Jazzfestival Saalfelden

© Frank Schindelbeck

Von Gerd Filtgen. Vier tropische Tage. Über Mangel an Sonne konnte sich keiner der zahlreichen Besucher beschweren, die zu einem Highlight im europäischen Jazzfestival-Geschehen nach Saalfelden pilgerten. Im Vergleich zum Vorjahr war das diesjährige Programm mit rund sechzig Konzerten, die im Kunsthaus Nexus, in der Otto-Gruber Halle und der Hauptbühne im Congress Saalfelden stattfanden, noch umfangreicher. In bewährter Weise stellte Mario Steidl, der künstlerische Leiter, mit seinem Team neue Entwicklungen in der improvisierten Musik mit diversen gegenwärtigen Free- und Spiritual-Jazz-Formationen her. Es kam zu Begegnungen von Künstlern aus unterschiedlichen Kulturen und Interpreten, die stilistische Barrieren weit hinter sich ließen. Letzteres bewiesen die japanische Koto-Virtuosin Michiyo Yagi und der amerikanische Drummer Hamid Drake sowie der eidgenössische Stimmkünstler Andreas Schaerer, beide in ihrer Funktion als Artists in Residence.

Tim Lefebvre (vorn), Andreas Schaerer (hinten © Frank Schindelbeck

Vom ersten Ton an zelebrierten Myra Melford und Hamid Drake bei ihrem Duo-Auftritt – ohne vorherige Proben – die Kunst der musikalischen Kommunikation. Für die außergewöhnlichen melodischen Figuren und Cluster der Pianistin fand der Schlagzeuger sofort die passenden rhythmischen Entsprechungen. Ebenso grandios war Melfords Einsatz im Lux Quartet mit der brisanten Schlagzeugerin Allison Miller und dem Saxofonisten Dayna Stephens, wobei die Interaktionen in einen Strom packender Improvisationen mündeten.

The Machine Stops lautet der Titel einer Science-Fiction-Kurzgeschichte des britischen Autors E.M. Forster aus dem Jahr 1909. Sie handelt von Menschen, die aufgrund von Umweltkatastrophen unter der Erde leben müssen. Ihre Bedürfnisse werden von einer Maschine ersetzt. Michael Riessler und sein Sohn Lorenzo setzten mit ihrer Band The Machine diese Story mit expressiven Bassklarinetten-Einsätzen, Electronics und motorischen Beats um. Das Eröffnungskonzert auf der Hauptbühne bestritt Lukas Koenigs Sound Hazard. Bei dem zwischen Ambient, Rock-Jazz und Avantgarde mäandernden Projekt demonstrierte der Wiener Schlagzeuger seine innovativen Ideen. Unter dem Slogan „Hymns of Past and Future“ bündelte der österreichische Bassist und Komponist Lukas Kranzelbinder – assistiert vom amerikanischen Drummer Billy Martin – die Power zweier äußerst unterschiedlich agierenden Saxofonistinnen. Dabei überzeugte die Altistin Anna Högberg – wie schon zuvor mit ihrem Sextett Attack – mit kreativen Postbop- und Free-Jazz-Diskursen. Konträr dazu steuerte die Tenoristin Zoh Amba mit einem eruptiven, an Albert Ayler erinnernden Sound sperrige Elemente in die Abläufe. Ihr eher noch auf der Suche befindliches Improvisationsvermögen bestätigte sich auch im Trio Bhakti mit dem ausgezeichneten Pianisten Micah Thomas.

© Frank Schindelbeck

Mit seinem New Quintet begeisterte Dave Douglas. Zum exzellenten Spiel des Trompeters stießen James Brandon Lewis’ authentische, in einen modernen Kontext eingebundene Blues-und Gospel-Elemente sowie die filigranen Improvisationen der polnischen Pianistin Marta Warelis. Ein großartiger Ausklang, der bereits Vorfreude auf das Festival im Sommer des nächsten Jahres weckte.