Jazzfest
Bonn

© Thomas Kölsch
Von Thomas Kölsch. Große Ensembles und feine Solisten, mal poetisch und mal wagemutig, zwischen Tradition und Moderne – das 16. Jazzfest Bonn hat im Mai ein atemberaubendes Programm präsentiert. Fünfzehn hochkarätig besetzte Doppelkonzerte und ein ganz besonderer Duo-Abend lockten Tausende in die Bundesstadt und sorgten nicht zuletzt dank der von Intendant Peter Materna ausgearbeiteten Spannungsbögen, Kontraste und Harmonien für Begeisterung. Ein thematischer Schwerpunkt lag dabei auf dem Akkordeon in zahlreichen Spielarten, ein anderer auf einer Vielzahl sich ergänzender Klangfarben. Und die waren so facettenreich wie nie zuvor.
Schon der Auftakt mit dem Norwegian Wind Ensemble war ein Genuss, zumal das 300 Jahre alte Orchester mit dem Saxofonisten Marius Neset und dem Pianisten Erlend Skomsvoll zwei herausragende Jazz-Protagonisten an seiner Seite wusste. Letzterer hat Nesets Kompositionen nicht nur arrangiert, sondern zu etwas Neuem gemacht: Mit klassischen Anleihen, bei denen er sich unter anderem bei Sergei Prokofjew bediente, bereitete er den Weg für einige brillante Duette zwischen Querflötistin Rose Elin Austad Nes und Marius Neset. Herrlich. Andererseits gab es in Anlehnung an Neue Musik durchaus Reibereien zwischen den Instrumentengruppen, was das Publikum aber ebenso goutierte wie die gemäßigteren Passagen. Im zweiten Teil des Abends rief Sängerin China Moses dann zur wilden Party auf, was sich im Opernhaus leider als schwierig herausstellte, trotz eines überragenden, groovenden Konzerts einer der ganz großen Stimmen unserer Zeit.
Auf diesem Niveau ging das Jazzfest weiter. Akkordeonist Richard Galliano, der im vergangenen Jahr noch alleine im Bonner Münster gespielt hatte, brachte diesmal Paolo Fresu mit und füllte das Gotteshaus mit ebenso hymnischem wie lyrischem Sound, während sein Kollege Simone Zanchini eine Woche später allein und ohne Pause zu einer rund 45-minütigen Reise einlud, auf der ihm sein Publikum nur zu gern folgte. Und mit Luciano Biondini als Mitglied von Andreas Schaerers Gruppe A Novel of Anomaly war auch noch ein dritter großer Meister der Quetschkommode zu Besuch, einer, der mit seinem melodiegeprägten feinfühligen Spiel den wahnsinnig guten Gesang von Andreas Schaerer zu stützen und zu umgarnen verstand. Ohnehin ist Schaerer ein Ausnahmetalent, ein Vokalkünstler auf einem Level mit Bobby McFerrin und Al Jarreau, der wirklich jeden Ton zu Gold machen kann. Dabei waren auch andere exzellente Stimmen zugegen, darunter Olivia Trummer, Ida Sand und die kurzfristig für die erkrankte Norma Winstone eingesprungene Uschi Brüning.

© Thomas Kölsch
Jede Menge Spaß hatte das Publikum auch mit Stefano di Battista, der einige italienische Schlager der Cantautori virtuos in den Jazz übersetzte, und den Punk-Pop-Rebellen von Botticelli Baby. Dazu gesellten sich unter anderem die Yellowjackets, Sting-Gitarrist Dominic Miller, der gewohnt virtuose Jasper van’t Hof und die vor Energie geradezu explodierende Hiromi, die mit ihrem Sonicwonder das Abschlusskonzert gestaltete. Davor euphorisierte das Sarah Chaksad Large Ensemble, das ebenso wie die Formation Volo der Saxofonistin Sofia Will zu den jungen und überaus spannenden Formationen zählt, auf die man achten sollte. Vielleicht wird man diese Namen auch im nächsten Jahr wieder hören. Bis dahin hat das Jazzfest noch ein Highlight in der Hinterhand: Am 27. September kommt das Trio Rymden in die Bundeskunsthalle.