Jazzkaar

Tallinn

Von Angela Ballhorn. Was dieses Jazzfestival in Estland so besonders macht, werde ich oft gefragt. Die Jazzkaar in Tallinn, traditionell in der letzten Aprilwoche, hat alles, was ein gutes Festival ausmacht. Das Programm ist eine gute Mischung aus internationalen Acts, in diesem Jahr unter anderem Gospel mit Michelle David & The True-tones, Cuban Jazz mit dem Jorge Luis Pacheco Trio, Fado mit der beeindruckenden Sara Correia oder Oldies but always Goldies mit Mike Sterns Power-Fusion-Band oder Steve Colemans Five Elements. Dazu kamen ebenso beeindruckende heimische Bands, allen voran die wunderbare Kirke Karja, die ihr spektakuläres Trio zur Karja / Renard / Wandinger goes XL-Version aufstockte und mit einem Doppeltrio (Elias Stemeseder, Felix Henkelhausen und Sun-Mi Hong) plus Trompete (Verneri Pohjola) sensationell dichte Musik auf die Bühne des Vaba Laba Theaters zauberte.

Gitarrist Andre Maaker eröffnete das Festival mit einem Ocean of Guitars, fünf Gitarristen samt Rhythmusgruppe bildeten von leisen Akustikklängen bis zur Heavy-Rockgitarre die ganze Bandbreite des Instruments ab. Drummer Ramuel Tafenau und Pianistin Rahel Talts stellten ihre neuen Werke vor, und im Abschlussprojekt „Saja lugu 5“ vergrößerte Gitarrist und Komponist Erki Pärnoja das Projekt „100“ auf sinfonische Größe.

Internationale Acts wie die spektakuläre Band von Ben Wendel (sax) mit Nate Wood (dr), Taylor Eigsti (p) und Harish Raghvan (b) oder das Baylor Project des Ehepaars Jean und Marcus Baylor bekamen Standing Ovations, Bassist Chris Morrissey mit der wunderbaren Charlotte Greve (sax) verzauberte auf der Fotografiska-Bühne. Dort wurde auch das neue Juniper-Programm der finnischen Saxofonistin Lisa Fredriksson gefeiert. Rap‘n‘Jazz des Saxofonisten Raivo Tafenau mit den Rappern reket, villemdrillem und nublu ließ den ausverkauften Saal mit 900 Jugendlichen erbeben. In der Band dabei: der als Jazzmusiker des Jahres ausgezeichnete Bassist Janno Trump.

Ein wichtiger Bestandteil der Jazzkaar sind Hauskonzerte. Einwohner mit ausreichend Platz für Musiker und Zuschauer bewerben sich dafür. Speziell war das Konzert in der weitläufigen Wohnung des Dirigenten Eri Klas (2016 verstorben), wo das weit über die Landesgrenzen bekannte Duo von Kadri Voorand und Mihkel Mälgand spielte. Freie Konzerte zu Festivalbeginn auf dem Telleskivi-Gelände und die Ausstellungseröffnung mit großformatigen Porträts des französischen Fotografen André Perlman rundeten das Event ab, 18.000 Besucher konnte das Festival in diesem Jahr anlocken.

Last but not least hat die Jazzkaar ein tolles Team. Nicht nur Anne Erm, Gründerin und seit 34 Jahren künstlerische Leiterin des Festivals, und ihr weibliches Team, sondern auch die vielen Freiwilligen, die ehrenamtlich mithelfen. Viele sind mehr als zehn Jahre dabei, Rait – im normalen Leben Makler – sogar seit 25 Jahren. Auch seine Frau und Tochter helfen mittlerweile mit. Urlaub vom normalen Job zu nehmen, um bei einem Festival mitzuhelfen, zeigt Liebe zum Jazz und den Zusammenhalt und die gute Stimmung im Team.