Keces E 40

Klanggourmet aus Taiwan

Heute mal ein schnuckeliger Verstärker aus Taiwan, dem Weltmarktführerland für Fahrradrahmen. Ein solches Wissen habe ich noch als Guthaben in meinem Langzeitgedächtnis und kann es kostenlos verschenken.

Von Peter Steinfadt

Ansonsten sieht’s bei mir mau aus mit Taiwan. Also tue ich es Max Goldts Band Foyer des Arts gleich, die 1982 eine Stadtrundfahrt musikalisch moderierte, wobei die Fahrgäste im Refrain skandierten: „Das ist ein netter junger Mann, was der sich alles merken kann. Es gibt ja so viel Wissenswertes über Erlangen.“ Ergo führe auch ich mit meinem neu angelesenen Wissen in der Welt der HiFi-Hörenswürdigkeiten herum. 

Öffnen wir gleich die erste Sehenswürdigkeit: die Haube des Verstärkers Keces E 40 aus dem kleinen Inselstaat. Der große Ringkerntrafo im gut verarbeiteten Gehäuse mit perfekten Spaltmaßen überrascht und lässt einiges erwarten. Der kleine Vollverstärker mit den Maßen 22 x 22 cm bei einer Höhe von nur 7 cm spricht das analoge und das digitale Lager an. Zwei Line-Eingänge, ein sehr guter Phonokanal für den Anschluss eines Plattenspielers und ein interner Analog-/Digital-Wandler mit 48 Kilohertz bei 16 Bit sowie ein Kopfhörerverstärker und ein Pre-Out zum Einschleifen z.B. eines Subwoofers sind hinlänglich ausreichende Anschlussmöglichkeiten. Die Leistung von 2 x 50 Watt bei 8 Ohm bzw. 2 x 65 Watt bei 4 Ohm reicht auf jeden Fall für die allermeisten Lautsprecherkonzepte. Einschalten über das motorisierte analoge Poti und die Infrarotfernbedienung – und los geht sie, die kleine musikalische Rundreise.

John Zorn, Altmeister des kreativen Lärms, kann mit seinem Projekt The Dreamers auch ganz anders. Ein Album der Band ist Pellucidar (Tzadik, 2015) mit u.a. Marc Ribot an der Gitarre und dem Keyboarder Jamie Saft. Der Keces löst die seidig-fließenden Klänge über den Analogeingang bestens auf. Sehr beachtenswert ist die sich von den Boxen lösende, offene Bühnendarstellung, die weiträumig und ortungsscharf das Soundgeschehen transportiert. Bei dem Titel „Atlantis“ vermählen sich Surf-Gitarre und psychedelische Keyboardsounds mit einem Percussion-Teppich. Die Musik blubbert so herrlich vor sich hin – mit einem sehr schönen und differenzierten, aber nicht analytischen Hochtonbereich –, dass sie eigentlich nie enden dürfte. Der Mikrokosmos der einfachen, aber dennoch vielschichtigen Klanggebilde und die Darstellung der durch die Stücke geisternden subtilen Sound-Fitzelchen zeugen von der Feingeistigkeit des E 40. Hier ist keine überanalytische und bassstarke Maschine am Werk, hier musiziert ein kleiner Klanggourmet mit Übersicht über das gesamte Musikgeschehen, der überdimensionierten Stromversorgung sei Dank.

Die in Paris geborene, in Wien aufgewachsene und auf Ibiza lebende Saxofonistin und Komponistin Muriel Grossmann verkörpert wie kaum eine andere die pan-kontinentalen Energien des zeitgenössischen europäischen Jazz. Hier finden sich Anleihen bei den magischen Dreien – Coltrane, Dolphy, Sanders –, um daraus eine eigene magische Handschrift zu entwickeln. Anspruchsvoll, aber unverkopft und goutierbar. Gehört wurde die neue Schallplatte Elevation (Jazzman, 2020), die eine ganz vorzügliche Pressqualität besitzt, um den integrierten Phonoteil des Verstärkers zu testen. Auch über diesen Kanal zeigen sich die klanglichen Grundzüge des Keces. Authentisch, ermüdungsfrei und körperhaft, aber nie übertrieben spielen Muriel Grossmann und ihre Band mit einem guten Dynamikumfang im heimischen Wohnzimmer. Das macht Lust auf mehr und mehr Musik und verleitet dazu, viele Stunden lang die heimische Sammlung neu zu entdecken.

Fazit: Für aufgerufene schlanke 598 Euro ist das Gerät eine Topempfehlung und spielt weit über sein Preisschild hinaus. Die kleine Spaßmaschine aus Fernost schafft mühelos den Spagat zwischen Ernst und Spaß, dafür kann man sie lieben. In Taiwan werden also nicht nur Top-Fahrräder von Weltniveau hergestellt, auch auf HiFi-Maschinen verstehen sie sich. Ich hoffe, Sie haben die kleine HiFi-Rundreise genossen und schenken dem Keces E 40 bei Gelegenheit ein Ohr. Er könnte auch Sie verzaubern. Und sollten Sie (aus welchen Gründen auch immer) mal Erlangen besuchen, sollten Sie im Steinbach Bräu mal das süffige Storchenbier probieren.

Website:

www.kecesaudio.de