Joshua Redman

Eine runde Sache

Nach 26 Jahren hat sich ein Quartett von Joshua Redman wieder zusammengefunden. Heute gleicht es einer All-Star-Besetzung. Was hat sich musikalisch verändert?

Von Arne Reimer

Drei Tage im März 1994. Joshua Redman nimmt mit seinem Quartett die CD MoodSwing auf. Er ist 25 Jahre alt. Die Musik klingt frisch, ist voller Ideen, Energie und Emotionen, intelligent und gleichzeitig zugänglich. Redman gelingt mit der Einspielung ein kleines Meisterwerk. Die CD ist sehr erfolgreich und die Presse schreibt Lobeshymnen. 2009 wird sie sogar als Schallplatte wiederveröffentlicht.

Das Quartett hatte Redman aus jungen Talenten in seinem Umfeld zusammengestellt, deren Namen sich aus heutiger Sicht wie eine All-Star-Besetzung lesen: Brad Mehldau am Piano, Christian McBride am Bass und Brian Blade am Schlagzeug. Nach 26 Jahren haben sich nun alle wieder getroffen und im Studio das Album Round Again eingespielt. Darauf sind sieben Kompositionen, drei von Redman, zwei von Mehldau und jeweils eine von McBride und Blade.

Arne Reimer: Wie geht es dir in Zeiten der Corona-Krise?

Joshua Redman: Mir und meiner Familie geht es gut. Wir haben zwei Kinder, deren Schulunterricht jetzt online stattfindet. Dort treffen sie auch ihre Freunde. Sie sitzen viel am Computer, was nicht so gut ist, aber was soll man machen? Hier in San Francisco waren die Einschränkungen sehr streng. Unsere Regierung ist ganz offensichtlich eine Katastrophe.

Arne Reimer: Was hat sich für dich verändert?

Joshua Redman: Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich in einer glücklichen Lage bin. Ich habe ein Dach überm Kopf, wir haben genug zu essen und leben von unseren Ersparnissen. Als ich Anfang März mein Haus verließ, um nach Europa zu fliegen, kam aus Genf die Nachricht, dass das Konzert abgesagt worden war. Innerhalb von 48 Stunden war die ganze Tour abgesagt. Aber ich sehe in dieser Krise auch etwas Positives. Es ist gut, die Routine des Alltags hinter sich zu lassen und alles etwas langsamer anzugehen. Dieser Akt des Social Distancing hat mich nicht betroffen, da ich sowieso nicht der Typ bin, der sich viel mit Freunden trifft. Aber mir ist deutlich geworden, dass mein Bedürfnis nach sozialer Nähe und Freundschaft einfach durch die Musik stattfindet. Musik ist mein soziales Leben, sei es auf der Bühne, beim Improvisieren oder wenn ich den anderen zuhöre. Es geht darum, zusammen etwas zu machen. Jazz ist eine hochgradig soziale Kunst.

Arne Reimer: Wer hatte die Idee, das Quartett von MoodSwing von 1994 wiederzubeleben?

Joshua Redman: Mir war schon immer klar, dass diese Band etwas Besonderes war. Wir spielten nur eineinhalb Jahre zusammen, danach gründeten sie alle ihre eigenen Gruppen. Aber ich habe im Laufe der Jahre mit jedem von ihnen in anderen Konstellationen zusammengespielt. Brian spielt ungefähr auf der Hälfte meiner CDs, und mit Brad habe ich viel im Duo gearbeitet. Wir waren also immer in Kontakt. Wir alle wollten wieder als Quartett spielen, aber waren zu sehr mit unseren eigenen Projekten beschäftigt. Irgendwann haben es unsere Manager dann geschafft, alle unsere Pläne abzugleichen. Wir haben geprobt, ein paar Konzerte gespielt und sind für die Aufnahme ins Studio gegangen.

Arne Reimer: Wie hat sich die Musik verändert?

Joshua Redman: Wir sind alle älter geworden [lacht]. Und hoffentlich sind wir alle etwas weiser geworden. Alle haben ihr Leben gelebt, und ich denke, diese Erfahrung hört man in der Musik. Jeder von uns ist reifer und hat seinen Stil und seinen Sound gefunden. Unsere Musik klingt jetzt subtiler, sie ist feiner und reichhaltig an Details und Nuancen. Unter uns Musikern gibt es mehr Integrität, und wir sind alle geduldiger geworden. Ab dem Moment, wo wir wieder zusammenspielten, war dieses starke Gefühl der direkten Beziehung zueinander sofort wieder da. Dieser kollektive Spirit und unser gemeinsamer Sound existierten noch, als ob es erst gestern gewesen wäre. Wir alle haben ein gutes Gespür für Swing und Groove. Die Gruppe hat eine große Flexibilität und Elastizität in ihrer Musik, es klingt wie eine musikalische Unterhaltung. Da sind wir also wieder: right back round again [lacht].

Arne Reimer: Gibt es eine Komposition, die am ehesten an die alten Titel anknüpft?

Joshua Redman: Es gibt da Christians „Floppy Diss“, einen Blues mit coolen abgewandelten Harmonien und einem netten kantigen Monk-Gefühl. „Moe Honk“ von Brad ist eine sehr moderne Komposition mit einem guten Swing-Feeling, die strukturell komplexer ist als das, was wir damals in den 90er Jahren gespielt haben. Das Titelstück „Right Back Round Again“ habe ich speziell für diese Gruppe geschrieben: eine simple Melodie, mit einer wiederkehrenden Phrase. Und dann ist da noch mein „Silly Little Love Song“, den ich bereits in den 90er Jahren komponiert hatte, und der zeigt, dass wir auch kleine schöne Melodien wie im Pop mögen.

Arne Reimer: Hörst du dir deine alten Aufnahmen eigentlich an?

Joshua Redman: Nein, ich schaue nicht zurück und analysiere nicht, was sich verändert hat, denn ich lebe in der Gegenwart. Ich möchte die bestmögliche Musik für den Moment machen, in dem ich lebe. Ich will einfach nur im Hier und Jetzt Musik mit Brad, Christian und Brian spielen.

Aktuelles Album:

Joshua Redman, Brad Mehldau, Christian McBride, Brian Blade: Round Again (Nonesuch / Warner, VÖ: 10.7.)