Jazzfest

© Thomas Kölsch

Bonn

Von Thomas Kölsch. Die Suche nach neuen Formen hat das Jazzfest Bonn schon immer bestimmt, und auch in diesem immerhin zehnten Jahr seines Bestehens testeten Künstler allerlei Grenzen aus. Nicht immer erfolgreich, aber doch stets spannend. Zweieinhalb Wochen lang beleuchteten Doppel- und sogar Triple-Konzerte alle Farben des Jazz, orientierten sich in Richtung der zeitgenössischen klassischen Musik, bedienten sich bei Rock, Soul und Funk und holten sogar Techno in die Oper. Intendant Peter Materna bewies wieder ein Händchen für ungewöhnliche Kombinationen und künstlerische Kontraste.

Natürlich hat das Jazzfest sich für das Jubiläum einiges gegönnt, darunter ein kostenloses Open-Air-Konzert in der Innenstadt sowie einige Auftragskompositionen. Lisa Wulff überzeugte mit Nightmares and Daydreams, das das Leben eines Jazzmusikers mit all seinen Ängsten und Hoffnungen beschreibt, Jo Beyer bediente sich bei Hallo, mein Name ist Umberto aus dem ganzen Arsenal an effektvollen Spielereien, und Shake Stew spielten sich mit No More Silence in Rage. Auch andere durften sich beweisen, so wie das Vokalquartett Of Cabbages and Kings, das beim Bemühen, sich vom eingängigen Vokal-Pop abzuheben, leider die sprachliche Eleganz und Schönheit von Erich Kästner, Hannah Arendt oder William Shakespeare zerstückelte. Dabei können Laura Totenhagen und ihre Kolleginnen durchaus singen – am besten klangen sie allerdings mit harmonischen Stücken aus anderer Feder. Aber auch dieses Herumexperimentieren gehört zum Jazz, ist mitunter sogar ein Katalysator für mehr. So diente das quietschende und knarzende, klappernde und brummelnde Saxofonspiel von Otis Sandsjö der Sängerin Lucia Cadotsch als Reibungsfläche und hilfreicher Störfaktor – und so mancher Zuhörer war restlos begeistert. Absolut überwältigend war die Jazzrausch Bigband aus München, die den Brückenschlag zwischen dem oft als elitär und verkopft verstandenen Jazz und dem treibenden Techno zelebrierte und damit sowohl die 20-Jährigen als auch die älteren Generationen von den Sitzen riss. Die Bonner Oper verwandelte sich an diesem Abend in einen Club, das Konzert in einen Rave. Und jeder im Saal sich in einen Fan.

Thomas Quasthoff und Frank Chastenier

Zu den aufstrebenden Künstlern, die Peter Materna eingeladen hatte, gesellten sich einige große Namen: Thomas Quasthoff etwa, der schon am Abend vor dem eigentlichen Auftakt bei einem Empfang des Bundespräsidenten in der Villa Hammerschmidt zeigen konnte, dass er den Wechsel vom klassischen Fach zum versierten Jazz-Sänger erfolgreich vollzogen hat. Kein Problem, wenn man mit Frank Chastenier, Dieter Ilg und Wolfgang Haffner drei der besten deutschen Jazzer im Rücken hat. Ebenfalls exzellent waren der poetische Auftritt des einstigen Weather-Report-Bassisten Miroslav Vitouš und seines Landsmanns Emil Viklický (p) oder auch der des Kyle Eastwood Quintet. Seine Formation widmete sich Charles Mingus ebenso wie Adele und verstand es, dank klar strukturierter Arrangements zu begeistern. Auch die Yellowjackets und Tower of Power setzten Maßstäbe, während Manu Katché bei der Präsentation seines neuen Albums The Scope eher enttäuschte: Zum einen verharrte er zu oft in generischen Patterns, zum anderen griff er auf Halbplaybacks zurück, weil er niemanden für die Gesangspassagen in seiner Band hatte. Schade. Insgesamt wurde das Jazzfest Bonn seinem Ruf als kontrastreiches Treffen der Generationen aber gerecht. Man kann sich also schon auf die nächsten zehn Jahre freuen.