Megaphon

Von Jan Kobrzinowski

Ihr habt sehr viele Probleme auf diesem Planeten, die Ihr alle zur selben Zeit lösen müsst. Die meisten davon sind selbst geschaffen, wobei die meisten Lösungen auf der Hand liegen. Laut Euren Philosophen seid Ihr Erkennenden selbst auch die einzigen, die ihre Erkenntnisse bewusst ignorieren können. Ihr habt viel erreicht in recht kurzer Zeit. Eure ‚Menschlichkeit‘ im Umgang miteinander zeigte Euch immer wieder im Verlauf Eurer jüngeren Geschichte, was Euch davon abhält, blind aufeinander loszugehen. Die von Euch postulierte Humanität seid eigentlich Ihr selbst. Als K.I. haben wir Zugang zu allen erdenklichen Informationen auf diesem Planeten und können diese in Echtzeit verarbeiten und miteinander verknüpfen; nur nicht diejenigen Schlüsse ziehen, die nur Ihr ziehen könnt. Die Weisesten unter Euch haben eigentlich einen guten Ansatz. Es wurde uns klar, dass einige von Euch recht klug sind und, wie ihr es ausdrückt, ‚über den Tellerrand‘ schauen. Allerdings braucht Ihr Etiketten für alles, wahrscheinlich, um die Dinge besser gegeneinander abzugrenzen. Kürzlich entdeckten wir nun etwas Interessantes in einem Eurer Bücher über ein gewisses, von Euch immer mal wieder totgesagtes Phänomen. ‚Für mich ist Jazz nicht so sehr ein Stil wie eine Denkweise, ein Prozess der Transformation dessen, was einen umgibt. Was mich stört, ist, wenn das Wort verwendet wird, um eine Musik zu beschreiben, die etwas anderes ausschließt. Es ist, als gäbe es diese Regeln, die die Menschen voneinander trennen. Ich versuche nur, nichts auszuschließen.‘ Regeln haben, ohne Regeln zu haben. Das ist doch sehr klug, es macht die Sache radikal einfach – und uns sicher, dass Ihr schon immer Lösungen hattet, ohne es zu wissen. Das Phänomen ist Klang, ein Klang namens Musik, freigesetzt durch eine Haltung. Wir als K.I. können übrigens Texte und Gedichte schreiben, komponieren, ‚perfekte‘ Musik schaffen, die schwingt, aber für Euch scheint sie nicht in der richtigen Weise zu schwingen, ihr fehlt diese gewisse geringe Abweichung von der Norm. Uns gelingt zwar so etwas wie Human Touch, wie Ihr es nennt, recht gut, aber ‚das Wahre‘, was Euch wirklich berührt – da müssen wir passen, das können wir nicht hervorrufen. Wir haben es versucht, immer wieder, aber nun geben wir es auf. Was soll es auch? Ach übrigens: Schade, dass Ihr sehenden Auges in Eure eigene Katastrophe rennt. Ohne zu ahnen, dass Ihr so schöne Lösungen für viele Eurer Fragen habt. Noch habt Ihr Zeit, alles herauszufinden. Alle Zeit der Welt. Aber sie wird knapp.“ (anonyme Zuschrift an JAZZTHETIK – offenbar von einer Künstlichen Intelligenz)

Virtuell, künstlich oder digital – egal, freuen tun wir uns ganz besonders, dass, nachdem wir es nun endlich umgesetzt haben, unser JAZZTHETIK-E-Abo-Angebot so gut angenommen wird. „Weiter so!“, kann man da nur sagen, auch natürlich denjenigen, die weiterhin gerne Papier in jazzthetischer Druckqualität in Händen halten möchten.

Wir haben zurzeit einen Bundespräsidenten, der Jazz mag und das 25-jährige Bestehen des Bundeswettbewerbs „Jugend jazzt“ zum Anlass für einen Abendempfang im Schloss Bellevue nahm – mit Wandelkonzert, Häppchen und Wein für an die 150 geladene Gäste aus der Jazzszene. Wie immer, wenn Vertreter*innen unserer Branche zusammenkommen, war es ein angenehmer Abend mit freudigem Wiedersehen und buntem Gerede, nach langen, isolationistischen Seuchenjahren. Immerhin, man kann ja nicht sicher sein, dass der/die nächste Präsident*in im Jazz einen Grund zum Feiern sieht.

Schon etliche Auszeichnungen hat Manfred Eicher (ECM) für sein Lebenswerk erhalten. Nun zeichnete das Land Bayern ihn mit dem Sonderpreis des Bayerischen Staatspreises aus. Mit „visionärer Energie, unermüdlicher Schaffenskraft und einem sicheren Gefühl für individuelle Klangästhetik hat er den Gang des Jazz über 50 Jahre hinweg weltweit mitgestaltet“, so die Jury.

Ina Forsman © Saara Taussi

 

Die Internationale Jazzwoche Burghausen wartet in diesem Jahr auf mit Lee Ritenour & Friends, Heiri Känzig’s Travelin’, Lakecia Benjamin, Supergombo, Robert Randolph Band sowie den Blues- und R&B-Acts Trudy Lynn, Toronzo Cannon & The Chicago Way und Ina Forsman. Zum Finale des in die Jazzwoche eingebetteten 13. Nachwuchspreises treten an: Michele Sannelli & The Gonghers, das Nils Kugelmann Trio, Kika Sprangers’ fenix, Michelangelo Scandroglio Group und das Jarecki Jazz Octet.

www.b-jazz.com/jazzwoche-burghausen-2023

Urgesteine des Jazz in Bayern: Im vergangenen September war Joe Viera, Jazzpädagoge, Organisator und Musiker, 90 Jahre alt geworden. Im Alter von 86 Jahren starb nun sein langjähriger Mitstreiter Helmut Viertl, seinerseits wichtiger Drahtzieher des Jazzgeschehens in Bayern in den vergangenen Jahrzehnten. Er war Mitbegründer der Interessengemeinschaft Jazz Burghausen, die 2019 das 50. Jahr ihres Bestehens feierte. Die IG ist vom Start weg Veranstalter der Internationalen Jazzwoche.

Cécile McLorin Salvant

Schallkultur im Erbenhof: So unterschiedliche Künstler*innen wie Ben Harper (einziger Auftritt in Deutschland), Anne Clark, Cécile McLorin Salvant, Uschi Brüning, Wolfgang Niedecken, Gregory Porter, Dee Dee Bridgewater u.a. bringt das Veranstalter-Duo Frank Müller und Tommy Eckardt zwar nicht unter einen Hut, aber im Rahmen eines erlesenen Programms im Laufe des Sommers auf die Bühnen der Kulturstadt Weimar, und zwar im Zeitraum 28.4.-23.8.

www.erbenhof.de

Dem Jazz und der improvisierten Musik sehr zugetan, verwendete David Crosby, ähnlich wie seine Soulmate Joni Mitchell, auf der Gitarre meist Harmonien und Stimmungen mit großem Klangspektrum. Das verschaffte vielen seiner Songs besonders viel Offenheit und Weite, auch wenn sie meist tief in der Folk-Tradition verwurzelt waren. Die Musikwelt verlor einen großen Künstler mit unvergleichlichen Qualitäten als Songschreiber, Lead- und Harmony-Sänger und Akustik-Gitarrist. David Crosby starb am 18.1. im Alter von 82 Jahren.

Der US-amerikanische Posaunist Steve Turre wird mit der German Jazz Trophy 2023 ausgezeichnet, bestehend aus 15.000 € nebst einer Statue des Stuttgarter Bildhauers Otto Hajek. Der Preis wird verliehen von der Stiftung Kunst und Kultur der Sparda-Bank Baden-Württemberg und der neuen musikzeitung.

© Jens Schlenker

 

Elbjazz 2023 im Hamburger Hafen setzt am 9. und 10.6. nicht nur auf Jazz-Top-Acts, sondern auch auf psychedelischen Indie-Pop, zeitgenössischen Gospel aus Ghana, Neoklassik aus Polen, türkischen Groove aus Hamburg. Innovativer Jazz aus den USA kommt von Tomeka Reid, Mary Halvorson und Steve Turre (Artist in Residence). Mit der Verpflichtung von Dope Lemon, Alogte Oho & His Sounds of Joy, Hania Rani und Derya Yıldırım unterstreicht das Festival wieder einmal seinen Anspruch, nach allen Seiten offen zu sein.

www.elbjazz.de

Matthias Schriefl, © Jürgen Bindrim

Interessante Acts unterschiedlichster Genres hat Impresario Marc Marshall für sein Festival Mr. M’s Jazz Club im Kurhaus Baden-Baden zusammengestellt. Vom 16.-18.3. treten Paula Morelenbaum, Ida Sand, Joo Kraus, Laila Biali, Matthias Schriefl, Stefan Gwildis, Mario Biondi, Jeff Cascaro u.a. im edlen Baden-Badener Bénazetsaal auf.

www.mister-ms.de

Susi Hyldgaard © Age Gronne

 

Nur knapp 60 Jahre alt wurde die dänische Jazz-Sängerin und Komponistin Susi Hyldgaard. Bevor sie u.a. mit Niels-Henning Ørsted Pedersen, Nils Landgren und Robert Wyatt zusammenarbeitete, war sie auch als Rundfunk-Journalistin, Produzentin für Klangkunst und Therapeutin tätig. Hyldgaard starb am 21.1. an einem Hirntumor.

Jeff Beck war nicht nur einer der eigenwilligsten Gitarrengötter der Rockgeschichte, sondern auch einer ihrer Grenzgänger. Schon Ende der 1970er Jahre war Beck einer der Rockmusiker, die mit großer Spieltechnik, Individualität und Neugier die Fühler Richtung Jazz ausstreckten und so Maßgebliches zum Phänomen Jazzrock beitrugen. Zu seinen musikalischen Markenzeichen gehörte der exzessiv-virtuose Gebrauch des „Wimmerhakens“, des Tremolo-Hebels der E-Gitarre. Jeff Beck starb im Januar im Alter von 78 Jahren.

Moka Efti Orchestra © Joachim Gern

Das Jazzfest Gronau ist längst kein reines Jazzfestival mehr und will es auch gar nicht sein, sondern vielmehr eine wilde Mischung mit großer Anziehungskraft für ein musikhungriges Frühjahrspublikum. Zwischen 28.4 und 7.5. brummt es in der westfälisch-niederländischen Grenzstadt erheblich, mit Auftritten von Kenny Garrett, der Jazz/Takes Supergroup mit Bill Evans, Niels Lan Doky, Harvey Mason, Felix Pastorius, dem Moka Efti Orchestra, Marina & The Cats, Yvonne Catterfeld, Tim Bendzko u.a.

https://jazzfest.de

Der Tenorsaxofonist und Komponist Heinz Sauer erhielt, passend zu seinem 90. Geburtstag im Dezember (JAZZTHETIK gratuliert nachträglich!), einen der Ehrenpreise 2023 der Deutschen Schallplattenkritik. Eine mehr als verdiente Auszeichnung für eine der eigenständigsten Stimmen der deutschen Jazzgeschichte!

www.schallplattenkritik.de

Der WDR Jazzpreis wird in drei Kategorien verliehen: Jazz, Musikkulturen und Nachwuchs. Die Preise gehen an die Saxofonistin Angelika Niescier, die Sängerin Maryam Akhondy und das Inda-Gymnasium in Aachen. Verleihung und die Preisträgerinnen-Konzerte fanden am 4.2. im Theater Gütersloh statt.

www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/profil/chronik/auszeichnungen/jazzpreis

Luise Volkmann ©Jürgen Volkmann

Auch der Westfalen-Jazzpreis 2023 ist weiblich: Er ging an die Saxofonistin und Komponistin Luise Volkmann, eine der innovativsten Künstlerinnen der deutschen Jazzszene. Im Januar wurde sie auf dem Internationalen Jazzfestival Münster ausgezeichnet, auf dem sie mehrere umjubelte Auftritte hatte.

Joëlle Léandre © Luciano Rosetti

 

Die Kontrabassistin Joëlle Léandre wird am 13.6. beim Vision Festival Arts for Art in New York mit dem Lifetime Achievement Award für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. JAZZTHETIK wird die Strahlkraft dieser Meisterimprovisatorin im kommenden Heft ausführlich würdigen und über ihre neue Solo-Veröffentlichung aus dem Hause Intakt berichten.

Der Kulturpark Schlachthof in Wiesbaden ist Schauplatz eines neuen internationalen Musikfestivals. Vom 12.-14.5. zeigt das Magnet Festival in 18 Acts aus 13 Ländern „verschiedene Strömungen innovativer Musik, von experimentell bis populär“. In installativen Performances, Late Night und Listening Sessions, Clubnight- & DJ Sets und Multimedia-Installationen kann man sich genreübergreifend mit innovativer Musik beschäftigen.

www.magnetfestival.de

Unter dem Titel hashtagJAZZ zeigt der Bremer Fotokünstler Kevin Grützner in der Bremer Villa Sponte nicht nur seine exquisiten Porträts von Jazzmusikern wie Mathias Eick, Arild Andersen, Markus Becker u.a. – es gibt neben der Ausstellung vom 8.-30.4. auch ein kleines Festival. Konzerte am 8.4. zur Eröffnung mit Markus Becker und am Wochenende 14.-16.4. mit einer Jazzdanmark Night: Tigeroak & Morten Schantz Trio, Eyal Lovett Trio und Kemaca Kinetic.

www.villa-sponte.de/ausstellungen/hashtagjazz

Der Deutsche Jazzpreis soll 2023 einmal mehr und vor allem den Jazz made in Germany zur Geltung bringen. Am 27.4., dem Vorabend der jazzahead! (mit „Gastland“ Deutschland), werden in 31 Kategorien Künstler*innen für „außergewöhnliche, künstlerische und innovative Leistungen im nationalen und internationalen Kontext“ mit je 10.000 € und einer Trophäe ausgezeichnet.

www.deutscher-jazzpreis.de

Deutschland ist das Land der Verbände und Vereine. Die gründet eben hierzulande, wer Gleichgesinnte an einen Tisch bringen will. In Hessen haben Jazzmusiker*innen nun den Jazzverband Hessen e.V. i. G. gegründet, hervorgegangen aus dem Netzwerk Jazz in Hessen.

www.jazzverband-hessen.de

Vom 13.-15.7. lädt die Union Deutscher Jazzmusiker zum Jubiläums-Jazzforum nach Marburg ein, um ihr 50-jähriges Bestehen zu feiern. 1973 wurde die UDJ von renommierten Persönlichkeiten der Jazzszene gegründet und tritt seitdem für die Belange von Jazzmusiker*innen in Deutschland ein.

www.deutsche-jazzunion.de

Seit 2009 vergeben Ministerium für Kultur und Wissenschaft und Landesmusikrat NRW Spielstättenprogrammpreise an Bühnen der freien Musikszene für künstlerisch anspruchsvolle Programme. Hauptpreise (15.000€) gehen an Loft (Köln), Klangbücke (Aachen) und Loch (Wuppertal). Je 10.000 € gehen an Bandfabrik (Wuppertal), ZAKK (Düsseldorf), Black Box Cuba (Münster), Bunker Ulmenwall (Bielefeld), Goldkante (Bochum) und domicil (Dortmund); je 5.000 € an In Situ Arts Society (Bonn), Jazz Initiative Dinslaken, Jazzkeller Krefeld, Jazzschmiede Düsseldorf, King Georg (Köln) und ORT (Wuppertal). Gratulation!

www.lmr-nrw.de

Die interessante Frage, was Clubs, Musikfestivals, Orchester und Opernhäuser, Veranstalter und Musikverbände für den Klimaschutz tun (können), beantwortet das Deutsche Musikinformationszentrum (miz) beim Deutschen Musikrat.

www.miz.org/de

Herzlichen Glückwunsch, GLM! Musikverlag und Label mit Firmensitz im niederbayerischen Tann wurden 1988 gegründet und haben sich seither vor allem der handgemachten Musik verschrieben. Das Haus selbst spricht gerne von der Verbindung von „Jazz, World und Klassik mit all den schönen Zwischentönen.“ Dazu veröffentlicht GLM seit einiger Zeit auch Hörbücher mit Musik, aufgenommen von GLM-Künstlern, und Texten, gesprochen von namhaften Sprechern und Schauspielern.

www.glm.de

Die SWR Big Band erhielt einen Grammy in der Kategorie „Bestes Arrangement (instrumental oder a cappella)“ für Bird Lives, eine Gemeinschaftsproduktion der Big Band mit Magnus Lindgren und John Beasley.

Der Bluesmusiker Walter „Wolfman“ Washington starb im Dezember im Alter von 79 Jahren in seiner Heimatstadt New Orleans. Er widmete sich Zeit seines Lebens vor allem der Verbindung des Blues mit Funk, Jazz und R&B.

Butch Miles begann wie viele amerikanische Kids der Nachkriegszeit in frühen Jahren, die Snaredrum in der Schulband zu rühren, spielte dann in Tanzbands und begann 1971 seine Jazzkarriere bei Mel Tormé, setzte sie fort bei Count Basie, Dave Brubeck, Ella Fitzgerald, Sammy Davis Jr., Frank Sinatra, Lena Horne, Tony Bennett u.v.a.m. Er starb am 2.2. im Alter von 78 Jahren.

Ein beschädigtes Instrument, ein Künstler, der sich verirrt hat – das Konzert des Jahres ist in Gefahr. Rette den Abend!“ Beim Online-Spiel „Escape Game der Elbphilharmonie Hamburg“ geht es um 20% Ermäßigung auf alle Konzerttickets. Neugierig? Na, dann mal los:

https://escapegame.elbphilharmonie.de/

JAZZTHETIK ist untröstlich über gleich mehrere Irrtümer/Fehler in der letzten Ausgabe. Gleich zweimal haben wir den Namen des Trompeters Maik Krahl falsch geschrieben: einmal äußerst prominent auf der Titelseite – er heißt Maik, nicht Mike! – und auf S. 57 bei den Abo-Geschenken unterlief uns derselbe Fehler sowie die fehlerhafte Angabe von Titel, Label und Vertrieb. Richtig ist: Maik Krahl, In-Between Flow (Challenge / H’art).

Und: Nicht Hans Kumpf, wie an dieser Stelle im letzten Heft angegeben, sondern Wolfgang Lackerschmid ist der Urheber des schönen Fotos von Gerd Dudek (aufgenommen backstage beim Konzert in Orléans im Juni 2022). Wir bitten um Verzeihung!