Simon Below Quartet
Vom Wasser ins Universum
Als Gewinner des Grand Prix du Jury beim internationalen Jazzfestival Avignon konnte das Simon Below Quartet sein zweites Album im bekannten Studio La Buissonne aufnehmen. Es zeigt den Kölner Pianisten mit einem logischen Schritt vom Mikro- zum Makrokosmos.
Von Harry Schmidt
„Ich wollte noch freier werden in den Stücken“, beschreibt Simon Below den Ansatz für das zweite Album seines Quartetts. In der Tat wirken die neun Tracks auf Elements of Space, das nun bei Traumton erscheint, ungemein luftig und ungezwungen. Aufgenommen im bekannten La Buissonne Studio im südfranzösischen Pernes les Fontaines, lässt der in Xanten aufgewachsene, in Köln lebende Pianist seinen Mitstreitern darauf hörbar großen Freiraum. Zwar geht die Mehrheit seiner Kompositionen – mit Ausnahme von John Taylors „Windfall“ stammen alle Stücke aus Belows Feder – über Lead Sheets hinaus, dennoch ist dem 25-Jährigen der Faktor der Improvisation ausgesprochen wichtig: „Meist lasse ich die Jungs erst mal spielen, was sie wollen, warte ab, was mir die Band anbietet“, meint Below zu seiner Rolle als Leader. „Es geht darum, sich zu finden – dann entstehen magische Momente.“ Mit Kritik halte er sich im Proberaum indes zurück, denn die zerstöre die kreative Hochstimmung. „Ich vertraue darauf, dass diese magischen Momente dann automatisch passieren.“
Besonders auffällig ist die intensive Kommunikation zwischen Below und Altsaxofonist Fabian Dudek, wobei der spezifische Reiz ihrer Dialoge in der Kontrastbildung besteht: Während der Saxofonist in Sachen lyrischer Tonbildung und expressiver Phrasierung an John Coltrane Maß zu nehmen scheint, besetzt der Pianist häufig den introspektiven Gegenpol. Gerade diese Gegensätzlichkeit stelle eine gegenseitige Herausforderung dar, die er ganz bewusst bei der Besetzung seines 2014 gegründeten Quartetts angesteuert habe und die elementar für den Bandsound sei, betont Below. Die unterschiedlichen Temperamente moderieren sich darin wechselseitig.
Wie Dudek, der 2016 mit seiner Band The WhereMe?! das hoch dotierte Jazzstipendium der Stadt Frankfurt erhielt und 2017 als Solist beim Jungen Deutschen Jazzpreis Osnabrück ausgezeichnet wurde, hat Below auch den Schlagzeuger Jan Philipp und den Bassisten Yannik Tiemann während der gemeinsamen Studienzeit an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln kennengelernt. „Jan kann sich sehr fein einfühlen, unterstützt die Musik, weil er immer die Gesamtdramaturgie im Blick hat. Auch in Rubato-Passagen weiß er, klangvolle Akzente zu setzen“, fasst Below die Qualitäten seines Drummers zusammen. „Und Yannik ist als Verbindung immens wichtig, weil er dafür sorgt, dass meine Harmonien gut klingen. Zudem stellt er geschmackvoll Bezüge zu meinen Kompositionen her und sorgt für Formbewusstsein in der Band.“
Das 2018 erschienene Debüt kommt ihm im Rückblick etwas zu glatt vor. „Ich habe noch nicht so offen komponiert – und es war auch sehr viel Respekt vor der Aufnahme im Spiel.“ Thematisch war Wailing Wind’s Story von meteorologischen Phänomenen geprägt, etwa auf- und ablandigen Küstenwinden und deren Spiel auf der Oberfläche des Wassers. Ein Fokus, der auch auf Elements of Space erkennbar bleibt, aber mit Titeln wie „Hymn to the Stars“, das in Form zweier ganz unterschiedlicher Takes seinen Weg auf das Album gefunden hat, oder „Io“ in Richtung Weltraum und Astrophysik erweitert zu sein scheint. „Wasser finde ich hinsichtlich der Mikrostrukturen interessant – die pure Schönheit von Naturphänomenen. Mit dem zweiten Album wollte ich einen logischen Schritt weiter gehen. Außerdem finde ich es reizvoll, dass es da draußen Dinge gibt, die immer ein Rätsel für uns bleiben werden“, so Below.
Bei der Entscheidung für diese ästhetisch motivierte Inspirationsquelle handelt es sich also auch um einen Schritt vom Mikro- zum Makrokosmos. Damit korrespondiert die Tatsache, dass den Pausen in der Musik des Quartetts – in den Worten Belows „Kammerjazz mit Push“– nahezu die gleiche Bedeutung zukommt wie den gespielten Passagen. Schließlich gilt es auch im interstellaren Universum viele Lichtjahre luftleeren Raums zu durchqueren, bevor die nächste Explosion einer Supernova erreicht wird.
Als musikalische Einflüsse auf Elements of Space nennt der Pianist vor allem Kit Downes, aber auch Sylvie Courvoisier. Die Musik von Keith Jarrett und Bill Evans begleite ihn ohnehin bereits seit seiner frühen Jugend. Die pandemiebedingte Auszeit hat er genutzt, um seine jüngst entdeckte Leidenschaft für Synthesizer auszuleben. Ein Moog-Nachbau von Behringer und die von vielen elektronischen Musikern genutzte Software Ableton zählen zu den neusten Errungenschaften im Hause Below. Aphex Twin ist einer der Producer aus der elektronischen Szene, die ihn inspirieren. Ist also in näherer oder fernerer Zukunft auch mit dem Einsatz solcher Klangerzeuger im Quartett, vielleicht sogar mit einem Synthesizer-Soloalbum von Simon Below zu rechnen? „Ja, da hab ich große Lust drauf – das ist auf jeden Fall der Plan!“
Aktuelles Album:
Simon Below Quartet: Elements of Space (Traumton / Indigo)