Jazzfest

Bonn

© Thomas Kölsch

Von Thomas Kölsch. Sie haben es geschafft: Allen Widrigkeiten und Pandemie-Restriktionen zum Trotz hat das Team des Jazzfests Bonn tatsächlich einen Großteil der für 2020 geplanten Veranstaltungen retten und seit Ende August durchführen können. Nur vier Termine sind bislang noch nicht verschoben worden, doch angesichts dessen, was Impresario Peter Materna in den vergangenen Monaten möglich gemacht hat, ist auch das nur noch eine Frage der Zeit. Für viele Gäste waren die Doppelkonzerte, an deren Format das Jazzfest kategorisch festhielt, die ersten Veranstaltungen in Innenräumen seit Beginn der Corona-Pandemie und schon dadurch ein besonderer Genuss – vor allem, da es den Musikern immer wieder gelang, sie all die Ängste und Sorgen der vergangenen Monate vergessen zu machen und die Lebendigkeit des Jazz zu genießen.

Insbesondere die Jazzrausch Bigband sorgte mit treibendem Pulsschlag für frenetischen Jubel und riss das Publikum von den Sitzen. Die Bonner Oper wurde zum Techno-Club, Stuhlreihen zur Tanzfläche, der Abend ein Fest. Mühelos verschmolz die Münchener Formation Beethoven, Goethe und Michel Foucault mit anspruchsvoller, komplexer House-Musik, drehte auf und ließ es krachen. Ein Klanggewitter, bei dem Boxen wummerten, Bläser dröhnten, dazu ein paar Takte Mondscheinsonate, und die Auflösung in die Ekstase – kein Wunder, dass Jazzrausch als der wahrscheinlich heißeste, modernste, aufregendste Klangkörper Deutschlands gehandelt wird. Mit dieser Energie konnte selbst das DJ-Kollektiv Jazzanova, das vor fast 25 Jahren einen ganz eigenen Sound aus Jazz, Latin und Techno schuf, nicht mithalten. Allerdings stand auch nur eine Basis-Crew mit eher entspannten Grooves auf der Bühne.

Zum Konzept des Jazzfests gehört auch die Kombination junger Künstler mit etablierten Größen, um ersteren so ein größeres Publikum zu erschließen. Davon dürfte unter anderem Simon Oslender profitiert haben, der mit seinem exzellenten Trio am selben Abend auftrat wie Till Brönner, der in Bonn quasi ein Heimspiel hatte. Oslender überzeugte mit starken Kompositionen, fantastischen Ideen und einer Verbindung mit seinen Trio-Kollegen Claus Fischer (b) und Hendrik Smock (dr), die in dieser Intensität selten ist. Doch auch Brönner sorgte für Überraschungen, denn obwohl Stücke im Mittelpunkt standen, die er mit dem Pianisten Bob James aufgenommen hat, gab es Ausflüge in Blues und Funk und der Star-Trompeter setzte mit dem hymnisch-hypnotischen „Europa“ einen Höhepunkt des Festivals.

Weitere Lichtblicke waren kleine kammermusikalische Besetzungen, zumal die Verbindung von Jazz und Klassik eine zentrale Idee des Jazzfests bildete. Iiro Rantala spielte mit dem Galatea Quartett, Richie Beirach mit dem Sirius Quartet um den Geiger Gregor Hübner (Anfang November spielt noch Saxofonist Roger Hanschel mit dem Auryn Quartett). Mal wurde ein Bach-Choral herumgewirbelt oder Mozart auf finnische Art gespielt, im Kammermusiksaal des Beethovenhauses eine besondere Qualität. Ebenfalls im Programm: Norbert Scholly und Rainer Böhm, die sich im Duo gemeinsam durch den Jazz tanzten, Django Bates, Klaus Doldinger & Passport, der klassische Geiger Tobias Feldmann und der Pianist Frank Dupree, das Mathias Eick Quintet, Kinga Głyk, das Jacky Terrasson Trio, Jan Garbarek – und schließlich Christopher Dell, Christian Lillinger und Jonas Westergaard mit Bob Degen.