Megaphon

Von Hans-Jürgen Linke

Sie wollen nicht hören und sehen, was es zu hören und zu sehen gibt, sondern nur das, wovon sie vorher schon wussten, dass sie es hören und sehen wollten. Darum beschäftigen sich sogenannte Populisten – die in Wahrheit keine Populisten sind, sondern Autokraten – gern mit den Medien. Trump zum Beispiel will am liebsten alles zum Schweigen bringen, was ihn nicht krault und lobt. Vehemente Angriffe der Brexiteers richten sich gegen jegliche kritische Presse und die ehrwürdige BBC. Zu Pressekonferenzen werden nur ausgewählte Journalisten geladen, im Fernsehen soll es nur noch Naturfilme geben. Ähnlich sehen es Orbán, Kaczyński, Gauland und viele andere. Und man denke nicht, dass diese Leute Interesse daran hätten, Jazz zu hören oder gar zu fördern. Kommen da düstere Zeiten auf uns zu?

Rente zum Beispiel, ein Gruselthema. Erstens, weil es alte Leute betrifft, und zweitens, weil „Rente“ so gut wie bedeutungsgleich ist mit „Altersarmut“. Zumindest das Letztere sollte nicht so bleiben, findet jeder fühlende Mensch, also auch Nikolaus Neuser, Vorsitzender der Deutschen Jazzunion. Der Referentenentwurf für das geplante Grundrenten-Gesetz setzt ein Mindesteinkommen von einem Drittel des Durchschnittseinkommens als Bemessungsgrenze für den Rentenzuschlag an. Das Durchschnittseinkommen liegt zurzeit bei 37.873 Euro pro Jahr, das durchschnittliche Einkommen eines Jazzmusikers aber liegt laut der von der Bundesregierung 2016 finanzierten Jazzstudie unter 12.500 €. Das wirft ein unangenehmes Licht auf die zu erwartenden Rentenzahlungen. Gemeinsam mit dem Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) und vielen anderen Verbänden fordert die Deutsche Jazzunion darum, die Bedingungen für die Grundrente an den Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse zu orientieren und auf maximal 10 Prozent des Durchschnittseinkommens festzusetzen.

Verdient hat Sylvie Courvoisier diesen Preis sowieso, und weil sie schon lange in Brooklyn lebt, war sie auch berechtigt, den United States Artists Award zu erhalten. Sie ist in diesem Jahr Kuratorin des Zürcher Taktlos Festivals (12.-14.3.), wo sie auch mehrfach zu hören sein wird. Außer ihr erhielten im Musik-Segment in diesem Jahr auch Anthony Braxton, die Flötistin und Komponistin Nicole Mitchell, die Pianistin und Komponistin Courtney Bryan, die Flötistin und Sängerin Nathalie Joachim und die Komponistin und Performerin Pamela Z einen USA Fellowship Award.

Igitt, Grünkohl. Aber Traditionen müssen wohl sein. Das Hilton Dresden jedenfalls sieht sich verpflichtet und lud Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft zum Grünkohlessen im Januar – immer auch ein Anlass, Grünkohlkönigin oder Grünkohlkönig zu küren. Dazu ward diesmal der Intendant der Dresdner Jazztage Kilian Forster ausersehen. Seine nachhaltige Wirkung in der Stadt und weit hinaus über ihre Mauern ist unbestritten. Möge seine Regentschaft von großem Erfolg begleitet sein!

Das Rentenalter hat Lucien Barbarin nicht mehr erreicht. Der Posaunist, 1956 in New Orleans geboren, blieb zeit seines Lebens dem traditionellen Jazz recht treu, spielte mit der Preservation Hall Brass Band, der Onward Brass Band seines Onkels Isidore Barbarin und arbeitete mit Wynton Marsalis. Er starb am 30.10. in New Orleans.

Van Morrison © PA Wire

Sagen wir jetzt Sir Van zu ihm. Denn seine Königliche Hoheit Prince Charles hat Van Morrison, „blue-eyed soul singer“ aus Belfast, zum Ritter befördert. Oder geschlagen?

Der Überblick, den das Musik-Informationszentrum des Deutschen Musikrates über das Musikleben in Deutschland lieferte, ist jetzt in einer englischen Ausgabe erschienen. In Musical Life in Germany beleuchten 22 Autoren und Autorinnen die Lage im Musikbetrieb von vielen Seiten. Statistiken, topografische Darstellungen sowie zahlreiche QR-Codes mit Verlinkungen auf weiterführende Quellen sorgen für detaillierte Einblicke. Erhältlich unter

www.miz.org

Kathrine Windfeld © Allan Høgholm

 

Kathrine Windfeld, Pianistin und Komponistin aus Dänemark, wurde in Skandinavien schon mehrfach mit Preisen bedacht, hat Projekte mit der Dänischen Radio Bigband, der hr-Bigband und der schwedischen Bohuslän Bigband realisiert und ist jetzt Trägerin des LetterOne Rising Stars Jazz Award.

Tony Momrelle © T.Momrelle

 

M wie Marc Marshall: Zum 13. Mal gibt es in Baden-Baden das Festival Mr. M’s Jazz Club. Vom 12.-14.3. werden in wechselnden Besetzungen Mr. M‘s All Stars um Frank Lauber, Marc Marshall selbst und Gäste die Bühne im Bénazet-Saal bespielen. Gäste sind Ack van Rooyen und der junge Mundharmonika-Virtuose Konstantin Reinfeld.

www.badenbadenevents.de

Jimmy Heath war ein Veteran. 1926 in Philadelphia geboren, spielte er mit Dizzy Gillespie, Benny Golson, John Coltrane, Milt Jackson und Miles Davis, und viele Stars des Jazz und Soul spielten seine Kompositionen. Auch schrieb er Suiten, Streichquartette und das sinfonische Werk Three Ears. Dreimal wurde er für den Grammy nominiert, 2011 erhielt er den Lifetime Achievement Award der Jazz Journalists Association. Im Januar starb er im Alter von 93 Jahren.

Vic Juris, geboren 1953 in Jersey City, New Jersey, kam schon früh durch seinen Gitarrenlehrer mit der Musik von Django Reinhardt, Jim Hall, Wes Montgomery und Barney Kessel in Berührung und ließ sich später auch anregen von Jimmy Smith, Jimi Hendrix und Larry Coryell. Er spielte mit Gary Peacock, Dave Liebman und Lee Konitz, unterrichtete an der Lehigh University in Bethlehem, Pennsylvania, und an der Rutgers University, New Jersey, und starb am 31.12.

Der Berliner Senat hat nach längerem Anlauf entschieden, in der Alten Münze eine Ankerinstitution für Jazz und improvisierte Musik entstehen zu lassen, die bundesweite und internationale Strahlkraft haben. Sie soll einem im Laufe eines dreijährigen Diskussionsprozesses erarbeiteten Konzept der Deutschen Jazzunion, der IG Jazz Berlin, des Jazzinstituts Darmstadt, Till Brönners sowie anderer Vertreter der Szene und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien folgen. Ein wenig allerdings lässt die Zukunft noch auf sich warten, denn erst muss das Gelände saniert werden. Frühestens 2023 kann der Bau beginnen.

Kein Dorf ohne Umland. Für beides, für The Dorf und für das Label Umland Records, bekam Jan Klare den Jazz-Ehrenpreis des Westdeutschen Rundfunks. Dass auch die Bigband der Friedensschule Münster ausgezeichnet wurde und dann noch die fantastischen Musiker und Musikerinnen Shannon Barnett und Bassem Hawar in Güterslohn einen WDR-Jazzpreis bekamen, fühlt sich prima an.

Eigentlich hielten wir (und nicht nur wir) Peter Schulze (und nicht nur ihn) schon lange für einen Ritter. Jetzt hat Harald V. von Norwegen ihn endlich zum Ritter geschlagen – oder schlägt man nicht mehr, sondern ernennt nur noch? Jedenfalls bekam Peter den Norwegischen Verdienstorden Erster Klasse und ist nun, hoffentlich schmerzlos, Ritter.

Claudio Roditi aus Rio de Janeiro, zerstörte, sagt man, seine erste Trompete im Alter von sechs, weil er nicht am ersten Tag schon so darauf spielen konnte, wie er sich das vorstellte. Er bekam weitere Chancen, zog 1970 in die USA, wo er zunächst von Herbie Mann engagiert wurde und später in Bands spielte, die lateinamerikanische Musik und Jazz integrierten. Auch in Europa war er sehr aktiv. Mehrfach wurde er für den Grammy nominiert. Im Januar starb er in South Orange, New Jersey.

FUMMQ

In Stuttgart werfen die 33. Theaterhaus Jazztage ihre Schatten voraus. Am 9.4. geht es los mit Ack van Rooyen, Philip Catherine und Martin Wind, dann kommen Rolf Kühn mit Quartett und Klaus Doldinger mit Passport. Auf diesem Niveau geht es weiter bis zum 13.4., mit Nils Landgren und Jan Lundgren, mit Adele Neuhauser, der Jazzrausch Bigband, mit – unter anderem – Nik Bärtsch, Martin Tingvall und Rabih Abou-Khalil.

www.theaterhaus.com

Kadri Voorand, Sängerin, Songwriterin und Pianistin, hat für ihr ACT-Debüt-Album In Duo with Mikhel Mälgand in ihrer Heimat Estland den Estonian Music Award bekommen. Außerdem ernannte der Estnische Rundfunk sie zur Musikerin des Jahres. Passt.

Für den Talentwettbewerb beim Riga Jazz Stage 2020 (2.-4.4.) gibt es über 30 Bewerber aus 17 Ländern. Die Konzerte mit den Wettbewerbsteilnehmern in den Kategorien „Jazz Vocals“ und „Jazz Drums“ werden begleitet vom litauischen Gitarristen Artūrs Kutepovs, dem Keyboarder Kristaps Vanadziņš, dem Bassisten Jānis Rubiks und dem Schlagzeuger Andris Buiķis. Der US-amerikanische Schlagzeuger und Sänger Jamison Ross wird Mitglied der Jury sein und in Riga einen Meisterkurs anbieten.

Das Akronym SOFIA steht für Support of Female Improvising Artists. Die nächste Veranstaltung, die sich diesem Vorhaben widmet, gibt es vom 11.-17.3. in der Züricher Hochschule der Künste.

www.sofia-musicnetwork.com

© Kinga Glyk

Beim neunten Internationalen Jazzfest Hamm (26.-29.3.) macht Candy Dulfer mit ihrer Band den Anfang. Am nächsten Tag kann man die Nighthawks hören sowie die polnische Bassistin Kinga Głyk mit ihrer aktuellen Band. Am letzten Abend folgen Jasper van’t Hof mit seinem Trio sowie die Band Rymden, in der sich Bugge Wesseltoft, Dan Berglund und Magnus Öström zusammengefunden haben. Nicht zu vergessen lokale Größen wie Andy Düdder und seine Bigband. Das detaillierte Programm gibt es auf der Website des Kulturamts. www.hamm.de/kultur

Mira Lu Kovacs

Der Jazz in E (wie Eberswalde) widmet sich diesmal dem Thema „Stein. Eisen“ mit Klangkörpern aus Stein, einer Hommage an die Arbeiterklasse, vielleicht auch Songs über Lava. Mit unter anderem Simon Berz, Klima Kalima, Courtois/Fincker/Erdmann, dem Stahlquartett, Été Large und Nate Wooley Columbia Icefield. Vom 20.-23.5. Mehr darüber Anfang April unter

www.mescal.de

In Dortmund gibt es eine neue Institution der musikalischen Niveaupflege: Mitte Februar wurde dort unter tätiger Mithilfe zahlreicher Kulturinstitutionen im Reinoldihaus, Reinoldistr. 7-9, das Vokalmusikzentrum NRW eröffnet.

Das beste improvisierte Solo habe Randy Brecker vor dem Hintergrund der NDR Bigband geliefert, befand die Grammy-Jury 2020. Weitere Jazz-Grammys gingen an Esperanza Spalding (Best Vocal Jazz Album), Brad Mehldau (Best Jazz Instrumental Album), die Bryan Lynch Big Band (Best Large Jazz Ensemble Album), Jacob Collier (Best Arrangement, Instruments and Vocals); weitere Grammys mit Jazz-Bezug gingen an Terence Blanchard und Angélique Kidjo.

Der 37. Deutsche Rock & Pop Preis ging an das Duo Autschbach/Saygili. Peter Autschbach, der auch schon mit Barbara Dennerlein und Ralf Illenberger gearbeitet hat, wurde zudem mit einem Sonderpreis als bester Gitarrist ausgezeichnet.

Mit dem Musikautorenpreis ehrt die GEMA jedes Jahr Musikschaffende für ihre Texte, Songs und Kompositionen. Unter den Nominierten sind in diesem Jahr Ulrike Haage, Thees Uhlmann, Heiner Goebbels, Antje Vowinckel, Volker Bertelmann und Miland Petrozza. Die Verleihung findet am 12.3. in Berlin statt.

Yellowjackets

John Lee Hooker jr. kommt am 1.4. in den Bayerischen Hof in München. In der Reihe „New York im Bayerischen Hof“ ist am 28.4. das Marc Copland Trio zu hören, am 14.5. kommt die Band Rymden (Wesseltoft/Berglund/Öström), am 25.5. steht Jasmin Tabatabai mit dem David Klein Quartett auf der Bühne, und am 26.5. folgen – wieder in der New-York-Reihe – die Yellowjackets.

www.bayerischerhof.de

Die beiden Jazz-Jurys beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik haben im ersten Quartal 2020 das Album Gris Gris von Shake Stew und Jacky Terrassons 53 ausgezeichnet.

Laila Biali

Für die Showcase-Auftritte auf der jazzahead! haben sich besonders viele Großformationen beworben. In insgesamt 40 Kurzkonzerten präsentieren sich Musiker und Musikerinnen auf der größten Jazz-Messe des Planeten (und damit wahrscheinlich des Universums) in Bremen vom 23.-26.4. allen interessierten Messebesuchern. Von den ausgewählten 40 Bands sind, wie die Veranstalter verraten, 21 weiblich geprägt, acht Showcases sind dem Partnerland Kanada vorbehalten, 16 Bands sind auf dem European Jazz Meeting vertreten, je acht Bands gestalten die German Jazz Expo und die Overseas Night. Näheres auf

www.jazzahead.de

Der in Trier und in Köln lebende Pianist, Komponist und Labelchef Georg Ruby hat im vergangenen Jahr das Album Village Zone (JazzHausMusik) veröffentlicht, das jetzt vom Jazz-Portal All About Jazz zu Recht unter die zwölf besten internationalen Jazz-Produktionen des Jahres 2019 gewählt wurde. Beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik stand Rubys Album im 3. Quartal 2019 in der Longlist. Große Glückwünsche!

Hindi Yahra © Hassan Hajjaj

 

Das ElbjazzFestival bespielt wieder die halbe Stadt und drei Viertel des Hamburger Hafens – mit Gruppen wie The Notwist, dem Moka Efti Orchestra, Ron Carter und dem Golden Striker Trio, dem Golden Dawn Arkestra, Wolfgang Haffner und seiner Band, Mathias Eick und dem Norwegian Wind Ensemble und zahlreichen – wenn nicht fast schon zahllosen – anderen Acts. Archie Shepp kommt auch vorbei, und der deutsche Jazz-Geiger Helmut Zacharias wird für seine Hamburger Jahre geehrt.

www.elbjazz.de

Mariá Portugal

Und weil auch bald wieder Pfingsten ist, wurde in Moers bekanntgegeben, wer dort Improviser in Residence ist. Es handelt sich um (Trommelwirbel! Tusch!) die Sängerin, Schlagzeugerin und Komponistin Mariá Portugal, die aus São Paolo kommt und zurzeit in Berlin lebt. Und das ist beileibe nicht das einzige spannende Projekt, das Moers-Besucher erwartet. Mehr unter

www.moers-festival.de

Andromeda © Christoph Soeder

Am 17.3. geht es auch in Burghausen im südöstlichen Eck wieder in die Vollen. Da stellen sich fünf Finalisten ungedopt dem Wettbewerb um den Burghauser Europäischen Nachwuchs-Jazzpreis 2020. In der Wackerhalle hört man am folgenden Abend die Preisträger sowie das Michel Camilo Quartet mit den New Cool Collective Horns sowie Bill Evans und die Spy Killers mit Wolfgang Haffner. Am Freitag unter anderem Snarky Puppy, am Samstag gibt es einen elektrischen Blues-Nachmittag und im Stadtsaal am Abend das Julie Campiche Quartet, den Andromeda Mega Express und noch so manches.

www.b-jazz.com/jazzwoche-2020

Die 1970er Jahre sind längst Geschichte – und Root 70 ist auch nicht mehr so ganz jung, sondern mittlerweile eine der beständigsten Bands der europäischen Szene. Sie feiert ihr 20-jähriges Bestehen mit der üppigen Anniversary-Box und einer Konzerttournee, die es in sich hat.

http://nilswogram.com

Moondog aka Louis Thomas Hardin, geboren in Marysville, Kansas, verlor mit 16 bei einer selbst herbeigeführten Explosion das Augenlicht und wurde Komponist. Er war in den 1940er Jahren exzentrischer, wohlbekannter Straßenkünstler in Manhattan, erwarb sich die Hochachtung seriöser Künstler, arbeitete mit Charles Mingus und Allen Ginsberg und spielte Langspielplatten für Prestige, Epic und CBS ein. Seit den frühen 1970er Jahren lebte er in Deutschland, hatte Auftritte auf der Documenta und in Moers und starb 1999 in Münster. Ausgehend von seinen Werken haben der Komponist Thies Mynther, der Theatermacher Veit Sprenger und der Bildende Künstler Tobias Euler in der Kunsthalle Münster eine interventionistische Musikmaschine namens Moon Machine geschaffen, die sich tentakelhaft mit den Räumlichkeiten der Kunsthalle verbindet, während sich dort bis zum 19.4. eine Ausstellung dem Leben und Werk Moondogs widmet.

www.stadt-muenster.de/kunsthalle/ausstellungen.html