Jazzopen

Stuttgart

Suzanne Vega © Rainer Ortag

Von Jochen Reuter. Groß, größer, Jazzopen: Mit einem Abend der Superlative ging die diesjährige Ausgabe des Sommerfestivals auf dem Schlossplatz zu Ende. Nicht wenige der 7000 Besucher im Ehrenhof des Neuen Schlosses dürften ihr Sting-Ticket bereits vor über zwei Jahren an die Pinnwand geheftet haben: Nachdem der Brite bereits 2019 als einer der Höhepunkte angekündigt war und krankheitsbedingt absagen musste, wurde der Auftritt für 2020 erneut ins Programm genommen. Acht Tage vor dem ersten Lockdown war die Show „ausverkauft“ gemeldet.

Die Menge explodiert, als die ersten Takte von „Message in a Bottle“ erkannt sind: 1979 die erste der fünf Nummer-eins-Chartbreaker, mit denen The Police an der Schwelle der Achtziger zu einer der wichtigsten New-Wave-Bands wurden – ein epochaler Hit. Und die rastlose Energie und Unruhe, mit der Reggae und Post-Punk in dieser Powerballade verschränkt sind, reißt auch 43 Jahre später noch mit. Ein Meer Tausender Arme wogt über den Platz – glückliche Gesichter, wohin man auch blickt. Mit der Magie von „Walking on the Moon“ ist das Finale erreicht. Alles tanzt, winkt, klatscht, singt mit – ein riesiger Chor zur Feier dieses der Schwerkraft enthobenen Moments.

Gleich zwei Legenden am Abend zuvor, das ist auch bei den Jazzopen, bei denen Starpower bekanntlich großgeschrieben wird, nicht alltäglich. Nacheinander traten Van Morrison und Robert Plant auf, Letzterer mit der Bluegrass-Koryphäe Alison Krauss. Grandioser Höhepunkt auf dem Schlossplatz war eine hypnotische Version des Led-Zeppelin-Klassikers „When the Levee Breaks“. Wie Van Morrison war auch John Legend bereits mehrfach hier zu Gast. Ein Abend mit den britischen R&B-Sängerinnen Jorja Smith und Celeste sowie der New Yorker Indie-Folkrock-Ikone Suzanne Vega zog auch jüngeres Publikum an. Für die Jazz-Aspekte auf der größten Bühne des Festivals waren Gregory Porter, Al Di Meola und David Sanborn sowie Stammgast Jamie Cullum zuständig, der zum siebten Mal in Folge hier auftrat.

Gregory Porter © Rainer Ortag

Die zweite Hauptbühne im Alten Schloss gehört zu den schönsten Open-Air-Locations Stuttgarts. Mit Herbie Hancock lief dort ein Großmeister vor allem in seiner Interpretation der Rolle des Bandleaders einmal mehr zu Höchstform auf: Wie der 82-Jährige seine handverlesene Band mit Terence Blanchard (tp), Lionel Loueke (g), James Genus (b) und Justin Tyson (dr) in Szene setzt, fordert, fördert und formt, erzeugt im besten Fall, wie in „Phoelix“, elektroakustische Magie. Auch Stanley Clarke, Till Brönner und Pink Martini profitierten vom Ambiente des Renaissance-Arkadenhofs.

Rymden und das Hypnotic Brass Ensemble hallen als Jazz-Höhepunkte der Clubkonzerte im Bix nach. Artist in Residence Judith Hill überzeugte mit ihrem Blues- und Gospel-gespeisten R&B auf allen drei Bühnen. Temperamentvoll und spielfreudig präsentierte sich Arturo Sandoval beim Preisträgerkonzert der German Jazz Trophy. Mit 44.000 zahlenden Besuchern bei 58 Konzerten auf sieben Bühnen und einer 95-prozentigen Auslastung meldeten die Jazzopen einen neuen Rekord. Die kostenfreien Open-Stages sind, angesichts oft dreistelliger Ticketpreise auf der Schlossplatzbühne, ein begrüßenswert niedrigschwelliges Angebot und dürften bis zu 10.000 Menschen erreicht haben, schätzen die Veranstalter.