Jazzopen

© Hanz Kumpf

Stuttgart

Von Jochen Reuter. Dass Jazz bei den Jazzopen großgeschrieben würde, lässt sich schwerlich behaupten. Dessen ungeachtet gilt anzuerkennen, dass sich das Stuttgarter Sommerfestival ein beachtliches Standing weit über die Grenzen der Stadt hinaus erarbeitet hat und auf europäischer Ebene mittlerweile in einem Atemzug mit Montreux, dem North Sea Jazz oder dem Umbria Jazz genannt wird. Anders wären Verpflichtungen großer Weltstars wie David Gilmour, Bob Geldof, Van Morrison, Jamiroquai oder auch Lang Lang – um nur ein paar illustre Namen aus den Programmen der vergangenen fünf Jahre zu nennen – schlicht nicht möglich gewesen.

Die Rolle, die 2018 dem Festivaldebüt von Kraftwerk zugekommen war, übernahm in diesem Jahr Bob Dylan. Und wer erlebte, wie der Literaturnobelpreisträger ein gelöstes Lächeln über die vor der großen Hauptbühne auf dem Schlossplatz versammelte Menschenmenge gleiten ließ, kann nicht bestreiten, einem nicht nur in der 26-jährigen Geschichte der Jazzopen historischen Moment beigewohnt zu haben. Mit Auftritten von Christina Aguilera, Emeli Sandé (kurzfristig für Sting eingesprungen), Aloe Blacc und LP an selber Stelle hatte der Slogan vom „Jahr der Premieren“ durchaus seine Berechtigung – nur mit Jazz haben all diese (Semi-)Größen eher wenig bis nichts am Hut. Lediglich Jazzopen-Stammgast Jamie Cullum (allerdings zum sechsten Mal in Folge!), Parov Stelar und das Moka Efti Orchestra können mit einigem guten Willen in diese Kategorie gefasst werden.

Anders auf der zweiten Hauptbühne, traten im kaum einen Steinwurf entfernten Innenhof des Alten Schlosses doch Mnozil Brass, Bobby McFerrin, Chilly Gonzales und das Sing-the-Truth-Projekt mit Angélique Kidjo, Lizz Wright und Cécile McLorin Salvant auf. Highlight in der schönsten Locations des Festivals – an einem lauen Sommerabend bietet der historische Renaissance-Arkadenhof ein unschlagbares Ambiente, das zumindest in Stuttgart seinesgleichen sucht – war indes das Konzert von Chick Corea mit seiner Spanish-Heart-Band, der sich im Laufe des Abends zunehmend von der zunächst etwas unter latenter Latin-Kitsch-Seligkeit leidenden Inszenierung freispielte.

Mit der Verleihung der German Jazz Trophy an Dee Dee Bridgewater sowie Auftritten des Marius Neset Quintet, Terence Blanchard, des Pérez Cohen Potter Quintet und Stuttgarts Altmeister Wolfgang Dauner wurde im SpardaWelt Eventcenter dann doch eine ganze Reihe an Jazz-Höhepunkten geboten. Am meisten Jazzclub-Atmosphäre war erneut im Bix zu finden, traditionell die Spielstätte der Jazzopen, die am ehesten Entdeckungen erlaubt. Insbesondere die Konzerte von Bill Evans, dessen Quartett mit Wolfgang Haffner den Saxofonisten wie in einen Jungbrunnen gefallen wirken ließ, Judith Hill, Ghost Note und Donny McCaslin sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Einen klaren Mehrwert für die Stadtgesellschaft bildeten erneut die eintrittsfreien Bühnen im Stadtpalais, auf dem Schlossplatz und in der Domkirche St. Eberhard. Rund 5000 Besucher steuerten die Auftritte auf diesen Bühnen zum Publikumserfolg bei. Auf den vier kostenpflichtigen Bühnen erreichten die diesjährigen Jazzopen mit 40.000 Besuchern bei über 40 Konzerten in zehn Tagen eine Auslastung von knapp 90 Prozent.

© Hans Kumpf