LetterOne Rising Stars Jazz Award

Sponsoring für den Nachwuchs

Ende Oktober ging die Bewerbungsfrist für die 5. Staffel des LetterOne Rising Stars Jazz Awards zu Ende. In den vergangenen Jahren konnte das Jazzpublikum bereits Immanuel Wilkins, Giveton Gelin, Sasha Berliner (USA) und in Europa Tom Ibarra, Adrien Brandeis, Kathrine Windfeld und Itamar Borochov auf ihren internationalen Tourneen kennenlernen.

Von Jan Kobrzinowski

Burkhard Hopper © Sarah McKenzie

Die Rising-Star-Historie geht zurück ins Jahr 1995. Gründer Burkhard Hopper, damals Agent von u.a. Ray Brown, Lalo Schifrin, Dee Dee Bridgewater und Monty Alexander, war gerade im Begriff, eine Tournee für einen aufstrebenden Star namens Diana Krall zu organisieren. Dass dabei gerade mal drei Konzerte herauskamen, gab ihm zu denken. „Es gelang mir“, erzählt Hopper nicht ohne Stolz, „international 17 Clubs davon zu überzeugen, dass es sinnvoll ist, uns ein Budget zu geben, um neue, bis dahin unbekannte Künstler*innen auf Tour zu schicken. Die Serie sollte dann für neun Jahre gut funktionieren. Ich konnte so 63 Künstler, darunter Brad Mehldau, Nicholas Payton, Esbjörn Svensson, Jane Monheit, Kurt Elling, einige damals neu im Geschäft, auf Tour schicken. Es nahm vielen die erste Hürde, und vielleicht hätte das Publikum in Europa einige von ihnen ansonsten nie kennengelernt.“

Rising Star Award

Die Qualität der fortan Rising Stars genannten Serie sprach für sich, und die Venues füllten sich. Das Ganze endete vorläufig im Jahr 2003, als Hopper sich vor allem der Vertretung von e.s.t. und anderen zuwandte. Heute führt er die Geschäfte der Air Artist Agency in London. Dort bekam er dann Gelegenheit, den nächsten Deal, diesmal einen echt kapitalen, einzufädeln. Das kam folgendermaßen: Hoppers Partner, der Jamie Cullum managte, wurde bei einem privaten Auftritt Cullums im Haus von Lord Mervyn Davies of Abersoch auf einen gewissen Michail Maratowitsch Fridman, seines Zeichens Chairman-Kollege des Lords, aufmerksam gemacht.

Kathrine Windfeld & Mikhail Fridman

Fridman ist gebürtiger Ukrainer, der als Selfmade-Man begonnen hat und den man heute als Oligarchen bezeichnen kann. Er gilt als einer der reichsten und einflussreichsten Männer nicht nur Russlands. So steht er dem Firmenkonglomerat LetterOne sowie der Alfa Group, einer der größten privaten Industrie- und Finanzkonzerne Russlands vor. Es wurde ein Treffen organisiert, und so lernte Hopper Fridman als leidenschaftlichen Jazzfan kennen, der sehr gerne in die Nachwuchsförderung dieser Musik investieren wollte. Zuvor hatte er schon sein eigenes Festival im ukrainischen Lviv gegründet, das zwischenzeitlich Alfa Jazz Fest, heute Leopolis Festival heißt.

„Wir schlugen ihm vor, unsere Rising Stars fortan als jährlichen Award zu organisieren“, erzählt Hopper. Die Gewinner sollten allerdings nicht durch die Clubs tingeln, sondern gleich eine Tour durch die wichtigsten Festivals Europas und der ganzen Welt bekommen. „Fridman fand das gut, und seitdem sind die europäischen Gewinner auf sieben großen Festivals in Europa unterwegs: Stuttgart, Nizza, Vitoria, Sussex (Love Supreme), Kongsberg, Umbrien und Lviv. In den USA haben wir erst 2018, aber gleich mit zehn Festivals begonnen. Zwei bis drei Wochen lang auf solche Touren zu gehen, ändert die Perspektive der Künstler noch einmal richtig.“ Michail Fridman selbst zeigte sich von Anfang an sehr interessiert an den Rising Stars und lässt es sich nicht nehmen, sie alle zu treffen – und wenn nötig mit dem eigenen Flugzeug zu den Festivals und Festakten einzufliegen.

Ausgewählt wird ein neuer Rising Star jeweils von einer schwergewichtigen Jury. In der sitzen u.a. Journalist*innen vom Londoner GUARDIAN und Radio France – sowie auch Fridman selbst. Geleitet wird die Jury jedes Jahr von namhaften Künstler*innen, bisher waren das Jamie Cullum, Dee Dee Bridgewater, George Benson und Terri Lyne Carrington. Wer heuer den Jury-Vorsitz haben wird, durfte wegen noch schwebender Verhandlungen derzeit noch nicht verraten werden. Anerkennung fand das Projekt auch von renommierten Persönlichkeiten des Jazz wie Quincy Jones, Gregory Porter, Wayne Shorter, sowie Institutionen wie dem Lincoln Center und Berklee College.

Niemanden, auch nicht die ansonsten kritische Terri Lyne Carrington, scheint es zu stören, von einem ukrainisch-israelischen Oligarchen finanziert zu werden. LetterOne besteht aus international tätigen Investment- und Beteiligungsgesellschaften mit Sitz in Luxemburg. Wellen schlug 2015, dass Energie-Konzern RWE seine komplette Tochter DEA an Michail Fridman verscherbelte. Ja, wir leben im neoliberalen Kapitalismus: Die einen sehen in einem Mann wie ihm einen zuverlässigen Partner und verantwortungsvollen Investor, anderen gibt er Anlass zu politischen, ökologischen und anderen Bedenken. Burkhard Hopper: „Es geht um die Musik und nicht um andere Geschäfte. Natürlich beobachte ich wie jeder andere auch, was so alles geschrieben wird, muss aber sagen, dass Fridman trotz aller Kritik immer recht gut dasteht. Sicher kann eine Firma, die Jazz unterstützt, dadurch auch ihr Image aufpolieren. LetterOne gehört z.B. ein großes Repertoire von Dingen, von Reformhäusern über Supermarktketten in Spanien und Russland bis zu Energiekonzernen in Deutschland und Norwegen. Letztendlich muss man mit Kritik daran leben können. Am Ende wird das, was sie uns geben, für positive Zwecke genutzt. Es kommt dem Jazz zugute. Ich habe in den letzten 30 Jahren immer wieder nach einem solchen Sponsor gesucht. Ich denke, es hat immer wieder Investmentbanken und ähnliche Unterstützer für Jazzfestivals etc. gegeben.“

Website:

www.l1risingstarsjazzaward.com