Jazztage

Leipzig

© Arne Reimer

Von Arne Reimer. Schon seit einigen Jahren präsentieren sich die Leipziger Jazztage jeweils unter einem Oberbegriff; einerseits, um das Festival für das Publikum griffiger zu machen, andererseits sicherlich, um es leichter vermarkten zu können. So sah man in diesem Jahr auf dem Plakat, dem Programmheft und auf den schnell ausverkauften T-Shirts die helle Umlaufbahn eines schwarzen Planeten mit einem schwebenden Z, das Branding des Jazzclubs Leipzig, welches hier umso mehr passte, denn es ging um Zukunftsmusik. Mit diesem schönen Begriff sollte die Offenheit des Jazz in jegliche Richtung verdeutlicht werden. Aber natürlich reflektiert er auch das Jubiläum der Mondlandung und den 30. Jahrestag des Mauerfalls. Aus diesem Anlass schrieb der amerikanische Schlagzeuger John Hollenbeck die gelungene Auftragskomposition „Inseparable. Unteilbar“ für die Leipziger Bigband Spielvereinigung Süd und den MDR Rundfunkchor zu einem Libretto der Lyrikerin Nora Gomringer. Die Spielvereinigung Süd spielte ebenso mit der Brigade Futur III zusammen, die das Publikum mit Humor und gekonnten Arrangements begeisterte.
Jazz hat schon oft die Mauern der unterschiedlichsten musikalischen Genres eingerissen und gibt sich dabei zukunftsorientiert. So waren vor allem die jungen Gruppen aus Berlin bei diesen 43. Leipziger Jazztagen auffällig. Liun + The Science Fiction Band mit Lucia Cadotsch und Wanja Slavin versuchten, zwischen elektrischem Synthie-Pop und Drum-Beats des mitreißenden Schlagzeugers Ludwig Wandinger neue Wege auszuloten. Einen Schritt weiter ging ein Trio mit dem Bandnamen Bobby Rausch, dessen elektrisch verstärktes Baritonsaxofon und Bassklarinette wie E-Gitarren klangen. Der immer lächelnde Schlagzeuger Jürgen Meyer sorgte für den heftigen Beat, mit dem diese instrumentale Mischung aus HipHop und Rock das Publikum zum Tanzen brachte, musikalisch blieb es jedoch uninteressant. Die sechsköpfige Formation Rocket Man trat im Einteiler mit Namensschild auf, was Assoziationen an Raumanzüge hervorrief. Mit einer Mischung aus Jazz, Dub, Elektronik und HipHop zeigten sie, wo sich der Jazz der Zukunft hinbewegen könnte. Auch hier tanzte das junge Publikum wieder, genau wie bei dem Revival von Jazzanova. Überhaupt sah man erfreulicherweise ein eher junges Publikum in Leipzig.

Jung ist auch die Sängerin Hannah Weiss, die vor nicht langer Zeit das Jazzinstitut der Musikhochschule München verlassen und zusammen mit ihren fünf Musikern den BMW Welt Young Artist Jazz Award erhalten hat – absolut verdient, wie ihre Stimme im Konzert unter Beweis stellte. Beim Ausflug der Jazztage ins All durfte natürlich das Sun Ra Arkestra nicht fehlen, denn „Space is the place“. Einfach verblüffend, wie das Original-Bandmitglied Marshall Allen mit seinen stolzen 95 Jahren (!) das Altsaxofon immer noch göttlich erklingen ließ. Mit einer Mischung aus Free- und Oldtime-Jazz erntete das Arkestra einen Sturm der Begeisterung. Abseits des ewigen Fokus auf die Hauptstadt wissen wir nun: Leipzig is the place!