Monika Roscher Bigband

Raus aus den Schubladen

Seit 2011 existiert diese Großformation um Sängerin und Gitarristin Monika Roscher – eine Musikerin, deren künstlerische Offenheit das Bigband-Format aufblühen lässt. Beide ihrer bisherigen Alben waren Überraschungspakete, so auch ihr neues Werk. Witchy Activities and the Maple Death fühlt sich beim Hören an wie ein Trip durch tausend Musikwelten, im besten Sinne zappaesk, alternativ wie Carla Bley oder Sun Ra auf Marschierpulver – oder Charles Mingus in 3D. Genau das alles gab es so noch nie, und das gibt es auch nicht von sonstwem.

Von Lothar Trampert

© Emanuel Klempa

Auf die genannten großen Namen angesprochen, meint Monika Roscher (*1984): „Die liebe ich alle! Bei Carla Bley die Farben, bei Mingus das Gefährliche, bei Zappa den Spaß und Irrsinn. Sun Ra habe ich auf dem Schirm, kenne aber noch zu wenig. Ich finde toll, was sie alle gemacht haben und machen, und liebe die Freiheit, die ich in ihrer Musik hören kann.“

Die Monika Roscher Bigband ist einzigartig, explosiv und umwerfend, was schon vor Jahren auch das US-amerikanische Magazin DOWN BEAT bemerkte und sie als „Rising Star“ der großen Besetzungen listete. Gibt es noch eine Erinnerung, wann sie zum ersten Mal den Sound einer großen Band gehört hat und dachte: „Das ist es! Das will ich auch!“? „Ich war in der Schul-Bigband, und damals dachte ich eher: Das ist es nicht!“, erzählt Monika lachend. „Es hat zwar Spaß gemacht, aber zu dieser Zeit hätte ich mir niemals vorstellen können, dass eine Bigband cool sein kann, dass eine Bigband böse klingen kann, dass eine Bigband was wollen und ausrasten kann – oder dass eine Bigband auch klein und zerbrechlich sein kann. Das kam wirklich erst gegen Ende des Musikstudiums, als wir für große Besetzungen geschrieben haben und unser Kompositionsprofessor Gregor Hübner gesagt hat: ,Schreibt, was in euch steckt!’ Damit hat er bei mir offene Türen eingerannt, und ich habe zum ersten Mal gecheckt, wie viele Farben und was für eine Wucht in so einer Bigband stecken kann, wenn man mit den Traditionen bricht, wenn man was wagt. Es gibt keine Grenzen!“

Jazzgitarre studierte Monika Roscher bei Peter O’Mara. Wer hat sie darüber hinaus gitarristisch und wer als Sängerin beeinflusst? „Ich war schon immer begeistert von Omar Rodríguez-López von The Mars Volta, ich mag seine unkonventionelle Art zu spielen sehr. Auch Jeff Beck fand ich klasse. Und wie Annie Clark von St. Vincent ihre Gitarre klingen lässt, ist auch der Wahnsinn. Da gibt es noch viele mehr. Aber ich bin gar nicht so unbedingt von einzelnen Personen geprägt. Das war nie meine Stärke, wenn ich versuchte, wie jemand anderes zu klingen. Irgendwann habe ich mir gedacht: Ich spiel jetzt so, wie ich das kann, so wie ich es mag. Und beim Gesang ist man ja auch mit einem Grund-Timbre ausgestattet, und das akzeptiere ich und arbeite damit. Ich finde Björk klasse, oder Cedric Bixler-Zavala von The Mars Volta, Maynard James Keenan von Tool und A Perfect Circle, auch Tori Amos, Beth Gibbons oder Róisín Murphy. Ich bin auch fasziniert von Gruntern und Screamern aus dem Metal-Bereich, zum Beispiel Greg Puciato von The Dillinger Escape Plan: Seine Art zu schreien beruhigt mich in diesen irren Zeiten.“

Ihr großartiges Musikvideo zu „Queen of Spades“ ist Pop, auch wenn die Bigband zwischendurch mal avantgardistisch klingt, dabei aber nie den Zugang versperrt, immer auch unterhaltsam bleibt, rocken kann und manche Menschen sogar zum Tanzen animiert. Das hat schon beim Debütalbum beeindruckt – und das internationale Musikschubladendenkerunwesen ordentlich irritiert. Ist das Programm oder Veranlagung? „Tja, wenn ich das wüsste“, meint Monika Roscher grinsend. „Ich mache einfach die Musik, die aus mir rauskommt. Und ich bin garantiert geprägt von allem Möglichen, ich kann Black Metal hören, aber auch Alban Bergs Wozzeck. Mit Schubladen bin ich überfordert. Mir ist schon klar, dass man musikalische Inhalte immer kategorisieren will, aber das überlasse ich gerne den Profis.“

Monika Roscher ist auch außerhalb ihrer Bigband erfolgreich, u.a. mit ihrem Improvisationstrio TMT explosif, sie arbeitet am Theater, komponiert Bühnenmusik, gibt Workshops und hat ein Label gegründet, Zenna Records, um mit ihrer Band „komplett unabhängig“ zu sein. Die ist ihr Hauptjob: „Ich komponiere für die Bigband, spiele Gitarre, singe, dirigiere, formatiere die Noten, organisiere und booke Konzerte. Wir gehen bald auf Tour, und das ist wirklich krass zu organisieren. Die Live-Bands werden heute immer kleiner – und wir sind so bescheuert, dass wir einfach mit 18 Leuten auf Tour gehen! Aber so eine Live-Energie bekommt man auch nicht jeden Tag geboten. Das sind alles virtuose Individualisten, und ich schätze mich unglaublich glücklich, mit ihnen Musik machen zu können. Alle bringen sich ein – es ist umwerfend!“

Für diese 18 Musiker*innen – sie werden auf www.monikaroscher.com ausführlich vorgestellt – sind Business- und Genre-Grenzen weiterhin ganz eindeutig eher Inspiration als Beschränkung. Diese Band und ihre großartige Sängerin und Gitarristin sind ein Erlebnis, und für Witchy Activities and the Maple Death verdienen sie die Höchstwertung – und ganz viel Publikum.

Aktuelles Album:

Monika Roscher Bigband: Witchy Activities and the Maple Death (Zenna Records / Membran)