Mr. M’s Jazzclub

Baden-Baden

©Steven Haberland

Von Thomas Neuhauser. Wie schön, dass es wenigstens mit dem Eröffnungsabend noch gut ging. Trotz Corona-Krise konnte Festival-Gründer und Impresario Marc Marshall am 12. März das 13. Jazzfestival gut gelaunt eröffnen – denn alle Musiker und fast alle Gäste waren gekommen, und für Freitag und Samstag konnte man noch hoffen – leider vergeblich, wie sich herausstellen sollte. In Abstimmung mit dem Robert-Koch-Institut hatte man die Abstände zwischen den Tischen vergrößert und die Lüftung verstärkt, gerade so, dass das Konzept der niederen Bühne mit Clubatmosphäre und Nähe zum Publikum dennoch aufging. Marshalls lockere Begrüßungsformel „Schön, dass ihr alle da seid“ bekam unter diesen Umständen eine zusätzliche Bedeutung. Der Stargast des Abends, der legendäre niederländische Flügelhorn-Spieler Ack van Rooyen, der gerade seinen 90. Geburtstag (!) gefeiert hatte, griff dies humorvoll auf und betrat die Bühne mit den Worten: „Auch schön, dass ich da bin!“ Schon war das Publikum gewonnen, erst recht durch sein warmes, gefühlvolles und alterslos-souveränes Flügelhornspiel, begleitet von Marshalls perfekt eingespielter All Star Band um Frank Lauber (sax), Bruno Müller (g) und Simon Oslender (hammond). Da swingte es gleich richtig im altehrwürdigen Bénazet-Saal des Baden-Badener Kurhauses.

Van Rooyen gehört seit Jahrzehnten zu den ganz Großen der europäischen Jazzszene. Sein Timing und Feeling sind nach wie vor bewundernswert, er treibt musikalische Späße mit dem Publikum und ist bescheiden genug, den anderen Solisten des Abends genügend Raum zu lassen. Dazu gehörten u. a. ein einfühlsames Zusammenspiel mit der mehr vom Rhythm ’n’ Blues kommenden Berliner Sängerin Lisa Bassenge sowie das beeindruckende Mundharmonika-Spiel des jungen Konstantin Reinfeld, der virtuos über das Thema des Gospels „When the Saints Go Marching In“ improvisierte. Da kam dichte Clubatmosphäre auf – Corona-Distanz hin oder her.

©Steven Haberland

Marshalls Band begleitet die Gastmusiker so, als wäre es deren eigene Band oder als hätten sie lange gemeinsame Proben hinter sich – was keineswegs der Fall ist. Aber Marshall setzt mit dem richtigen Gespür auf eine der schönsten Eigenschaften des Jazz: Das Aufeinanderhören, die Spontanität auf der Bühne und die Improvisation. Wenn, wie an diesem Abend, die Chemie unter den Musikern stimmt, geht das Konzept auf, und es gibt die seltenen, umso schöneren magischen Momente, z.B. zwischen Lisa Bassenge und Marc Marshall beim Carole-King-Klassiker „It’s Too Late“, oder auch wenn Marshall im Al-Jarreau-Stil mit van Rooyens Flügelhorn scattet.

Die beiden folgenden Abende wurden dann abgesagt. Da die Musiker aber schon angereist waren, fand das Konzert mit dem britischen Soulstar Tony Momrelle am Freitagabend noch ohne Publikum als Internet-Livestream statt. Der Samstag mit den Stammgästen Peter Fessler und Thomas Siffling wurde ganz abgesagt. Sehr schade, nachdem das Festival so vielversprechend begonnen hatte. Aber auch hier gilt hoffentlich: Nach dem Festival ist vor dem Festival.

©Steven Haberland