Megaphon

Von Jan Kobrzinowski

Was für ein Jahr! Zurückgeworfen auf unsere Einsam-, Zweisam- oder Mehrsamkeit, je nachdem, und selbst das Büro bleibt zu Hause. Es gab einen gefühlt kurzen Sommer, wenn nicht zum Aufatmen, dann zumindest zum Luftholen. Und nun, nach dem Novemberblues, das Wintertrauma? Nein. Warum nicht auch zur Jahreswende einfach mal zurücklehnen und vielleicht alles Feiern auf ein Minimum reduzieren, zu Hause gute Musik auflegen, ein Feature, Hörspiel oder auch einen guten Spielfilm genießen? Auch das eine oder andere Gläschen eines guten Weines wird nicht schaden. Die Füße ein wenig still zu halten, bedeutet nicht gleich, Hirn und Herz abzuschalten, und schon gar nicht den totalen Verlust der Freiheit.

Kürzlich sagte mir jemand auf der Straße: Schlechte Zeiten bringen gute Menschen hervor. Der Satz gefiel mir. In diesem Sinne: Die JAZZTHETIK wünscht allen Leser*innen ein besseres neues Jahr 2021! Das ist keineswegs banal gemeint, sondern kommt von Herzen: Lasst uns weitermachen, die Kultur genießen, denn die stirbt nicht, sondern nährt uns auch weiterhin. Es wird fieberhaft, unter anderem in diesem Magazin, daran gearbeitet, dass Kultur weitergeht. Gerade jetzt, während ökonomisch vieles am Boden liegt, Künstler und andere Kulturschaffende, unbeschäftigt oder kaum beschäftigt, am Rande eines Minimums existieren, können nur Zuversicht, Hoffnung und Solidarität Lösungen sein. Und zu tun gibt es eh genug. Wir haben außer Corona noch einen Haufen anderer Probleme zu bewältigen. Das zeigen uns, vor allen anderen, junge Leute, die nicht mehr nur freitags an die Zukunft unseres Planeten denken. Schlechte Zeiten werden gute Zeiten hervorbringen!

Traurig, aber wahr: kein Internationales Jazzfestival Münster im Januar 2021! Das Kulturamt der Stadt und Festivalchef Fritz Schmücker wollten den Live-Charakter des ersten Jazzfestivals des Jahres nicht einer digitalen Variante opfern, stellten aber ganz eventuell eine „unterjährige Variante“ in Aussicht. Alle vergangenen Festival-Ausgaben im Theater Münster waren mit rund 4000 Besucher*innen an drei Tagen ausverkauft.

www.jazzfestival-muenster.de

Toshinori Kondo © Schorle

In das Trompetenspiel Toshinori Kondōs floss all das ein, was den Jazz der vergangenen Jahrzehnte interessant gemacht hat: freie Musik, Noise, elektronische Musik. Das brachte ihn sowohl mit Peter Brötzmann, dem Globe Unity Orchester, Yōsuke Yamashita als auch mit Bill Laswell und John Zorn in den USA und in Europa u.a. mit der Jazzkantine zusammen. Kondō setzte sich für die Anti-Atom-Bewegung, Frieden und Naturschutz ein. Für sein Solo-Projekt Blow the Earth improvisierte er an mehreren Naturschauplätzen der Welt. Nun starb Toshinori Kondō in Kawasaki bei Tokio im Alter von 71 Jahren.

Der junge Posaunist Daniel Holzleitner überzeugte die Jury der Musik und Kunst Privatuniversität Wien (MUK) mit seinem „transdisziplinären Ansatz, der Jazz und Improvisation mit zeitgenössischer Musik, Sprache und Sound-Design verbindet“, und gewann den mit 3.000 Euro dotierten Joe Zawinul Prize in Form eines Projektstipendiums.

www.muk.ac.at

Anton Eger

 

Die Danish Music Awards Jazz 2020 Jazz gingen an das Maluba Orchestra, Maria Faust Sacrum Facere, Sinne Eeg & The Danish Radio Big Band, Nikola Bankov, Mai Seidelin und Johan Bylling Lang und das Orchester All Too Human. Musiker des Jahres wurde der Schlagzeuger Anton Eger.

www.jazzdanmark.dk

Allan Botschinsky

Am 26.11. verstarb der dänische Trompeter, Komponist und Arrangeur Allan Botschinsky im Alter von 80 Jahren. Schon Ende der 1950er Jahre gehörte er zu den Sidemen der US-Jazzer, die sich in Kopenhagen niedergelassen hatten. Botschinsky war u.a. Solist in der Danish Radio Big Band, Peter Herbolzheimers Rhythm Combination & Brass sowie Duo-Partner von Niels-Henning Ørsted Pedersen.

Ambrose Akinmusire © Origami Harvest

 

Auf der Bestenliste des 4. Quartals 2020 des Preises der deutschen Schallplattenkritik stehen u.a. das Joe Haider Sextet, Ambrose Akinmusire (Jazz), das Babylon Orchestra (Weltmusik), Joy Denalane (R&B, Soul, HipHop).

www.schallplattenkritik.de

Die Hoffnungen aller Fans auf ein Live-Jazzfest in Berlin liegen auf 2021, dann feiert man gleichzeitig das 70. Jubiläum der Berliner Festspiele. Vorerst gibt es alle Live-Streams der Ausgabe 2020 on demand. 40 Musik- und neun Videoproduktionen stehen in voller Länge noch ein Jahr lang auf der Webseite der Berliner Festspiele sowie in der ARTE-Mediathek zur Verfügung.

www.berlinerfestspiele.de

www.arte.tv

Yazz Ahmed © Emile Holba

 

Neuigkeiten aus Monheim: Für das Triennale-Programm 2020 waren 16 Künstler*innen eingeladen. Die Verschiebung des Festivals auf 30.6.-4.7.2021 hat nun auch ihr Gutes: Das Line-up derer, die besondere Programme an den Rhein bringen sollen, wird erweitert durch Yazz Ahmed, Hibo Elmi und Shahzad Ismaily.

www.monheim-triennale.de

Céline Rudolph

 

Das Jazz Institut Berlin, Gemeinschaftseinrichtung von Hochschule für Musik Hanns Eisler und Universität der Künste, hat die Sängerin und Komponistin Céline Rudolph als Professorin für Gesang und Ensemble-Leitung berufen.

Die Preisträger*innen des WDR-Jazzpreises 2021 stehen fest: Tamara Lukasheva (voc, comp), Matthias Muche (tb, impro), Rabih Lahoud (voc, Musikkulturen). Der Nachwuchspreis ging an die Süd Beat Big Band des Humboldt-Gymnasiums in Köln, der Ehrenpreis an das PENG Kollektiv in Essen. Die Preisverleihung findet am 30.1. um 20 Uhr live im Kulturradio WDR 3 und online statt.

www.jazz.wdr.de

Ein Meilenstein der föderalen Jazzförderung: Vor 35 Jahren gründete Wolfgang Diefenbach das Landesjugendjazzorchester Hessen (Kicks & Sticks). Hochbegabten Nachwuchsmusikern wird seit 1985 eine professionelle Big-Band-Ausbildung auf höchstem Niveau zuteil. Mit einer umfangreichen Dokumentation blickt man zurück auf Probenarbeit, Konzerte und Reisen.

www.ljjoh.de

Die Zuschauer*innen des Unerhört!/Soundwatch-Musikfilmfestivals (für Musikfilme und -Dokumentationen abseits des Mainstreams) haben per Online-Voting über den Publikumspreis 2020 entschieden. Gewinnerin ist Una Banda de Chicas von Marilina Giménez.

www.soundwatch.de

www.unerhoert-filmfest.de

Zuversichtlich ruft die Bucharest International Jazz Competition beim EUROPAfest in der rumänischen Hauptstadt vom 15.-22.5.2021 Instrumentalisten und Vokalisten bis 40 Jahre zur Teilnahme an Wettbewerben, Konzerten, Jam Sessions und Workshops auf. Bewerbungen bis 10.2. an:

www.jazzcompetition.ro

www.jmEvents.ro

Das Morgenland Festival wollte gemeinsam mit dem Institut für Musik (IfM) der Hochschule Osnabrück eigentlich schon im März den Morgenland Campus anbieten. Festivalchef Michael Dreyer ist untröstlich, aber zuversichtlich, dass die einwöchige Möglichkeit für Studierende aus aller Welt zur Zusammenarbeit mit herausragenden Musikerpersönlichkeiten aus arabischer und orientalischer Musik nun zumindest im Juli 2021 stattfinden kann. Aktuelle Infos unter:

www.morgenland-festival.com/morgenland-campus.html

Viola Smith

 

Die Schlagzeugerin Viola Smith starb am 21.10. im Alter von – ja, es ist wirklich wahr! – 107 Jahren. Schon früh setzte sich die „schnellste Drummerin“ der Swing-Ära für eine stärkere Einbeziehung von Frauen in Big Bands ein. Mit einem Drumkit aus zwölf Trommeln, darunter riesige fasstrommelartige Tom-Toms, war sie von 1938 bis 1941 das rhythmische Herz der All-Girl-Bigband Frances Carroll & Her Coquettes.

Gitarren-Hero Eddie Van Halen starb am 6.10. im Alter von nur 65 Jahren im kalifornischen Santa Monica. Berühmt für hyperaktive Riffs, Runs und Soli, kombinierte Eddie komplexe Harmonien mit innovativen Fingersätzen und pflegte überdies einen genialen Umgang mit Effektgeräten. „Er brachte das Lächeln wieder in die Rockgitarre, als alles schon begann, ein bisschen schwerblütig zu werden“, so Gitarren-Kollege Joe Satrian

Guenter Hottmann

Ende des Monats Oktober sei er dann mal weg. „Nach 36 Jahren hr, 30 Jahren Sendungen in Sachen Jazz, 21 Jahren als Jazz-Redakteur und 17 davon als hauptverantwortlicher Festival-Macher höre ich auf. Es langt.“ So verabschiedet sich Guenter Hottmann nun mit 65 Jahren ins Rentendasein. „Ich möchte nur noch punktuell publizistisch in Erscheinung treten, wenn mich Thema oder Sache reizen. Jedenfalls werde ich nicht mehr der sein, der im Jahr ca. 500 Alben durchs Programm schleust.“

Basilio Sulis © Virgilio Piras

 

Basilio Sulis, Gründer und künstlerischer Leiter von SantAnna Arresi Ai Confini tra Sardegna e Jazz, starb nach langer Krankheit im November im Alter von 72 Jahren. Er war Visionär und Kämpfer für den Jazz als Experimentier- und Forschungsmusik, der sich, wenn es sein musste, zur Verteidigung von Kultur und Kunst auch schon mal an den Palazzo della Regione ankettete. Mit ihm konnte, wer des Sardischen mächtig war, auf hitzige Weise über die Bedeutung von Musik und die Dynamik kultureller Programme diskutieren. Darüber hinaus betrieb er eines der besten Fischrestaurants auf Sardinien.

José Padilla

 

Er prägte den Sound des mediterranen Sonnenunterganges wie kein anderer: José Padilla, DJ und Ambient-Musiker aus Katalonien, residierte seit den frühen 1980er Jahren im berühmten Café del Mar in Sant Antoni de Portmany auf der Insel Ibiza und kuratierte die dortigen Chill-out-Compilations. Am 18.10. starb Padilla im Alter von nur 64 Jahren.

Gleich zweimal wurde die hr-Bigband für den Grammy nominiert. Holy Room mit der Sängerin Somi geht ins Rennen um das „Best Jazz Vocal Album“. Um das „Best Large Jazz Ensemble Album“ bewirbt sich die Produktion Songs You Like a Lot mit John Hollenbeck. Weitere Grammy-Nominees im Bereich Jazz: Christian Scott aTunde Adjuah, Gerald Clayton, Regina Carter, Chick Corea, Joshua Redman (Best Improvised Jazz Solo); Kurt Elling, Carmen Lundy u.a. (Best Jazz Vocal Album); Ambrose Akinmusire, Terri Lyne Carrington & Social Science, Chick Corea-Christian McBride-Brian Blade, Joshua Redman-Mehldau-McBride-Blade (Best Jazz Instrumental Album); Arturo OFarrill & Afro Latin Jazz Orchestra u.a. (Best Latin Jazz Album).

www.grammy.com

(Nicht nur) die Deutsche Jazzunion fordert die Bundesregierung zur konsequenten Umsetzung einer EU-Richtlinie zum Urheberrecht auf: „Eine pauschal vergütete Freigabe von urheberrechtlich geschützten Werkauszügen bis hin zu ganzen Werken würde die Lebensgrundlage vieler Kreativschaffender bedrohen“, so der Jazzunion-Vorsitzende Nikolaus Neuser. Auch im Bereich Musik-Remixe, für die oftmals auf Passagen aus Jazzkompositionen zurückgegriffen wird, müsse sichergestellt sein, dass die Persönlichkeitsrechte von Urheber*innen gewahrt bleiben.

www.deutsche-jazzunion.de

Neue Hoffnung auf unbürokratische Hilfe. Im Rahmen der Überbrückungshilfe III wurde am 13.11. eine spezielle Neustarthilfe für Solo-Selbstständige vereinbart. Zusätzlich zur Erstattung von Fixkosten können diese eine einmalige Betriebskostenpauschale von bis zu 5.000 Euro beantragen. Die Maßnahme richtet sich insbesondere an Solo-Selbständige mit geringen Fixkosten, aber dennoch hohen Umsatzeinbrüchen.

Die Behörde für Kultur und Medien der Stadt Hamburg will die Musikwirtschaft mit fünf Millionen Euro Corona-Hilfen unterstützen. Mit dem „Hamburg Music Business Support“ hofft man gemeinsam mit der Interessengemeinschaft Hamburger Musikwirtschaft (IHM e.V.), Perspektiven für Soloselbstständige bei der Bewältigung der Corona-Krise zu schaffen.

www.hamburg.de/bkm

Auch an JAZZTHETIK gehen Pestilenz und Teuerung nicht spurlos vorüber: Leider, leider kommen wir nicht umhin, den Preis des Einzelheftes des Jazz-Magazins Ihres Vertrauens ab dem 01.01. um 10 Cent erhöhen.

Hier noch die gute Nachricht zum neuen Jahr für alle, die redaktionelle JAZZTHETIK-Beiträge digital nutzen möchten: Ab 1.1.2021 können diese seitenweise als PDF auf www.JAZZTHETIK.de (leider nicht ganz kostenlos) heruntergeladen werden.

Erratum. In unserer Kolumne Reissue Wonderland in JAZZTHETIK 11-12/20 (S. 76) sorgte das Buchstabenteufelchen für einen kleinen, aber folgenreichen Irrtum: Natürlich saß für John Coltranes Giant-Steps-Album nicht Les, sondern Lex Humphries am Schlagzeug. Wir bitten um Entschuldigungx.