Megaphon

Von Guido Diesing

Es ist so weit. Oder – wie schon Charlie Parker sagte: „Now’s the Time“! Lange haben wir uns mit der Möglichkeit einer elektronischen Version unseres Magazins beschäftigt – jetzt ist die Zeit gekommen. Ab 2023 gibt es die JAZZTHETIK neben der bewährten Printausgabe auch im e-Abo. Wer also lieber am Tablet, Smartphone oder Laptop liest und sicherheitshalber immer eine mobile JAZZTHETIK dabeihaben möchte, um gegen plötzliche Langeweile gewappnet zu sein, hat jetzt die Chance dazu.

Gute Gründe für diesen Schritt gibt es viele. Die überall zu beklagenden, teils drastischen Preissteigerungen machen auch vor den Kosten für Papier, Druck und Transport nicht halt, im Gegenteil. Vor allem aber ist es auch an der Zeit, sich intensiver über den eigenen ökologischen Fußabdruck Gedanken zu machen. Der Verzicht auf bedrucktes Papier spart Ressourcen und Rohstoffe, der digitale Versand entlastet im Vergleich zum Postversand das individuelle CO-Konto.
So ist es kein Wunder, dass wir zuletzt immer häufiger von unseren mitdenkenden Leser*innen gebeten wurden, auch eine digitale Ausgabe anzubieten. Vielen Dank für das hartnäckige Nachfragen, denn vielleicht hätten wir es sonst immer weiter vor uns hergeschoben, das Thema endlich anzupacken. Schließlich macht uns die Printproduktion nach wie vor eine Menge Spaß und soll den Neuerungen auch nicht zum Opfer fallen.
Wir haben lange nach einer passenden digitalen Lösung gesucht. Vieles, was wir ausprobiert haben, war entweder zu kompliziert, zu teuer für Sie/euch/uns, nicht sicher oder einfach nicht jazzthetisch genug. Oder es war zu mickrig oder zu groß. Das ist wie bei Schuhen – die müssen einfach passen. So machten wir uns auf den Weg bis wir schließlich fündig wurden und sagen konnten: So wird ein Schuh draus! Nun machen wir eine Schleife drum, ermöglichen das Reisen mit leichtem Gepäck und sind für digitale Nomaden jederzeit verfügbar – mit dem JAZZTHETIK e-Abo.

Künftig werden Neuabonnent*innen auf dem Abo-Coupon im Heft vor die Wahl gestellt: analog oder digital? Für die gedruckten Ausgaben müssen wir mit dem Jahreswechsel unsere Bezugspreise wegen der aktuellen Preisentwicklung leicht angleichen. Wir haben das aber sehr moderat gehalten. Die Printausgabe kostet künftig als Einzelheft schlappe 0,30 ct mehr nämlich 9 €, das Jahresabo für Leser*innen im Inland 45, im europäischen Ausland 80 und im übrigen Ausland 85 €. Die digitale Ausgabe ist als Einzelheft für 6 und im Jahresabo für 30 € erhältlich, was vor allem für Abonnent*innen im Ausland bedeutet, dass sie sich nicht länger über die hohen Versandgebühren ärgern müssen.

Da die neuen Preise ab Januar 2023 gelten, heißt das: Wer noch zum alten Preis das Jahresabo Print erhalten möchte, sollte flink das schnelle Schuhwerk schnüren und bis zum 31.12. um 23:59 Uhr abonnieren. Dann steht dem jazzthetischen Lesegenuss auch im neuen Jahr zum alten Preis nichts mehr im Wege.

Wir bleiben beim Thema Geld. Die Veranstalter und Kulturschaffenden der freien Szene schlagen Alarm. Nach dem pandemiebedingten Zurückfahren des kulturellen Lebens gehen sie ohnehin schon auf dem Zahnfleisch, jetzt werden sie zusätzlich von explodierenden Produktionskosten durch steigende Energiepreise in ihrer Existenz bedroht. Die Allianz der Freien Künste (AFK), ein Zusammenschluss von 20 Kulturverbänden, darunter die Deutsche Jazzunion, fordert von den Verantwortlichen in Bund und Ländern, dass die im Rahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds bereitgestellten Hilfen für Kultureinrichtungen auch freien und privat getragenen Kulturorten zugutekommen sollen. Sollen sie!

allianz-der-freien-kuenste.de

Wie ernst die soziale und wirtschaftliche Situation unter den deutschen Jazzmusiker*innen ist, unterstreicht zusätzlich die Jazzstudie 2022 der Deutschen Jazzunion (DJU), die auf einer großflächigen Onlinebefragung von rund 1.000 professionellen Musiker*innen und Pädagog*innen basiert. Obwohl es positive Tendenzen etwa bei der Einkommenssituation im unteren Bereich oder dem gestiegenen Anteil von Frauen unter den Befragten zu verzeichnen gibt und staatliche Coronahilfen viele Jazzmusiker*innen vor dem wirtschaftlichen Aus bewahrt haben, zeichnet die Studie in anderen Bereichen ein düsteres Bild. Insbesondere die Sorge vor Altersarmut ist weit verbreitet und berechtigt, liegt doch der Durchschnitt der zu erwartenden Bezüge im Rentenalter der überwiegend akademisch ausgebildeten Jazzmusiker*innen unter der Hälfte des Bundesdurchschnitts. DJU-Geschäftsführer Urs Johnen zieht das Fazit: „Die Jazzstudie 2022 zeigt in unmissverständlicher Deutlichkeit, dass wir dringend Wege zu einer funktionierenden Altersvorsorge für Jazzmusiker*innen finden müssen. Eine Anhebung des Gagenniveaus und der Unterrichtshonorare kann dabei ein wichtiger Baustein sein. Eine vielen Kolleg*innen drohende Altersarmut werden wir aber nur im Schulterschluss mit der Sozial- und Kulturpolitik abwenden können.“

www.jazzstudie.de

Jakob Manz © Moritz Hertler

Also lieber Geld zurücklegen, wenn mal gerade welches da ist? Der Jazz-Preis Baden-Württemberg 2022 und das damit verbundene Preisgeld von 15.000 € gehen an den Saxofonisten Jakob Manz. Er ist der jüngste Preisträger in der Geschichte der seit 1985 jährlich verliehenen Auszeichnung, wie Landes-Kunstministerin Petra Olschowski hervorhob: „Wir würdigen ein Ausnahmetalent, das mit 21 Jahren bereits eine musikalische Persönlichkeit ist und ein überzeugender vielfältiger Komponist und Saxofonist. Er spielt mit einer Intensität, Klarheit und Konzentration, die seiner Musik Magie verleiht.“ Manz hat mehrere Auswahlklangkörper durchlaufen, er spielte im Landesjugendjazzorchester und im Landesjugendensemble Neue Musik Baden-Württemberg. Bereits als 16-Jähriger wurde er für zwei Jahre Mitglied des Bundesjazzorchesters (BuJazzO).

Damit Baden-Württemberg auch weiterhin ein starkes Jazzland bleibt, unterstützt das Kunstministerium die Jazzszene des Landes im Jahr 2023 mit 385.000 €. Mehrere Förderprogramme werden dazu wieder neu aufgelegt. Mit ihnen werden nicht nur Auftritte von Musiker*innen in Baden-Württemberg und darüber hinaus gefördert, sondern auch Clubs und Festivals. Die Antragsverfahren laufen, die dazu nötigen Formulare sind auf der Internetseite des Kunstministeriums abrufbar.

https://mwk.baden-wuerttemberg.de/de/service/ausschreibungen

Wie viel verdient man eigentlich in der Veranstaltungsbranche? Die einfache Antwort wäre: „Zu wenig!“ Wer es genauer wissen möchte, kann die Vergütungsstudie heranziehen, mit der der Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik e.V. (VPLT) in diesen Fragen für Transparenz sorgt. Derzeit sammelt der VPLT wieder Daten, um einen repräsentativen Querschnitt der Vergütungen und Nebenleistungen der Branche zu erstellen. Teilnehmen können noch bis zum 15.1.2023 alle Unternehmen der Medien- und Veranstaltungstechnik in Deutschland, ganz gleich, ob sie VPLT-Mitglieder sind oder nicht. Interessenten senden eine E-Mail mit dem Betreff „Vergütungsstudie“ an:

vplt-verguetungsstudie@brandi.net

Alle Teilnehmenden erhalten als Dank für ihr Mitwirken kostenlos ein Exemplar der Studie. Die Veröffentlichung ist für den März 2023 geplant.

Im westlichen Ruhrgebiet sorgt die Jazz Offensive Essen (JOE) weiterhin für gute Töne. Vom 23.-25.2. steigt in der Zeche Carl in Essen-Altenessen das JOE Festival 2023. Auf der Bühne stehen heimische Künstler wie Tutti Bounce (mit drei Mitgliedern von Seeed) und das Quartett Hilde, aber auch international bekannte Acts wie die Trios von Craig Taborn, Tomeka Reid und Ches Smith sowie Jakob Bro, Arve Henriksen und Jorge Rossy. Also: Jazz in Essen – nicht vergessen!

www.jazz-offensive-essen.de

Er gehörte zu den prägenden Figuren des deutschen Jazz ab den 1960er Jahren. 1938 in der Nähe von Breslau geboren, kam Gerd Dudek 1950 nach Westdeutschland, lernte als Jugendlicher Klarinette, später Tenorsaxofon und den Beruf des Bauzeichners. Seine musikalische Laufbahn war stilistisch breit gefächert, begann in Big Bands, mit Jazz und R’n’B in GI-Clubs der US-Armee und führte ihn zunächst zum Kurt Edelhagen Orchester, mit dem er gepflegte Unterhaltungsmusik spielte. Mitte der Sechzigerjahre wurde er als Mitglied des Manfred Schoof Quintetts und Gründungsmitglied des Globe Unity Orchestra eine wichtige Stimme des europäischen Free Jazz. Er spielte mit Größen wie Lester Bowie, George Russell und Don Cherry und war Mitbegründer des European Jazz Quintet mit Ali Haurand. Später führte sein Weg von der Avantgarde zurück in Richtung Mainstream, ohne dass dies seinem Renommee geschadet hätte. Gerd Dudek starb Anfang November im Alter von 84 Jahren.

Lisa Stick © Michael Wassenberg

 

Die Hamburgische Kulturstiftung verleiht seit 2012 den mit 7.500 € dotierten Werner Burkhardt Musikpreis an herausragende Jazzmusiker*innen der Hansestadt im Alter bis 40 Jahre. Die Auszeichnung für 2022 bekommt die Posaunistin Lisa Stick, für die die Jury diese lobenden Worte findet: „Es sind die leisen Töne, die dennoch sehr ausdrucksstarken Linien und die unerwarteten Wendungen, die sie als Solistin und Komponistin kennzeichnen.“ Die Preisverleihung findet am 19.1. in der JazzHall in Hamburg statt. Die Preisträgerin wird dort mit ihrem Lisa Stick 7tett auftreten.

LDQ © Rocco Dürlich moon media

 

Was alles aus einem Zufall entstehen kann: Als 1997 mehrere Veranstalter im baden-württembergischen Weinstadt zufällig für denselben Termin Konzerte angesetzt hatten, beschlossen sie, künftig zusammenzuarbeiten, anstatt sich Konkurrenz zu machen, und gründeten ein Festival – die Weinstadt Jazztage waren geboren. Bei der 25. Ausgabe vom 2.-12.3. sind in einem umfangreichen Programm mit Session, Filmvorführung, Kirchen- und Musikschulkonzerten u.a. triosence, das Peter Lehel Quartet und die Ralf Illenberger Band zu sehen. Am 11.3. spielen in einer Jazz- und Funknacht Fatcat sowie der aktuelle JAZZTHETIK-Titelheld Lukas DeRungs mit seinem Quintett, bevor am folgenden Vormittag die Big Band des Remstal Gymnasiums bei freiem Eintritt den Schlusspunkt setzt.

weinstadtjazztage.de

Um auch jenen Musikschaffenden öffentliche Anerkennung zukommen zu lassen, die als Komponist*innen und Texter*innen häufig im Schatten der Interpret*innen stehen, vergibt die GEMA seit 2009 den Deutschen Musikautor*innenpreis. In zehn Kategorien werden dabei Musikautorinnen und Musikautoren für herausragende Kompositionen und Textdichtungen ausgezeichnet. Eine Fachjury wählt aus Einsendungen der GEMA-Mitglieder und der Berufsverbände sowie aus eigenen Vorschlägen. Die Preisverleihung 2023 findet am 30.3. im Berliner Hotel Ritz-Carlton statt.

© Jens Schlenker

Vier Wochen später ruft wieder die jazzahead! die internationale Jazzszene nach Bremen. In der Halle 6 der dortigen Messe findet vom 27.-30.4. das Branchentreffen und Festival für Veranstalter*innen, Medien, Verbände und Musiker*innen statt. Eine Besonderheit der Messe 2023: Das seit 2011 jährlich wechselnde Partnerland (zuletzt Kanada, Norwegen und Polen), das Raum bekommt, seine Jazzszene ausführlich zu präsentieren, ist diesmal Deutschland. Da im Rahmen der regulären Programmschiene „German Jazz Expo“ aber ohnehin schon acht deutsche Bands im Showcase-Programm vertreten sind, hat man für das Partnerlandprogramm Kooperationen mit Frankreich, Österreich, den Niederlanden und den USA angeregt: Vier Musiker*innen aus Deutschland, die in den genannten Ländern gut vernetzt sind, bauen um sich herum internationale Formationen auf, die in Bremen auftreten. Ein Konzept, das interessante Ergebnisse erwarten lässt.

www.jazzahead.de

Auch wenn er nicht zu den Musikern gehörte, die bei der Frage nach den größten Gitarristen der Jazzgeschichte als erste genannt werden, genoss er doch gerade unter den Kollegen an seinem Instrument einen glänzenden Ruf. Mick Goodrick unterrichtete über drei Jahrzehnte am Berklee College of Music und verfasste Lehrbücher wieThe Advancing Guitarist. Um seinen enormen Einfluss einzuschätzen, genügt ein Blick auf die Musiker, die er unterrichtet hat. Unter ihnen waren etwa Bill Frisell, Julian Lage, John Scofield, Lage Lund und Mike Stern. Ab den 1970ern war er mit vielen namhaften Musikern zu hören, spielte in der Gruppe von Gary Burton, in Charlie Hadens Liberation Music Orchestra und Jack DeJohnette’s Special Edition. Eine besondere Vorliebe hatte er für die Zusammenarbeit mit anderen Gitarristen, wie Kooperationen mit Jim Hall, Pat Metheny und John Abercrombie zeigen. 2020 musste er aus gesundheitlichen Gründen seine Lehrtätigkeit beenden, am 16. November 2022 starb Mick Goodrick mit 77 Jahren.

Die Jury beim Preis der deutschen Schallplattenkritik hat mal wieder genau hingehört und auf der letzten Quartalsbestenliste des ablaufenden Jahres 24 Siegertitel geehrt. In der Kategorie Jazz fiel die Wahl auf das bei ECM erschienene Album The Next Door von Julia Hülsmann und ihrem Quartett, denen die Jury „ein miteinander verflochtenes Spiel von geradezu zauberhafter Leichtigkeit“ attestiert. Außerdem unter den Ausgezeichneten: Heiner Goebbels mit A House of Call (Zeitgenössische Musik), Kolínga mit Legacy (Weltmusik), die Tedeschi Trucks Band mit I Am the Moon (Blues) und Misagh Joolaee & Sebastian Flaig mit Qanat (Traditionelle ethnische Musik).

Peter Brötzmann
@ Preis der deutschen Schallplattenkritik

 

Für einen Giganten wie Peter Brötzmann darf es schon etwas mehr sein als ein Platz auf einer Quartalsliste – fand auch der Preis der deutschen Schallplattenkritik und verlieh dem Wuppertaler den Ehrenpreis 2022. Bei der Preisverleihung auf dem Jazzfest Berlin lobte Bert Noglik für die Jury, der 81-Jährige habe „auf unvergleichliche Weise dazu beigetragen, unsere Vorstellungen von Musik, nicht nur die vom Jazz, sondern die von Musik ganz allgemein zu erweitern.“ Brötzmann sei immer klar gewesen, „dass es darauf ankommt, die Musik im eigenen Umfeld zu reflektieren und zu diesem in Beziehung zu setzen. Insofern war und ist die Musik von Peter Brötzmann immer auch politisch – in ihrer Widerständigkeit und in ihrer Wahrhaftigkeit.“ Große Worte für einen großen Künstler.

Karlheinz Stockhausen

 

Was kann einem noch Größeres widerfahren als ein Ehrenpreis? Man kann zum Comic-Helden werden. Einer, dem diese Ehre jetzt zuteil geworden ist und einer der Letzten, von dem man das erwartet hätte, ist Karlheinz Stockhausen. Der Autor und Filmemacher Thomas von Steinaecker beschreibt in einer Graphic Novel, illustriert von David von Bassewitz, die Faszination, die er schon als Jugendlicher für den vieldiskutierten Komponisten empfunden hat, und beschreibt dessen Leben und Musik auf ungewöhnliche Weise. Da kommt einiges zusammen, aber für einen Künstler, der einen 29-stündigen Opernzyklus wie Licht komponiert hat, sind knapp 400 Seiten Comic nun wirklich nicht überdimensioniert. Das Buch aus dem Carlsen Verlag heißt Stockhausen, der Mann der vom Sirius kam. Da kann sich Sun Ra mit seiner Herkunft vom Saturn mal schön hinten anstellen.