Morgenland Campus

JazzHall, Hamburg

© Liudmila Jeremies

© Liudmila Jeremies

Von Ralf Döring. Das Morgenland Festival Osnabrück versteht sich nicht nur als Forum für die Musik des Nahen und Mittleren Ostens. Ein wesentliches Augenmerk legt Festivalleiter Michael Dreyer darauf, unterschiedliche Kulturen zusammenzubringen und zu verfolgen, wie sich Ost und West gegenseitig künstlerisch befruchten. Legendär sind da Duo-Abende mit dem Serpent- und Tuba-Virtuosen Michel Godard aus Frankreich und dem Meister des gesungenen Mughams, Alim Qasimov aus Aserbaidschan, oder die Duo-Abende der Pianisten Florian Weber und Salman Gambarov (ebenfalls aus Aserbaidschan).

© Liudmila Jeremies

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Damit solche Bühnenereignisse nicht nur in den Sphären der erfahrenen Profis schweben, hat das Festival ein Format entwickelt, um dem Nachwuchs Einblicke in das Miteinander der Musikkulturen zu gewähren. „Morgenland Campus“ nennt es sich, und wie hoch dieser Campus qualitativ aufgehängt ist, kann man daran ermessen, dass die profiliertesten Künstler*innen des Festivals die Workshops leiten – und dass sie nun erstmals in der nagelneuen JazzHall der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg stattgefunden haben. Das hat maßgeblich mit Wolf Kerschek zu tun, dem Leiter der Jazzabteilung der Hochschule. Er kennt das Morgenland Festival seit Jahren und gastiert regelmäßig selbst dort, arrangiert Stücke für das Osnabrücker Symphonieorchester und die NDR Big Band und leitet diese Klangkörper dann auch. Ihm war nun sehr daran gelegen, die Meisterklassen-Workshops an seine Hochschule zu holen. Sein Ansatz: Was hilft alles Theoretisieren über nah- oder mittelöstliche Tonskalen und komplexe Rhythmen? Die jungen Leute müssen die fremde Musik spielen, um sie zu begreifen und nutzen zu können.

Damit rennt er Türen ein, die längst weit offen sind. Der eine Klavierstudent beschäftigt sich seit Jahren mit persischer Musik und möchte der Sache gewissenhafter auf den Grund gehen: Wie zum Beispiel geht man am Klavier mit den Vierteltönen der orientalischen Musik um, die auf dem Instrument definitiv nicht existieren. Eine junge Iranerin hat in Hannover Geige studiert und ist in Deutschland zur traditionellen persischen Stehgeige Kamanche gekommen – hier hat sie die Gelegenheit, die Meister live zu hören und mit ihnen die Kenntnisse am traditionellen Instrument ihrer Heimat zu vertiefen.

Am exotischsten nimmt sich in diesem Zusammenhang Milena Hoge aus: Sie studiert Jazz-Harfe auf Bachelor – „vermutlich bin ich die einzige in Deutschland“, sagt sie. Noch verblüffender ist ihr Umgang mit der östlichen Musik: Ihr spezielles Instrument erlaubt es ihr, die Saiten während des Spiels umzustimmen und so die Vierteltöne arabischer Skalen spielbar zu machen. Angeleitet von der Sängerin Dima Orsho und dem holländischen Bassisten Tony Overwater, macht sie in ihrer Band gehörig Dampf. Wer hätte das der Harfe zugetraut?

Überhaupt funktioniert ziemlich gut, was die Studierenden in ihren vier Bands eine Woche lang erarbeitet haben. Das demonstrieren die knapp dreißig Studierenden aus ganz Deutschland beim Abschlusskonzert in der JazzHall. Der Drive der Bands, der sichere Umgang mit den Rhythmen und den tonalen Herausforderungen, der lebendige Geist, der den Campus hörbar prägt – das zeigt, welche Zukunft dieses Format hat. Nächstes Jahr findet der Morgenland Campus im italienischen Cremona statt.