Lindemann Audio
Alukästchen mit Lindenblatt
Zwanzig Jahre lang beherrschten die billig herzustellenden CDs den Tonträgermarkt fast nach Belieben. Seit ein paar Jahren dominieren mp3-Downloads und Streamingdienste mit ihren binären Einsen und Nullen den Massenmarkt. Wer‘s heutzutage doch lieber wieder physisch mag, greift zur Schallplatte. Vinyl lebt, und die Unterhaltungselektronik hat darauf reagiert.
Von Peter Steinfadt
So gibt es nun auch wieder moderne Vollverstärker mit integrierter Phonoplatine. Aber auch wenn diese mit – manchmal sogar recht brauchbaren – Phonovorstufen ausgestattet werden, so gilt für anspruchsvolle Plattenhörer nach wie vor der externe Phono-Vorverstärker als das Maß der Dinge. Dessen Job ist es, die Informationen aus der Rille zu entzerren und winzige und winzigste Signale in verwertbaren Strom zu transformieren. Tonabnehmersysteme mit Moving Magnet sind hier mit 1 bis 5 Millivolt vergleichsweise laut. Moving-Coil-Systeme hingegen liefern nur 0,1 bis 0,5 Millivolt an die Buchsen. Ein Hauch, ein Flüstern.
Hören wir uns mal einen echten Spezialisten an, den Limetree Phono II von Lindemann Audio. Der Hersteller vom Wörthsee ist seit langen Jahren eine feste Größe in der Branche und präsentiert mit der Limetree-Serie, bestehend aus Phonovorstufe, Kopfhörerverstärker oder Netzwerkspieler laut eigener Aussage „echte High-End-Klangqualität auf kleinstem Raum.“ Der Limetree Phono II greift ein bewährtes Schaltungsprinzip aus der Zeit der Röhrenverstärker wieder auf, das jedoch mit modernsten Technologien und hochwertigen Bauteilen vollkommen neu interpretiert wird.
Verwendet werden J-FET-Verstärker und Widerstände und Kondensatoren aus japanischer Produktion. Die rein passive Entzerrung des kleinen Bayern führt zu einer sehr niedrigen Verzerrung gerade im Bassbereich. Ein besonderes Augenmerk legt Norbert Lindemann auf die Stromversorgung. Eine aufwendige Stromfilterung und Spannungsregler garantieren im Zusammenspiel mit einem Medical-Grade-Steckernetzteil eine sehr saubere Stromverarbeitung mit geringsten Rauschwerten. Das kleine, gut verarbeitete Alukästchen mit dem eingravierten Lindenblatt verfügt über zwei getrennte Eingangsstufen, die an den Typ des jeweiligen Tonabnehmers angepasst sind. Das sorgt für maximale Klangqualität bei MM- und MC-Abtastern. Die Installation ist bei MM-Tonabnehmern einfach: anstecken und fertig. Hier ist die Impedanz fest definiert. Für MC-Systeme gibt es eine variable Einstellung der Eingangsimpedanz mittels rückseitigem Mäuseklavier zwischen 100 und 800 Ohm.
Hinsichtlich der innovativen Technik des Lindemanns gäbe es noch einiges zu berichten, aber wir sind hier ja ein Musikmagazin und wollen mal hören, ob der Phonovorverstärker uns zum audiophilen Vinyl-König zu krönen vermag. Getestet wurde mit dem guten Einstiegssystem Ortofon 2M Red, dem gehobenen Goldring G 1042 (beides MM-Systeme) sowie dem Klassiker Denon DL-103R (MC). Auf der Veröffentlichung Zappa ‘88 – The Last U.S. Show (Universal, 2021) erwarten Zappafans 29 bis dato unveröffentlichte Live-Songs des Meisters. Die Aufnahmen wurden für das Album von den digitalen 48-Spur-Masterbändern neu abgemischt und zeigen das Ensemble in absoluter Bestform.
Die umwerfende Soundqualität der ikonoklastischen Musik auf diesen Aufnahmen gibt das Lindemännchen (ja, er ist mit 107 x 40 x 130 mm winzig) kristallklar und sehr detailreich wieder. Hier ist kein Schmutz im Signalweg hörbar, keine Artefakte verderben die unbestrittenen Entertainer-Qualitäten des bestens eingespielten Ensembles. Diese Drums! Die Bläser! Gewaltig, sauber, messerscharf in der Darstellung. Es macht unglaubliche Laune, der Band bei ihrer Arbeit zu lauschen und gerade komplexe Klassiker wie „Peaches en Regalia“ werden auf ein neues Level gehievt.
Da wir gerade bei Live-Musik sind: Von Can gibt es mit Live in Stuttgart 1975 (Spoon, 2021) ebenfalls neues Archivmaterial. Das Triple-Album auf knalligem orangefarbenen Vinyl besteht aus fünf Teilen und dokumentiert einen wichtigen Teil der Can-Geschichte. Mit hypnotischen Passagen, avantgardistischen instrumentalen Texturen und gänzlich sängerlos grooven die Herren Schmidt, Liebezeit, Czukay und Karoli, dass es eine Wonne ist. Auch hier sind Dank d
er bayrischen Elektronik Hörer und Hörerin mittendrin im Konzertsaal. Kein kleinstes Detail entgeht, die Musik wird sauber mit einer überzeugenden Räumlichkeit transportiert. Richtig toll. Dies gilt für beide Kanäle: MM und MC. Der Limetree Phono II vermag es auch, die unterschiedlichen Tonabnehmer und deren Charakteristika sehr deutlich herauszustellen.
Für 595 Euro (UVP) besucht Sie der Lindemann gerne im heimischen Wohnzimmer und lässt Sie nicht nur Live-Rockplatten – kann ja auch Live-Jazz sein – genießen. Eine echte Bereicherung in der wunderbaren Welt der Phonovorverstärker.
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