Jazzkaar

Tallinn

© Angela Ballhorn

Von Angela Ballhorn. Dass das estnische Jazzkaar-Festival terminlich fast immer mit der jazzahead! in Bremen kollidiert, ist bedauerlich. An mehreren Orten gleichzeitig sein zu können, wäre eine wunderbare Option. Dieses Jahr musste ich die Aufmerksamkeiten aufteilen, was das einwöchige Festival auf drei Tage schrumpfen ließ. Doch diese drei Tage waren gespickt mit Entdeckungen und neuer Musik. Seit 36 Jahren kuratiert die Jazzkaar-Gründerin Anne Erm das Festival, ihr ist es immer wichtig, dass die Mischung zwischen wild und traditionell sowie großen Namen, einheimischen Künstlern und Entdeckungen stimmt. Die US-Sängerin Jazzmeia Horn war der große Name zum Abschluss, Saxofonistin Lakecia Benjamin heizte zur Mitte des Festivals ein.

Eröffnet wurde das Festival durch den im Ausland wohl bekanntesten estnischen Jazzmusiker. Pianist Kristjan Randalu hatte sich etwas sperriges Material ausgewählt: die 1982 entstandenen Solostücke für Klavier des Komponisten Jaan Rääts, dessen Marginalien für Klavier Kristjans Vater Kalle Randalu einst aufgenommen hat. Die Stücke, die hörbar durch Minimal Music beeinflusst sind, bearbeitete Kristjan Randalu für ein besonderes Line-up. Darin traten zur Rhythmusgruppe mit Mihkel Mälgand (b) und Hans Kurvits (dr) der Keyboarder Taavi Kerikmäe und Gitarrist Eivind Aarset, der mit seinen vielen Effekten und Electronics besondere Soundscapes beisteuerte. Dass sowohl Aarset als auch der dänische Drummer Kresten Osgood und Gitarrist Gilad Hekselman Workshops am Konservatorium gaben, war eine große Bereicherung.

Die Saxofonistin Maria Faust stellte ihre Theatermusik zu Business As Usual vor. Die Bläserbesetzung The Economics, die in irrwitzigen Stücken die Texte der Schauspieler zum Svedbank-Skandal umrahmte, war umwerfend, witzig, schrill, groovy und zugleich melancholisch. Maria Faust gesellte sich am Abend darauf als Special Guest zu dem ebenfalls mehr als irrwitzigen Trommeltrio mit Kresten Osgood (Dänemark), Arkady Gotesman (Litauen) und Christian Lillinger. Alles auf der Bühne wurde in das Geräusch- und Groovegestrüpp mit einbezogen, sogar die Pflanzendekoration.

Ähnlich wild ging es im neuen Projekt des Gitarristen Jaak Sooäär zu. Keelepeksjad heißt auf Deutsch Zungenbrecher, und das so benannte Quartett samt Gastsänger Jaan Pehk spielte wilde Polka, kräftig mit Bebop und Heavy Metal verquirlt.

© Angela Ballhorn

Kadri Voorand ist eine der großen estnischen Stimmen, sie spielte mit ihrem langjährigen Duopartner Mihkel Mälgand ein wahrlich berauschendes Hauskonzert in einem weitläufigen Apartment. Sooikal, der halluzinogene wilde Rosmarin aus den estnischen Mooren, war Startpunkt für einige der neuen Songs.

Mein letztes Konzert der Jazzkaar 2025 war das der portugiesischen Sängerin und Gitarristin Luísa Sobral. Die Schwester von ESC-Gewinner Salvador Sobral spielte ein Set mit ungemein lebensbejahender Musik recht schlicht gehalten – bis auf ihr funkelndes Paillettenkleid.