistischer – was für sie spricht. In den vergangenen Monaten wurden einige neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, das Team hat sich verjüngt, der Generationenwechsel wirkt organisch. Vossebein will sich für eine verstärkte programmatische Einbindung des NICA artist development einsetzen und jungen Künstlerinnen und Künstlern ein Live-Forum bieten. Ebenso sind Artist-in-Residence-Projekte geplant, um neue, spannende Acts zu präsentieren, aber auch mit dem Ziel, die Stadtgarten-Szene weiter zu vernetzen und zu inspirieren. Durchaus Ansätze, die auch beim interessierten Publikum ankommen können. Eine freundliche Übergabe – und ein Engagement, das Zukunft hat.

Website:

stadtgarten.de